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Zusammenarbeit mit Libyen
Italiens Interessen in Nordafrika

Flüchtlinge aufhalten und Öl fördern – Italien hat in Libyen politische und wirtschaftliche Interessen. Aber das nordafrikanische Land ist nach Jahren des Bürgerkriegs noch immer instabil. Dafür hat die Regierung in Rom einen Schuldigen gefunden.

Von Jan-Christoph Kitzler | 06.09.2018
    Dieses von der libyschen Küstenwache zur Verfügung gestellte Foto zeigt eine Gruppe afrikanischer Migranten, die von der Küstenwache im Osten der libyschen Hauptstadt in einem Boot an Land gebracht werden.
    Italien setzt auf Libyen bei der Abwehr von Flüchtlingen und Migranten. Hier bringt die libysche Küstenwache Menschen nahe der Hauptstadt Tripolis an Land (Libyan Coast Guard / AP / dpa)
    Matteo Salvini ist eigentlich Italiens Innenminister. Aber wenn es um Libyen geht, dann wird er auch schon mal zum Außenpolitiker. Denn für Salvini muss Libyen ein stabiles Land sein, koste es, was es wolle. Schließlich setzt der Innenminister bei der Abwehr von Migranten unter anderem auf die Küstenwache der international anerkannten Regierung Libyens. Bisher war es für Salvini zu vernachlässigen, dass diese Regierung kaum mehr als die Gegend um die Hauptstadt Tripolis kontrolliert.
    Aber dass die Milizen nun auch in Tripolis gegeneinander gekämpft haben, passt dann doch nicht ins Bild. Und wie immer, wenn Salvini angeschlagen ist, sucht er die Schuld woanders. In diesem Fall ist der Gegner Frankreich:
    "Meine Sorge ist, dass irgendwer die Stabilität ganz Nordafrikas aus ökonomischen und egoistischen nationalen Interessen aufs Spiel setzt – und damit auch die Europas. Da hat schon mal jemand einen Krieg geführt, den es nicht hätte geben dürfen, da werden Wahltermine festgelegt, ohne dass das mit den Verbündeten, der UNO, den Libyern abgestimmt wäre. Wir haben da ein ganz großes Risiko vor der Tür. Ich hoffe, dass es aufhört, dass so mancher nur an seine eigenen Interessen denkt, sondern sich um Frieden und Stabilität kümmert."
    Kritik an Innenminister Salvini
    Eine Polemik, die angesichts der Lage wohl kaum weiterhilft. Und deshalb gibt es auch in Italien Kritik an den antifranzösischen Tönen in der italienischen Regierung, zum Beispiel von Franco Vazio, der für den Partito Democratico im Abgeordnetenhaus sitzt:
    "Wenn der stellvertretende Regierungschef bis gestern andere Länder, die Europäische Union oder Frankreich angegriffen, beleidigt und bedroht hat, dann wird es schwer, sich an einen Tisch zu setzen. Aber darum geht es: miteinander reden, sich an einen Tisch setzen. Aber vor allem braucht die Regierung eine Idee davon, wohin die Reise gehen soll."
    Doch Matteo Salvini bekommt auch Unterstützung von berufenen Experten für Außenpolitik. Alle sind in Italien der Meinung, dass es ein Fehler war, Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 aus dem Amt zu bomben. Dass Frankreich damals die Initiative übernommen hatte, wird von vielen kritisiert, denn seitdem ist Libyen im Chaos versunken, sagt auch Gabriella Giammanco, Senatorin der Forza Italia
    "Es gab wirtschaftliche Interessen anderer europäischer Länder. Ich meine Frankreich, die auf diese Entscheidung gedrängt haben. Und jetzt haben wir das Chaos – Gruppen, Stämme, zwei Regierungen, alle gegeneinander. Und das bedeutet auch ein sehr großes Risiko für Italien, für unsere Küsten, denn Libyen liegt nur wenige hundert Kilometer vor Sizilien."
    Italien hat in Libyen wirtschaftliche Interessen
    Und Migration ist da nur ein Thema. Italien hat auch handfeste wirtschaftspolitische Interessen in Libyen: Italienische Energiefirmen beuten die Öl- und Gasvorkommen des Landes aus, schwer bewacht, wo es noch geht. Große Infrastrukturprojekte waren und sind geplant. 2017 wurden immerhin Italienische Waren im Wert von einer Milliarde Euro nach Libyen exportiert. Schon in der Zeit des Faschismus wurde Libyen als italienischer Vorhof in Nordafrika angesehen.
    Heutzutage will man sich nicht von konkurrierenden französischen Interessen an den Rand drängen lassen – auch deshalb hat Italien als eines der wenigen Länder noch Botschaftsmitarbeiter in Tripolis. Italien müsse in Libyen die erste Geige spielen, sagte vor kurzem auch Ministerpräsident Giuseppe Conte:
    "Libyen ist für Italien strategisch wichtig, aus historischen, geopolitischen und geographischen Gründen. Die Migrationsrouten die durch Libyen gehen, führen weiter nach Italien. Wir haben in der derzeitigen Lage niemals eine Vormachtstellung beansprucht, wir haben keine Expansionsabsichten. Aber wir müssen die nationalen Interessen schützen, und auch die der anderen Partner. Deshalb können wir die Rolle im Interesse aller übernehmen."
    Rom will Führungsrolle einnehmen
    Immerhin gab es jetzt, nach dem vorübergehenden Waffenstillstand in Tripolis eine gemeinsame Erklärung der USA, Großbritanniens und auch Frankreichs und Italiens. Die Regierung in Rom will auch diplomatisch wieder die Führungsrolle übernehmen. Im November soll in der italienischen Hauptstadt eine große Libyen-Konferenz mit allen beteiligten Staaten und Parteien stattfinden. Ob das Treffen gelingt wird aber auch davon abhängen, ob Vertreter der italienischen Regierung bis dahin auf polemische Töne verzichten.