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Zur Not fällt Sport weg

Nicht überall klappt es an den Schulen mit dem Sportunterricht so, wie man sich das wünscht, und manchmal klappt es noch nicht einmal so, wie der Lehrplan es vorsieht. Sport ist ein Mangelfach, und es fallen jede Menge Unterrichtsstunden in diesem Fach aus. Armin Himmelrath hat versucht, eine Schule zu finden, die sich zu ihrem mangelhaften Sportangebot bekennt und auch die strukturellen Gründe dafür nennt, warum es eben in manchen Jahrgangsstufen keinen Sportunterricht mehr gibt. Aber vor das Mikrofon treten wollte kein betroffener Schuldirektor und kein Sportlehrer.

Von Armin Himmelrath | 28.10.2005
    Jedes Jahr kurz vor Schuljahrsbeginn fängt in den Lehrerzimmern das Zählen an. Wie viele Kollegen sind uns zugewiesen worden? Welche Fächer brauchen wir noch? Und wie groß ist die Zahl der unbesetzten Planstellen, also der Fehlstunden? Ein Gymnasium am Niederrhein kam beim ersten Durchzählen im Juli auf über 50 Fehlstunden pro Woche. Schnell war klar, wie dieser Mangel aufgefangen werden sollte: Die komplette Oberstufe, also die Klassen 11 bis 13, sollen keinen Sportunterricht mehr bekommen. Kein Einzelfall, weiß Gabriela Custodis, Vorsitzende der Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen.

    " Wir haben vor einigen Jahren ja mal eine Untersuchung gemacht, und der Tenor war schon, dass Sport am ehesten mit Kunst und Musik wegfällt, wenn Not am Mann ist. "

    Sportunterricht wird häufig nicht als Teil des Bildungsauftrags verstanden. Und dieses fehlende Bewusstsein gebe es bei allen Beteiligten, sagt die Elternvertreterin.

    " Es ist nicht nur wichtig die zwei Stunden Sport, sondern eben die Heranführung an den Sport und den Kindern zu zeigen, wie wichtig das ist. Andererseits ist es so, dass wir im Moment zwischen 5 und 10 Prozent Unterrichtsausfall haben an den Gymnasien, und dass dann eben leichter der Sport gestrichen wird als Mathematik oder Englisch oder Deutsch, und dass dann auch Eltern sagen: Uns ist wichtiger, dass die Kinder den regulären Unterricht haben, und dann fällt eben Sport aus. Das ist aber nicht so, dass Sport keine Wertigkeit hat für die Eltern, sondern sie setzen dann eben die Priorität, dass die anderen Fächer eben wichtiger sind. "


    Auf der Strecke bleiben deshalb Gymnastik und Leichtathletik, Ballsportarten und Geräteturnen. Dabei hätten es die Schulen durchaus in der Hand, für mehr Sportlehrer zu sorgen - wenn sie denn wollten. Denn viele Lehrerstellen werden mittlerweile direkt ausgeschrieben. Gabriela Custodis.

    " Die Tendenz geht ja zu den schulscharfen Ausschreibungen, und es wäre auch wirklich dann mal wünschenswert, dass die Schulen dann auch die Sportlehrer mal einstellen und nicht wieder sagen: Jetzt Mathematik- und Physiklehrer zuerst - obwohl, das sind auch Mangelfächer, und da ist dann auch der Druck der Eltern groß. "

    Ausgefallene Sportstunden, sagt Gabriela Custodis, hätten auch noch weitere Nebenwirkungen.

    " Das Problem, dass, wenn Sportunterricht ausfällt, auch manchmal Schwimmunterricht ausfällt. In Gymnasien gibt es dann zweistündigen Schwimmunterricht, und das fand ich auch immer besonders wichtig, weil: Ganz viele Kinder können einfach nicht schwimmen. Und wenn sie es dann nicht lernen in der Grundschule oder in den ersten Jahren im Gymnasium, wo es auch noch Schwimmunterricht gibt, dann werden sie später ganz große Schwierigkeiten haben, weil sie sich dann genieren. Das ist ein Fach, was leider auch ganz oft unter den Tisch fällt - erstens, weil nicht jede Schule ein Schwimmbad in der Nähe hat, und zweitens, weil das ne Doppelstunde ist, die dann auch leicht gestrichen wird. "