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Zusammenspiel von Virusinfektionen
Wie Dengue dem Zika-Virus hilft

Eine Zika-Infektion kann bei ungeborenen Kindern zu schweren Fehlbildungen führen. Besonders viele Fälle traten in den letzten Jahren in Nordost-Brasilien auf. Jetzt weisen Untersuchungen darauf hin, dass Antikörper gegen das dort ebenfalls verbreitete Denguefieber Zika-Viren den Weg in die Plazenta ebnen.

Von Joachim Budde | 30.07.2018
    Eine Stechmücke der Art Aedes aegypti
    Mücken der Art Aedes aegypti übertragen Dengue- und Zika-Viren. (picture alliance /dpa /Gustavo Amador)
    Das Zika-Virus hat in Südamerika für böse Überraschungen gesorgt. Wie ein Lauffeuer hat es sich zwischen 2014 und 2016 über den Kontinent verbreitet – vor allem in Brasilien. Inzwischen sieht die Situation ganz anders aus, sagt Professor Jan-Felix Drexler vom Institut für Virologie der Charité in Berlin.
    "In manchen Regionen gibt es gar keine Fälle, die gemeldet werden, es gibt auch gar keine Labor-bestätigten Fälle, also weder würden die Kliniker sagen: Das sieht aus wie Zika, noch hätte ein Labor etwas zu melden, es gibt also praktisch fast nichts, und selbst in anderen Regionen Brasiliens, wo wir eigentlich erwartet hätten, dass das Virus sich auch noch ausbreiten müsste, ist eigentlich nicht so viel passiert."
    Hoher Grad an Durchseuchung
    Das Tempo seiner Ausbreitung ist dem Virus offenbar selbst zum Verhängnis geworden. Inzwischen haben so viele Menschen eine Infektion durchgemacht, dass es niemanden mehr findet, in dem es sich vermehren könnte. Das hat Jan-Felix Drexler in einer Studie zur Herdenimmunität gegen Zika herausgefunden.
    "Wir sehen ja, dass zum Beispiel in einer Stadt in Nordost-Brasilien, in Salvador, ungefähr 60 Prozent der Menschen Antikörper haben. Also durchseucht sind. Und da die Immunität gegen das Zika-Virus sehr lang andauern dürfte, vielleicht ein Leben lang, dann sind diese Menschen alle nicht mehr verfügbar für das Virus. So ein Virus braucht nicht nur Mücken, es braucht eben genug Menschen in dem Fall, als Wirte, die das amplifizieren und den Mücken zur Verfügung stellen."
    Besonders viele Komplikationen im Nordosten Brasiliens
    Die schrecklichste Überraschung, die Zika gebracht hat, waren die zahlreichen Schädigungen im Mutterleib, die es verursacht hat. Was die Experten allerdings erstaunte: In keiner Region gab es so viele Fälle von Mikrozephalie und anderen Komplikationen bei Föten durch eine Zika-Infektion der Mutter wie in Nordost-Brasilien.
    "95 Prozent aller weltweit gemeldeten Zika-Virus-assoziierten Fälle von Mikrozephalie oder einem kontinentalen Zika-Syndrom, in das man jetzt noch andere neurologische Schädigungen – Augenschädigungen, Hörschäden – einfließen lassen kann, sind aus dieser einen Region. Nordost-Brasilien, es ist nur diese Ecke. Was ist da los? Und das ist ja das, was wir die ganze Zeit vermuten, es muss noch irgendwas sein, und wir wissen es nicht."
    Sozioökonomische Faktoren kommen infrage, aber auch die Veranlagung der Patienten, also Genvarianten, die nur regional begrenzt auftreten, könnten eine Rolle spielen. Ein erster Hinweis auf einen weiteren Faktor kommt von Kollegen Jan-Felix Drexlers am Institut für Virologie der Charité. Kyra Hermanns hat Versuche mit Plazenta-Explantaten, also Teilen von Gebärmüttern, gemacht.
    "Wir haben diese Plazenten dann anschließend infiziert mit Zika und eben auch Zika, das wir vorher inkubiert haben mit verschiedenen humanen Seren, die Antikörper gegen Dengue oder auch gegen Kontrollviren enthalten haben."
    Dengue-Antikörper erleichtern Zika-Viren den Weg
    Das Ergebnis: Zusammen mit Dengue-Antikörpern konnten mehr Zika-Viren die Plazenta passieren, und die Erreger konnten sich stärker vermehren. Die Plazenta fungiert als Barriere zwischen dem Organismus der Mutter und dem des Kindes. Krankheitserreger soll sie fernhalten, Nahrung und Sauerstoff aber hindurchlassen. Und sogar Antikörper, sagt Professor Christian Drosten.
    "Der Fötus braucht ja Antikörper. Ein Kind, das auf die Welt kommt, soll von der Mutter eine ganze Portion Antikörper mit auf die Welt bekommen gegen alle möglichen Erkrankungen, und an diese Antikörper scheint sich das Virus dranzuhängen."
    Die Berliner Virologen vermuten, dass das Zika-Virus die Dengue-Antikörper als Schlüssel benutzt, um die Plazenta-Schranke zu öffnen. Zika und Dengue sind sehr nah miteinander verwandt. Darum können Antikörper gegen Dengue zwar an das Zika-Virus andocken. Doch die beiden Erreger sind zu verschieden, als dass die Antikörper die Viren abtöten könnten.
    Dengue-Epidemie kurz vor Zika-Epidemie
    "Das ist etwas, das erstmal nicht sehr plausibel klingt. Ein Antikörper ist da und verbessert dann gerade die Infektion. Jetzt ist es aber eben so, dass die Zielzellen von diesem Zika-Virus, also die Zellen, wo das Virus rein will, in die Plazenta, gerade Rezeptoren haben gegen menschliche Antikörper. Also wenn wir ein Virus haben, das besetzt ist, aber nicht aufgelöst wird von so einem menschlichen Antikörper, dann kann im Prinzip dieser Antikörper den Zelleintritt begünstigen."
    Für diese Hypothese spricht, dass es in Nordost-Brasilien kurz vor der Zika-Epidemie mit den vielen Schädigungen ungeborener Kinder eine Dengue-Epidemie gegeben hat. Ob das aber der einzige Faktor gewesen ist, ist fraglich. Und wird es wohl auch bleiben, sagt Christian Drosten.
    "Es ist sicherlich im Nachhinein nicht möglich, das aufzuklären und zu beantworten, aber: hier ist es eben eine Konstellation, wo alles zusammenpasst und wo man schon eins und eins zusammenzählen kann."