Donnerstag, 18. April 2024

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Zuwanderungsdebatte
SPD wirft CSU "dumme Parolen" vor

Im Streit über die sogenannte Armutseinwanderung aus Rumänien und Bulgarien gibt die SPD der CSU contra. Wer die Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stelle, schade Europa und Deutschland, sagte Außenminister Steinmeier. Sein Staatsminister wurde in der Kritik noch etwas deutlicher.

02.01.2014
    Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), warf der CSU in der "Süddeutschen Zeitung" vor, mit "dummen Parolen" Stimmung gegen Einwanderer zu machen. Die Christsozialen fordern Maßnahmen gegen einen möglichen Missbrauch der freien Arbeitsaufnahme in Europa für Rumänen und Bulgaren seit Jahresbeginn, zum Beispiel eine dreimonatige Sperrfrist für Sozialhilfe und ein Wiedereinreiseverbot für ausgewiesene Betrüger.
    "Die CSU hat Europa nicht verstanden", sagte Roth. "Und offenkundig will sie es auch nicht." Der Europa-Staatsminister sprach von "dummen Parolen", mit denen die CSU weder den bayerischen Stammtisch beherrschen noch in Berlin professionell regieren könne. "Das ist nicht das Niveau, auf dem die große Koalition arbeiten darf", sagte Roth. Wenn es Probleme in einzelnen Kommunen gebe, stehe die SPD bereit, zu helfen. Die Klaviatur, auf der die CSU spiele, sei "äußerst gefährlich".
    Roths Chef, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), ging ebenfalls auf Distanz zur CSU, wenn auch zurückhaltender. Er betonte in der Zeitung die Vorteile der Arbeitsmarktöffnung in der EU, von der Deutschland "ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert" habe. "Die europäischen Freiheiten sind der Kern unserer Idee von Europa, die Arbeitnehmer-Freizügigkeit ist ein unverzichtbarer Teil der europäischen Integration."
    Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)
    Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) (dpa / picture alliance / Minkoff/Augenklick)
    Claudia Roth warnt vor Stimmenfang
    Die Christsozialen stehen vor zwei wichtigen Abstimmungen: die Europawahl im Mai und die Kommunalwahlen in Bayern im März. Es gehe um deutsche Interessen, nicht um das Abschneiden der CSU bei den anstehenden Wahlen, sagte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) im Deutschlandfunk. Sie höre bei den Christsozialen einen "Sound, der anti-europäischen Populismus schürt, und der völlig verkennt, was die großen Freiheiten sind, was Europa verspricht".
    Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne)
    Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Die Christsozialen stehen vor zwei wichtigen Abstimmungen: die Europawahl im Mai und die Kommunalwahlen in Bayern im März. Neben der CSU fürchten auch Kommunalverbände eine Zuwanderungswelle von Menschen, die sich nicht selbst durch Arbeit finanzieren können.
    Laut einer aktuellen Studie für die Bertelsmann Stiftung erwirtschaften Zuwanderer Mehreinnahmen für die deutsche Sozialversicherung. Der Beitrag der Neuzuwanderer dürfte den Betrag von 2000 Euro pro Kopf und Jahr deutlich übersteigen, heißt es in der Studie des Migrationsforschers Herbert Brücker für die Stiftung.
    "Stimmenfang am rechten Rand"
    Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, warf der CSU "Quartalsrassismus" vor, der den NPD-Verbotsantrag "torpediert". Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sprach von "plumper populistischer Stimmungsmache" der CSU. "Seehofer und Co. ist der Stimmenfang am rechten Rand offensichtlich wichtiger als ein konstruktiver Umgang mit den Herausforderungen der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit."
    CSU-Chef Seehofer wies in der "Bild"-Zeitung den Vorwurf als "absurd" zurück, die CSU fische am rechten Rand. Zugleich betonte er, dass Maßnahmen gegen EU-Bürger, die zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch nähmen, Bestandteil des Koalitionsvertrages seien. Darin heißt es, die Große Koalition werde "der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken". Die CSU fordert darüber hinaus, Wiedereinreisesperren zu verhängen. "Hier muss gelten: 'Wer betrügt, der fliegt.'", heißt es in einer In einer Beschlussvorlage der CSU-Landesgruppe für ihre Klausur in wenigen Tagen.
    Experten von Bund und Ländern prüfen, ob Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien in bestimmten Fällen das Kindergeld gestrichen werden könnte.
    Wirtschaft kritisiert CSU-Pläne
    Auch Wirtschaftsvertreter kritisierten die CSU-Pläne. "Die Unternehmen haben in vielen Bereichen weiterhin Schwierigkeiten qualifiziertes Personal zu finden - da sind Zuwanderer sehr willkommen", sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, der "Rheinischen Post". Das gelte nicht nur für Akademiker und hoch qualifizierte Fachkräfte, sondern zunehmend auch für normale berufliche Qualifikationen. Die Zuwanderung insgesamt dürfe nicht in ein schlechtes Licht gerückt werden, weil eine geringe Zahl von Menschen nach Deutschland komme, um Leistungen aus den Sozialsystemen zu erhalten.