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Zwei Minister, eine Botschaft

Die beiden Außenminister Deutschlands und Polens - Guido Westerwelle und Radoslaw Sikorski - wollen mit ihrem Besuch den demokratischen Prozess bei der Präsidentschaftswahl in Weißrussland unterstützen. Das Land ist das Einzige in Europa, das noch die Todesstrafe vollstreckt.

Von Ludger Kazmierczak | 02.11.2010
    Oleg Bebenin war 36 Jahre alt, als er vor zwei Monaten erhängt aufgefunden wurde. Nach Vermutungen der weißrussischen Staatsanwaltschaft hatte der zweifache Familienvater Selbstmord begangen. Unter den Oppositionellen im Lande glaubt niemand an diese Suizid-Version. Bebenin betrieb eine regierungskritische Internetseite. Deshalb, so seine Freunde, habe Oleg sterben müssen. Seitdem Staatspräsident Alexander Lukaschenko die ehemalige Sowjetrepublik mit harter Hand regiert, verschwinden oder sterben immer wieder Journalisten, Bürgerrechtler und Oppositionelle. Für viele ist der 56-jährige Europas letzter Diktator. Die Sorge vor Manipulationen bei der bevorstehenden Präsidentenwahl ist daher groß. Eine Sorge, die die Außenminister Polens und Deutschland auch zum Ausdruck bringen werden, verspricht Sikorskis Sprecher Marcin Bosacki:

    "Das wird eine Mitteilung seitens zwei großer europäischer Staaten an die weißrussischen Eliten sein, dass sie bei diesen Wahlen vor einer Chance stehen, damit sie mehr demokratisch, ehrlich und besser als im Laufe der Letzten über zehn Jahren werden und dass es auch breiter eine Chance für Weißrussland ist, sich an das politische System zu nähern, das den europäischen Standards und der Demokratie näher ist."

    Nur wenn Russland diesen Kurs einschlage, so Guido Westerwelle in einem Zeitungsinterview, sei eine weitere Öffnung nach Europa möglich. Lukaschenko ist bereits seit 16 Jahren an der Macht. Die 83 Prozent der Stimmen, die er bei der letzten Präsidentenwahl, erringen konnte, riechen bis heute nach Wahlfälschung. Sikorski und Westerwelle wollen sich nach eigenen Worten nicht in den aktuellen Wahlkampf einmischen. Es gehe vielmehr darum, so Marcin Bosacki, international gültige Standards und bedingungslose Transparenz anzumahnen:
    "Wir teilen die Kandidaten in den Präsidentschaftswahlen in Weißrussland nicht in proeuropäische oder prowestliche und prorussische oder proosteuropäische, sondern wir wollen die klare Botschaft an die weisrussische Macht und auch die Opposition aussprechen, dass es um einen demokratischen Prozess geht. Darum, dass diese Wahlen ehrlich und besser als in den vergangenen Jahren sind.

    Am Wochenende hatte die deutsche Sektion von Amnesty International Westerwelle aufgefordert, bei seinen Gesprächen in Minsk auch die Abschaffung der Todesstrafe zu verlangen. Weißrussland ist das einzige Land in Europa, in dem Verurteilte noch hingerichtet werden dürfen. Jenseits der allgemeinen Menschenrechtsproblematik wird Polens Chefdiplomat Radoslaw Sikorski sicherlich außerdem die Situation der polnischen Minderheit in Weißrussland ansprechen. Anfang dieses Jahres war es mehrfach zu Militäraktionen gegen polnischstämmige Bewohner des Landes gekommen. Für Adam Eberhardt, den Vizedirektor des Zentrums für Ost-Studien in Warschau ist klar, dass Lukaschenko damit den Druck auf die unliebsamen, regierungskritischen Polen in seinem Herrschaftsgebiet erhöhen wollte:

    #'"Er versucht, der Gefährdung seiner Macht vorzubeugen. [……] Lukaschenko will nicht, dass ein von der Staatsführung unabhängiger Verband der Polen in Weißrussland agieren kann, denn von einem solchen Verband könne durchaus eine Gefahr ausgehen."

    Nach offiziellen Angaben leben in Weißrussland rund 400.000 polnischstämmige Bürger, andere Quellen sprechen von mindest doppelt so vielen. Die Stimme der polnischen Minderheit hat daher starkes Gewicht, sodass sie in manchen Regionen sogar wahlentscheidend sein kann.

    Nach 15 Jahren ist Guido Westerwelle der erste deutsche Außenminister, der Weißrussland besucht. Es ist allerdings nicht die erste gemeinsame Osteuropa-Reise der Außenminister Polens und Deutschlands. Vor anderthalb Jahren war Sikorski gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier nach Kiew geflogen, um der krisengeschüttelten Ukraine Unterstützung zuzusagen. Insofern steht der Ausflug nach Minsk unter völlig anderen Vorzeichen.