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Zuschauer in den Stadien
Flickenteppich Bundesliga?

In zwei Wochen beginnt die neue Saison der Fußball-Bundesliga. Dabei werden die Bedingungen an den jeweiligen Bundesliga-Standorten extrem unterschiedlich sein, besonders in der Frage, ob Fans ins Stadion dürfen oder nicht. Ein Flickenteppich und Wettbewerbsverzerrung drohen.

Von Maximilian Rieger | 05.09.2020
Zuschauer verfolgen auf der Tribüne das Testspiel zwischen dem FC Heidenheim und der SpVgg Unterhaching.
8500 in Leipzig, 5000 in Berlin, in NRW 300 und in Bayern 0. Der Bundesliga droht bei der Zulassung der Fans in den Stadien Chaos (dpa / picture alliance / Sascha Walther)
Eigentlich schien die Sache klar: keine Fans in den Stadien bis Ende Oktober, bis dahin solle eine Arbeitsgruppe der Bundesländer bundesweit einheitliche Vorgaben erarbeiten. So der Beschluss von Bund und Ländern Ende August.
Wenige Tage später ist die Realität mal wieder eine andere als auf dem Papier: RB Leipzig verkündet, dass beim Saisonauftakt gegen Mainz 8500 Fans ins Stadion kommen sollen. Denn die Corona-Verordnung in Sachsen lässt das zu und das Gesundheitsamt Leipzig hat das Hygienekonzept genehmigt.
RB Leipzig - Leverkusen / Fussball Bundesliga Leipzig, 01.03.2020, Red Bull Arena, Fussball, 1.Bundesliga, 24.Spieltag , RB Leipzig vs. Bayer 04 Leverkusen 1:1 1:1 , Im Bild Fans von RB Leipzig. Fanfahne Fanclub Skatstadt Bullen , Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga ist es untersagt, in dem Stadion und/oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und/oder videoähnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. , *** RB Leipzig Leverkusen Fussball Bundesliga Leipzig, 01 03 2020, Red Bull Arena, Soccer, 1 Bundesliga, 24 matchday , RB Leipzig vs Bayer 04 Leverkusen 1 1 1 1 , Im Bild Fans of RB Leipzig Fan Flag Fanclub Skatstadt Bullen , According to the regulations of the DFL Deutsche Fußball Liga it is prohibited to use or have used in the stadium and / or from the game made photos in the form of sequence images and / or video-like photo series,
RB Leipzig darf mit Fans in die Bundesliga starten
RB Leipzig darf für das Heimspiel zum Saisonauftakt gegen Mainz 05 mit 8500 Zuschauern planen. Die Profiklubs beraten nun, ob ähnliches auch in der ganzen Liga möglich wäre. Der Druck auf die DFL wächst.
"Vielleicht wäre das ein ganz wichtiges, positives Zeichen"
Profitieren werden nur Fans, die eine Dauerkarte besitzen und in Sachsen wohnen – damit soll der Reiseverkehr minimiert werden. Im Stadion selbst gilt Maskenpflicht, bis die Sitzplätze erreicht sind. Alkohol gibt es nicht. Für DFL-Geschäftsführer Christian Seifert ein wichtiges Signal.
"Natürlich kann man sich fragen, ob es jetzt genau zu dieser Zeit, das falsche Zeichen ist, Menschen wieder, Zuschauer wieder zu Bundesliga-Spielen zuzulassen. Diese Frage ist absolut berechtigt und die muss auch gestellt werden. Vielleicht hat aber auch eine andere Perspektive ihre Berechtigung. Vielleicht wäre das ein ganz wichtiges, positives Zeichen. Nämlich dass sich tausende von Menschen sehr wohl an Hygieneregeln und Verhaltensregeln halten wollen und halten können. So wie das übrigens seit Monaten Millionen von Menschen tun und zwar jeden Tag."

Offenkundig sehen das auch die 36 Profi-Klubs so – auch wenn viele von ihnen erstmal einen Wettbewerbsnachteil haben werden. Denn weil eine bundeseinheitliche Regelung fehlt, entscheiden die Corona-Verordnungen der einzelnen Länder – und da erlaubt nur Berlin mit bis zu 5000 Fans ähnlich viele Menschen im Stadion wie Sachsen. In Hamburg sind bis zu 1000 Fans möglich, in NRW, dem Bundesland mit den meisten Klubs, nur 300. Und in Bayern dürfen gar keine Fans ins Stadion.
Hessen, Frankfurt/Main: Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, spricht bei einer Pressekonferenz.
Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutsche Fußball Liga (Frank Rumpenhorst/dpa)
Armin Laschet, CDU-Landesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, mit Mund-Nase-Maske beim Auftakt zum Kommunalwahlkampf der CDU NRW am 17.08.2020 in Neuss
Laschet fordert einheitliche Regeln für Bundesliga
RB Leipzig will am 1. Spieltag der Bundesliga 8500 Fans ins Stadion lassen. Die sächsische Coronaverordnung erlaubt das. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat das Vorgehen der Bundesliga deshalb kritisiert.
Über Wettbewerbsverzerrung sei auf der DFL-Mitgliederversammlung am Donnerstag trotzdem nicht gesprochen worden, sagt Christian Seifert. Das übernimmt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet einen Tag später.
"Ist es eine Wettbewerbsverzerrung – und natürlich ist eine Wettbewerbsverzerrung, ist eigentlich keine Frage – wenn in einem Stadion 8000 Zuschauer sind und man einen Heimvorteil hat und in dem anderen man vor leeren Rängen spielt. Deshalb braucht man, glaub ich in Deutschland von der Liga aus gesehen vergleichbare Regeln."
Ein Flickenteppich droht
Die Liga müsse selbst überlegen, ob sie jetzt einen Flickenteppich will, mahnt auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Anders als DFL-Chef Seifert hält Söder es für ein falsches Signal, wieder Fans in die Stadien zu lassen. Mit Söder und Laschet stellen sich die zwei mächtigsten Mininisterpräsidenten gegen den Kurs der Liga – obwohl sie in der Vergangenheit gerne den Glanz des Fußballs für sich genutzt haben.
Aber in Zeiten, in denen laut ARD-Deutschlandtrend zwei Drittel der Befragten befürworten, dass Weihnachtsmärkte nicht stattfinden sollen, wähnen Laschet und Söder wohl die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Der Druck auf die Politiker könnte aber steigen, wenn die Spiele in Berlin und Leipzig zeigen, dass sich tausende Fans an die Hygieneregeln im Stadion halten und die Konzepte greifen. Zumal die DFL ihr Vorhaben durch mehrere Studien begleiten lässt. Christian Seifert sieht darin die Möglichkeit, anderen Veranstaltern im Sport und in der Kultur zu helfen. Ingo Nürnberger, als Sozialdezernet in Bielefeld für die Abnahme der dortigen Hygienekonzepte mitverantwortlich, ist skeptischer.
"Am Ende ist es alles ein großes Experiment. Und wir sind alle klug beraten, dieses Experiment auch wissenschaftlich zu begleiten, sodass man auch schnell daraus lernen kann. Das ist definitiv sinnvoll. Aber ansonsten sind halt tatsächlich die kulturellen und die Sportveranstaltung schon sehr unterschiedlich. Ich glaube, es ist auch ein Unterschied, ob ich ein Stadion habe mit Frischluftzufuhr und allem drum und dran oder ob ich das in einer Turnhalle mache bei einem Basketballspiel. Selbst das ist schon kaum miteinander vergleichbar."
Es sei aber auf jeden Fall möglich, dass zumindest eine gewisse Anzahl an Fans in die Stadien zurückkehren könne, meint Nürnberger. "Ich persönlich halte das – wenn man das vernünftigt macht und schrittweise macht und nicht gleich mit – keine Ahnung – 50 Prozent Auslastung beginnt – zum jetzigen Zeitpunkt aus für verantwortbar."
Exzesse rund ums Stadion verhindern
Vor einem Monat sei er noch anderer Meinung gewesen, als die Infektionszahlen anstiegen. Inzwischen habe sich die Lage aber beruhigt. Und dann solle der Staat nicht restriktiver sein als unbedingt notwenig. "Wir können nicht die Leute kirre machen mit Verboten, sondern müssen gucken, was geht. Und wenn wir übersteuern, müssen wir wieder kleine Schritte zurückgehen. Dann dürfen eben keine 4000 Leute mehr ins Stadion oder 8000, sondern halt nur die Hälfte. Dann ist das halt so."
Wichtig sei aber, Exzesse rund ums Stadion zu verhindern, die Fans bei der An- und Abreise auseinander zu ziehen und sicherzustellen, dass man sie im Zweifel nachverfolgen könne. Arminia Bielefeld habe dafür aber bereits intelligente Vorschläge gemacht, so Nürnberger. Andere Gesundheitsämter aus NRW melden ebenfalls, dass die Klubs ein Konzept vorgelegt hätten, zum Beispiel Köln und Dortmund. Dort warte man aber nun auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Länder, die vergangene Woche eingesetzt wurde.
Mit Abstand und Mundschutz auf der Tribüne: Die Ersatzbank vom SC Paderborn beim Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund.
Lückenhafte Kontrolle von Bundesliga-Hygienekonzept
Die Politik lobt das Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga. Bei mindestens elf Klubs aus der 1. und 2. Liga wird die Umsetzung aber nicht von externen Stellen wie Gesundheitsämtern kontrolliert.
Auch Nürnberger befürwortet einheitliche Regeln. Und wichtig sei, dass die Umsetzung der Konzepte von den Behörden überprüft würde. "Wenn man jetzt sagt, man würde die Stadien für ein paar hundert, paar tausend Leute öffnen, Schritt für Schritt, dann erwarte ich natürlich von allen Bundesliga-Städten, dass sie das eng begleiten, schon im Vorfeld, und dass sie das dann auch in einem angemessenen Umfang kontrollieren."
Eine Deutschlandfunk-Abfrage bei allen zuständigen Gesundheitsämtern zeigt aber: In der abgelaufenen Saison hat es bei mindestens zwölf Vereinen keine externen Kontrollen vor Ort gegeben. Und ob die DFL kontrolliert hat, ist unklar – der Ligaverband wäre eigentlich laut Beschluss der Sportministerkonferenz dazu verpflichtet, sich selbst zu kontrollieren. Die DFL beantwortet dazu aber seit Monaten keine Anfragen des Deutschlandfunk.