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Zurück in die Heimat

In den vergangenen Jahren ist viel über das Abwandern deutscher Forscher ins Ausland berichtet worden. Seit einiger Zeit versuchen Politik und Hochschulen deswegen, Deutschland als Forschungsland wieder attraktiv zu machen. Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen ein Rückkehrerprogramm ins Leben gerufen, das deutsche Jungforscher mit viel Geld zurück in die Heimat locken will.

Von Silke Katenkamp | 24.10.2007
    Lars Leichert könnte irgendwann einmal den Nobelpreis erhalten. Der 32-jährige Biochemiker aus Mannheim erforscht den Schutz vor oxidativem Stress - eine der Ursachen für viele Krankheiten wie Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Doch das macht er nicht etwa in seiner Heimat. Nach seinem Studium an der Universität Greifswald ist Leichert in die USA gegangen.

    "Meine Chefin arbeitet an oxidativem Stress und ich hab gesehen, dass sie Praktika anbietet und ich hab sie einfach mal gefragt, ob es möglich ist, bei ihr meine Doktorarbeit zu machen und was mich total erstaunt hat war, dass sie mich eingeladen hat, gesagt hat, ich bezahle den Flug, komm mal rüber, lass uns sprechen. Ich bin dann an die Universität Michigan, hab fast dreieinhalb Jahre meine Doktorarbeit dort gemacht und bin dann gleich da geblieben."

    Leichert ist kein Einzelfall. Höhere Gehälter, bessere Ausstattungen der Universitätenen und bessere Karrierechancen sind unter anderem Gründe dafür, warum deutsche Jungforscher ihrer Heimat den Rücken kehren. Eine Entwicklung, die auch die Politik bemerkt hat, erklärt NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart.

    "In den letzten Jahren haben wir beobachtet, dass wir einen einen massiven Weggang vom besten Wissen ins Ausland hatten und das wir umgekehrt sehr wenig Nachwuchswissenschaftler aus dem Ausland haben zurückgewinnen können - nicht in dem Umfang wie wir es als notwendig erachten. "

    Rund 18.000 deutsche Wissenschaftler forschen laut einer Erhebung der Robert-Bosch-Stiftung derzeit allein in den USA - davon sind etwa 5000 Nachwuchswissenschaftler, die vielleicht nur einen zweijährigen Aufenthalt planen - dann aber aufgrund attraktiver Angebote hägen bleiben. Nordrhein-Westfalens Politik will dem gegensteuern - und hat das Rückkehrerprogramm geschaffen. Junge deutsche Forscher, die im Ausland arbeiten, sollen damit nach NRW gelockt werden, um hier ihre eigene Forschungsgruppe aufzubauen, sagt Wissenschaftsminister Pinkwart:

    "Erstmal ist es positiv, wenn junge Wissenschaftler ins Ausland gehen und dort Erfahrungen sammeln, aber es ist natürlich ganz wichtig, dass ein Standort als attraktiv angesehen wird, dass die besten nach einer solchen Zeit zu diesem Standort zurückgehen - und so attraktiv wollen wir sein."

    Über einen Zeitraum von fünf Jahren erhalten die Stipendiaten des Rückkehrerprogramms deswegen vom Wissenschaftsministerium jeweils 1,25 Millionen Euro. Die ersten vier Stipendiaten stehen bereits fest. Eine Jury aus sechs internationalen Wissenschaftlern hat sie aus 45 Bewerbern ausgewählt. Biochemiker Lars Leichert ist einer von ihnen.

    "Was für mich attraktiv ist, ich habe eine recht große Geldmenge, die ich einsetzen kann für meine eigene Forschungsarbeit, ich kann darüber selbstständig entscheiden. Wenn man sich das anguckt, ist das sehr ähnlich, wie es in den USA gemacht wird. Am Anfang hat man ja immer das Problem, man muss irgendwann mal unabhägig werden, dafür braucht man diese Forschungslorbeeren, und braucht ein bisschen, um sich was aufbauen zu können, um dann eben erfolgreich sich für neues Forschungsgeld zu bewerben, ist es doch sehr wichtig, dass man erfolgreich Anträge stellen kann bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder anderen Drittmittelgebern und das kann man nur, wenn man eben was Eigenes vorweisen kann und das Geld gibt einem die Chance, diesen Schritt in die Unabhängigkeit zu machen."

    An welcher Universität in NRW die vier Stipendiaten forschen werden, darüber können sie selbst entscheiden. In den vergangenen Tagen sind sie deswegen kreuz und quer durchs Land gefahren - um mit verschiedenen Hochschulen zu verhandeln. Auch die Biologin Wiebke Herzog, die seit vier Jahren an der University of California in San Francisco die Entwicklung von Blutgefäßen erforscht.

    "Das besonders attraktive daran ist, das ist das erste mal, dass wir als Nachwuchswissenschaftler in Verhandlungsposition kommen. Sie gehen jetzt zu den verschiedenen Unis, stellen sich vor und sagen dann so ein bisschen, was sie brauchen und die Unis machen ihnen ein Angebot. "

    Wie zum Beispiel Helmut E. Meyer, Professor für Biochemie. Er möchte Stipendiat Lars Leichert gerne an sein Institut an die Ruhr-Universität Bochum holen. Das Rückkehrerprogramm des Wissenschaftsministeriums hält er für einen Schritt in die richtige Richtung:

    "Es ist wichtig, die besten Leute zurück zu holen. Wir brauchen eigentlich viel mehr solcher Positionen und Stellen, weil über Jahrzehnte die Kollegen aus Amerika uns die fähigsten Leute abgeworben haben, was natürlich auch dazu geführt hat, dass Deutsche zwar Nobelpreisträger geworden sind, aber in den USA leben und arbeiten. Alles steht und fällt mit guten Mitarbeitern und guten Forschern. Ich denke, die vier Positionen sind ein Anfang, aber für so ein großes Land ein Tropfen auf dem heißen Stein."

    In den kommenden fünf Jahren will Wissenschaftsminister Pinkwart insgesamt zehn Millionen Euro in das Programm investieren und weitere Spitzenforscher nach Nordrhein-Westfalen holen. Im Zentrum stehen dabei Wissenschaften, die laut des Innovationsberichts 2006 für NRW von Bedeutung sind, wie die Lebenswissenschaften oder die Energieforschung. Was aus Wiebke Herzog oder Lars Leichert wird, wenn ihr Fördergeld aufgebraucht ist, können beide noch nicht sagen. Allerdings hoffen sie auf eine feste Stelle. Wenn nicht, müssen sie vielleicht wieder weg aus Deutschland - vielleicht zurück in die USA.


    Info:
    Programm zur Förderung der Rückkehr des wissenschaftlichen Spitzennachwuchses aus dem Ausland