Mittwoch, 24. April 2024

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Zum Tode von Hans-Jochen Vogel
"Man hätte 1972 vieles aus den Spielen lernen können - aber leider wurde alles anders"

Hans-Jochen Vogel holte in seiner Zeit als Oberbürgermeister der Stadt die Olympischen Spiele 1972 nach München. Die Sportjournalistin Bianka Schreiber-Rietig sagte im Deutschlandfunk, dass die olympische Bewegung viel aus den Spielen hätte lernen können - doch das Attentat auf die israelische Mannschaft prägte dann die Erinnerung an die Spiele.

Bianka Schreiber-Rietig im Gespräch mit Astrid Rawohl | 26.07.2020
In seiner Zeit als Münchens Oberbürgermeister hielt Hans Jochen Vogel (SPD) anlässlich der Olympischen Spiele 1972 in München eine Ansprache.
In seiner Zeit als Münchens Oberbürgermeister hielt Hans Jochen Vogel (SPD) anlässlich der Olympischen Spiele 1972 in München eine Ansprache. (imago/Sven Simon )
Vogel starb am 26. Juli im Alter von 94 Jahren. Die Sportjournalistin Bianka Schreiber-Rietig erinnerte sich anlässlich seines Todes an seine Rolle bei den Olympischen Spielen 1972 in München. "Sportpolitisch hat Vogel erkannt, dass man die Bürgerinnen und Bürger einbinden muss", sagte Schreiber-Rietig, die 1972 als freiwillige Helferin bei den Spielen mitgearbeitet hatte. Weitere Versuche, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen, scheiterten auch an Vorbehalten in der Bevölkerung.
Vogel wollte Stadtentwicklung in München vorantreiben
Vogel sei ein Stadtentwicklungsvisionär gewesen und habe mit den Spielen die Chance gesehen, vieles in der Stadt zu verändern - "und zwar schneller, als es sonst gegangen wäre". Der Olympiapark werde immer mit Vogel in Verbindung bleiben, sagte Schreiber-Rietig.
Der frühere SPD-Bundesvorsitzende Hans-Jochen Vogel, aufgenommen am 09.12.2016 im Landtag in Stuttgart (Baden-Württemberg)
Zum Tode von Hans-Jochen Vogel - Vorwärts mit Opfermut
Vater der Olympischen Spiele 1972 in München, Bundesminister und SPD-Chef: Hans-Jochen Vogel gab sich in seiner politischen Laufbahn effizient und pedantisch – und übernahm dabei Aufgaben, bei denen er nur verlieren konnte.
Auf eine Idee von Kanzler Willy Brandt hin, habe er gemeinsam mit dem damaligen NOK-Präsident Willi Daume die Spiele nach München geholt. Das Konzept der kurzen Wege und und heiteren Spiele sei überzeugend gewesen, sagte Schreiber-Rietig. "Es hätten andere Spiele werden können. Bescheiden, naturverbunden, man hätte vieles daraus lernen und umsetzen können. Aber es ist ja leider alles anders geworden", sagte sie mit Blick auf das Attentat auf die israelische Mannschaft.
Palästinensische Terroristen töteten israelische Sportler
Die palästinensische Terrororganisation Schwarzer September hatte elf israelische Sportler als Geiseln genommen, bei einer misslungenen Befreiungsaktion der deutschen Sicherheitskräfte wurden alle Geiseln durch die Terroristen getötet. Auch fünf Terroristen und ein Polizist wurden getötet.
Für Vogel endete das Projekt Olympia damit in einem Fiasko. "Es war ja noch schlimmer, weil uns zunächst die Meldung erreichte, alle Geiseln hätten überlebt. Dann erst nach 20 Minuten oder einer halben Stunde kam die Meldung mit der Realität", erinnerte sich Vogel 2012 im Deutschlandfunk 40 Jahre nach den Spielen.
Vogel 2012: "Israelische Gäste sterben in Deutschland - schlimm"
"Wie die erste Meldung zustande kam, das ist bis heute nicht ganz aufgeklärt. Sie kam jedenfalls nicht von offizieller Seite", sagte Vogel.
"Das war ein sehr bedrückendes Gefühl, denn ich war ja als Oberbürgermeister der Olympiastadt bis kurz vor Beginn der Spiele mit der Einladende und mit der Gastgebende. Und nun sterben ausgerechnet auf deutschem Boden von uns eingeladene israelische Gäste - schlimm!"