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"Zumindest ist das rechte Auge eingetrübt worden in den letzten Jahren"

Die deutschen Ermittlungsbehörden seien zwar nicht auf dem rechten Auge blind, Behörden und Bevölkerung würden aber das Problem des Rechtsextremismus unterschätzen, warnt Andreas Zick, Sozialpsychologe und Konfliktforscher an der Universität Bielefeld.

Andreas Zick im Gespräch mit Wolfgang Koczian | 20.11.2011
    Wolfgang Koczian: Man muss nicht Kriminalistik studiert haben, es reicht die Lektüre einiger guter Kriminalromane, um zu wissen, dass Ermittlungsbehörden nachvollziehbar höchst motiviert sind, um den Mord an einem Kollegen oder einer Kollegin aufzuklären. So verhielt es sich auch mit dem Tod der Polizistin in Heilbronn. Atemberaubend, mit welchem Eifer man weltweit einer letztlich falschen DNA-Spur nachjagte. Dabei lag das Böse doch so nah: Die Beamtin kam aus Thüringen und die Tatwaffe war nicht jungfräulich eingesetzt worden. Zum Zweiten: Serientäter ermittelt man durch Übereinstimmung von Tatmerkmalen. Acht sogenannte "Döner-Morde" hätte man zusammenbringen müssen. Der Sozialpsychologe und Konfliktforscher Andreas Zick ist Lehrstuhlinhaber der Universität Bielefeld, assoziiert im Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. Guten Morgen Professor Zick!

    Andreas Zick: Guten Morgen!

    Koczian: Darf man auch ohne Kenntnis noch wichtiger Einzelheiten aufgrund der Anwendung gesunden Menschenverstandes davon ausgehen, dass wir es mit einem der größten Polizei- und Staatssicherheitsskandale der letzten Zeit zu tun haben?

    Zick: Ja, ich denke schon auf jeden Fall. Angesichts dessen, was man hätte wissen können, ist das alles eine ziemliche Katastrophe und die Entschuldigungen in der Spitzenpolitik machen ja ihre Runde.

    Koczian: Solche Ausgangslagen sind nun ideale Brutstätten für Verschwörungstheorien. Verschwörungstheorien als solche gehandelt bergen aber auch die Gefahr in sich, tatsächlich blinde Flecken zu verdecken. Befinden wir uns gerade in der Phase wuchernder Verschwörungstheorien?

    Zick: Verschwörungstheorien liegen bei so einem Fall von Terrorismus, zumal Rechtsterrorismus, wo wir so wenig angeblich gewusst haben, ziemlich nah. Das Problem ist, die Zeit ist rasend schnell. Wir suchen jetzt nach furchtbar schnellen Lösungen. Und dann tauchen Verschwörungstheorien auf. Lagen in dem Fall aber auch furchtbar nah, denn die Informationen über die V-Männer die eingeschleust wurden und die operiert haben, sind ja katastrophal.

    Koczian: Wäre es nun nachvollziehbar, wenn der Verdacht geäußert würde, deutsche Ermittlungsbehörden wären auf dem rechten Auge blind?

    Zick: Zumindest ist das rechte Auge eingetrübt worden in den letzten Jahren. Wir haben an unserem Institut ja nunmehr seit 25 Jahren den Rechtsextremismus im Visier und wir waren der Meinung, dass die Behörden, aber auch die Bevölkerung, das Problem ständig unterschätzt.

    Koczian: Manchmal fällt es ja schwer, einem Bankräuber oder einem Mörder die von ihm behauptete politische Motivation zu glauben. Sie ist aber wohl dann gegeben, wenn sich ein klares Feindbild ausmachen lässt. Da verhält es sich doch jetzt so.

    Zick: Ja, auf jeden Fall, ich denke da machen Sie einen ganz wichtigen Punkt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Das vollständige Gespräch mit Andreas Zick können Sie in unserem Audio-on- Demand-Angebot bis zum 20. April 2012 als MP3-Audio hören.