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Zur Lage der deutschen Wirtschaft

Alle Institute rechnen mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum. Indes: Wie stark die Konjunktur konkret sein wird, da sind sich die Experten uneinig. Und eine Umfrage unter Analysten des ZEW hat sogar ein überraschend positives Ergebnis.

Von Brigitte Scholtes | 11.12.2012
    Auf den ersten Blick scheinen die Konjunkturmeldungen heute widersprüchlich: Verschiedene Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum, während die vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung befragten Finanzanalysten damit rechnen, dass sich die Konjunktur bis zum Frühsommer stabilisiert. Der Index legt um 22,6 Punkte auf 6,9 Punkte zu. So stark war das Plus nicht erwartet worden. So meint Uwe Aengenendt, Chefvolkswirt der BHF-Bank:

    "Das war schon ein sehr schöner Anstieg um 20 Punkte, das sieht man nicht so häufig. Der Hintergrund ist einfach, dass aus Sicht der Finanzmärkte der Euroraum sich doch deutlich stabilisiert hat. Das kann man an den Aktienkursen beobachten, das kann man aber auch an den Renditedifferenzen beobachten, die in den letzten Monaten doch aufgrund der politischen Entscheidungen deutlich zusammengeschrumpft sind. Und meines Erachtens wird sich das sehr positiv auf die Wirtschaft auch durchwirken."

    Doch wie lange das dauert und ob es im Winterhalbjahr nicht doch noch einmal bergab geht, da sind sich die Auguren unsicher. Fast alle nehmen an, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal leicht schrumpft. Ob das noch weiter geht, hängt vom Verlauf der Schuldenkrise ab und davon, ob das "Fiscal Cliff" in den USA vermieden werden kann, ob sich also Demokraten und Republikaner auf Schritte zur Haushaltskonsolidierung einigen können.

    Noch überwiegt da der Optimismus. Aber die Unsicherheiten spiegeln sich in den Prognosen: So rechnet das RWI, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, mit einem Wirtschaftswachstum von nur noch 0,3 Prozent im kommenden Jahr statt 1,0 Prozent wie im September noch erwartet. Im laufenden Jahr werde die deutsche Wirtschaft um 0,7 Prozent zulegen, glauben die Essener Wirtschaftsforscher. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut HWWI rechnet 2013 ebenfalls mit einem schwächeren Wachstum als 2012. Doch sind die Hamburger mit ihrer Annahme von 0,5 Prozent etwas optimistischer als ihre Essener Kollegen vom RWI. Zu viel ist aber noch ungewiss, genaue Prognosen deshalb ohnehin nicht möglich, meint Stephan Schneider, Volkswirt der Deutschen Bank. Er hofft vor allem auf die exportstarken Branchen:

    "Da stehen natürlich im Vordergrund die Investitionsgüterhersteller, die im Moment von dem Investitionsattentismus in der Welt doch getroffen sind. Also alle sind vorsichtig. Wenn sich da eine Wende zum Besseren abzeichnet, könnten diese Produzenten sicherlich auch davon positiv profitieren."

    Im Inland dürfte die Bauindustrie vom privaten Wohnungsbau weiter profitieren, glaubt er:

    "Zum einen ist die Arbeitsmarktsituation in Deutschland immer noch sehr günstig, die Finanzierungssituation ist immer noch günstig. Und es wird wahrscheinlich auch hier und da die latente Sorge vor zukünftig höheren Inflationsraten eine Rolle spielen. Beim privaten Verbrauch, da wäre ich vorsichtig. Wir haben auch im Vergleich des Durchschnitts der 2000er-Jahre, als der private Verbrauch so zwischen 0 und einem halben Prozentpünktchen gestiegen ist, sind wir auch etwas besser. Wir haben jetzt Raten so um 1, aber das sich das noch mal weiter beschleunigt, davon gehen wir eigentlich nicht aus."