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Zusammensetzung der Rundfunkgremien
Schöffen für mehr Staatsferne

Parteipolitische Interessen spielen in den Kontrollgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer wieder eine Rolle, sagt ZDF-Fernsehrats-Mitglied Leonhard Dobusch. Er schlägt deshalb vor, die Rundfunkräte zu einem Drittel per Los zu besetzen. Ein Gastbeitrag.

Von Leonhard Dobusch | 13.05.2019
Bei einer Pressekonferenz beim ZDF in Mainz werden die Schatten dreier Menschen an die Logo-Wand geworfen.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass in den Kontrollgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks maximal ein Drittel der Mitglieder staatsnah sein darf (picture alliance / dpa)
Mag sein, dass Gremien wie Rundfunk- und Fernsehräte in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Ihre Bedeutung für Glaubwürdigkeit und Legitimation öffentlich-rechtlicher Medien ist dennoch kaum zu überschätzen. Im Zeitalter digitaler Plattformen gibt es mehr denn je Bedarf nach der Herstellung von Öffentlichkeit, die nicht wie auf Facebook und Youtube primär von kommerziellen Profitinteressen geprägt ist.
Gleichzeitig ist es dafür notwendig, eine demokratische Verankerung und Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen, ohne dessen Kontrollfunktion für demokratische Institutionen zu unterminieren. Die so genannte "Staatsferne" von Rundfunkaufsicht ist deshalb genauso so wichtig wie prekär: Die Legitimation öffentlich-rechtlicher Medien folgt wesentlich aus einem demokratisch festgelegten Auftrag. Diesen Auftrag sollen öffentlich-rechtliche Medien jedoch gerade auch in Form kritischer Berichterstattung über jene demokratischen Institutionen erfüllen, die wiederum über diesen Auftrag befinden.
Parteipolitik bei Personalentscheidungen
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Anteil staatsnaher Mitglieder in Aufsichtsgremien auf maximal ein Drittel zu beschränken, war deshalb eine wichtige Stärkung dieser Staatsferne. Viele der neuen Mitglieder im ZDF-Fernsehrat, die gesellschaftliche Bereiche wie "Inklusive Gesellschaft" oder "Regional- und Minderheitensprachen" vertreten, nehmen ihre Aufgaben sehr ernst und agieren sowohl staats- als auch senderfern.
In meinen mittlerweile drei Jahren als Mitglied des ZDF-Fernsehrats habe ich aber auch miterlebt, dass die parteipolitische Verankerung unter vielen Mitgliedern jenseits der sogenannten "Staatsbank" durchaus stark ausgeprägt ist. Vor allem, wenn es um Personalentscheidungen wie die Wahl der Intendanz oder von Verwaltungsräten geht, spielt diese "Schattenstaatsbank" bisweilen eine eher unrühmliche Rolle und verhilft einer parteipolitischen Linie statt der kompetenteren Person zur Mehrheit.
Lieber Schöffen auslosen als direkt wählen
Deshalb aber die Mitglieder dieser Aufsichsgremien direkt wählen zu lassen, wie es der Medienwissenschaftler Hermann Rotermund fordert, halte ich dennoch für verfehlt. Der dann zu erwartende Wahlkampf zwischen verschiedenen Listen würde letztlich zu mehr statt weniger Parteipolitik führen. Denn wie sollte bei einer Wahl von Listen deren Bildung entlang von politischen Weltanschauungen verhindert werden? Im schlimmsten Fall würden die jeweiligen Wahlsieger so in die Lage versetzt, öffentlich-rechtliche Medien entsprechend ihrer parteipolitischen Vorstellungen umzubauen.
Dabei teile ich die von Rotermund formulierten Ziele völlig. Um die Unabhängigkeit der Aufsicht und die Vertretung der Allgemeinheit jenseits verbandlich organisierter Interessen zu stärken, schwebt mir ein anderes Modell vor. Ein Weg könnte darin bestehen, zumindest ein Drittel der Mitglieder von Rundfunk- und Fernsehräten per Los zu beschicken.
Glaubwürdige Medien jenseits von Markt und Staat
Derart "aleatorische Demokratie" ist weder neu – schon in der athenischen Polis kam dieses Verfahren zum Einsatz – noch unserem politischen System völlig fremd: In der Justiz wird die gesellschaftliche Rückbindung immer schon auch über Laiengerichtsbarkeit sichergestellt. Geschworene oder Schöffen werden per Losverfahren ausgewählt.
Wenn aber sogar die Entscheidung über die Bestrafung schwerster Delikte per Los ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern zugestanden wird, warum dann nicht auch im Bereich der Rundfunkaufsicht? Selbst wenn einige der übrigen Mitglieder parteipolitisch zuzuordnen sind, müssten sich alle ernsthaft um die Stimmen dieser "Rundfunkschöffen" bemühen. Ergänzt um stärkere Transparenzpflichten, wie zum Beispiel hinsichtlich der Veröffentlichung von Sitzungsunterlagen, würde so eine Besetzungslogik dazu beitragen, öffentlich-rechtliche Medien klar und glaubwürdig jenseits von Markt und Staat zu verankern.