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"Zweigliedrigkeit ist das Modell der Zukunft"

Der sächsische Kultusminister und Chef der CDU-Bildungskommission, Roland Wöller, will neben dem Gymnasium nur noch eine weiterführende Schule - die Oberschule - einführen. Unter ihr könne die Hauptschule eingeglieder werden, die heute fast nur als "Restschule" betrachtet werde, so Wöller.

Roland Wöller im Gespräch mit Kate Maleike | 23.05.2011
    Kate Maleike: Aus drei sollen zwei werden: Statt wie bisher dreigliedrig sollen die weiterführenden Schulen in Deutschland künftig nur noch aus zwei Gliedern bestehen: aus Gymnasien und aus einer neu zu gründenden Oberschule. Das zumindest schwebt der CDU-Bildungskommission vor, die im Auftrag der Bundeskanzlerin gerade Reformgedanken für die Bildungsrepublik spinnt. Einige Bundesländer setzen ja bereits auf diese Zweierregelung, mit Erfolg, findet die Kommission und fordert deshalb, dies auch bundesweit so einzurichten. Außerdem soll eine Exzellenzinitiative für die Lehrerausbildung gestartet werden. Der sächsische Kultusminister Roland Wöller sitzt der CDU-Bildungskommission vor. Frage an ihn: Wollen Sie das dreigliedrige Schulsystem von Gymnasium, Realschule und Hauptschule in Deutschland endgültig in die Rente schicken?

    Roland Wöller: Das ist richtig. Wir stehen vor großen Herausforderungen in der nächsten Dekade, auf die wir uns einstellen müssen: Neben der Migration und neben der Internationalisierung glaube ich ist die demografische Entwicklung einer derjenigen Felder, die unser Schulsystem am nachhaltigsten prägen und verändern werden. Im Westen sinkt die Schülerzahl um 20 Prozent, wir im Osten haben schon eine Halbierung der Schülerzahlen hinter uns, und deswegen müssen wir auch alte Strukturen hinterfragen. Die Modelle, die es im Osten gibt, gerade auch in Sachsen, mit der Mittelschule unter dem Dach von Hauptschulgang und Realschulgang haben sich bewährt und sind auch übertragbar auf Deutschland, und deswegen wollen wir neben den Gymnasien nur noch eine weiterführende Schulart, und die wollen wir Oberschule nennen.

    Maleike: Die Oberschule wäre sozusagen eine Verschmelzung der bisherigen Schulformen Hauptschule und Realschule. Sie wissen, dass damit auch Werte verbunden waren, die Hauptschule ja gerne auch als Restschule bezeichnet wurde und stark gelitten hat auch unter diesem Image. Kommen Sie diesen Forderungen nach einer Aufwertung auch nach durch diese Einrichtung?

    Wöller: Eindeutig ja. Es wird immer schwieriger, kleine Hauptschulstandorte im ländlichen Raum aufrechtzuerhalten aufgrund der Schülerzahlen, und das wichtigere Argument ist, dass aus den eigenen Augen der Eltern die Hauptschule eine Restschule ist. Sie kann noch so sehr aufgewertet werden, sie wird aber keine Akzeptanz finden. Deswegen muss man konsequenterweise sie unter das Dach einer Oberschule zusammenführen. Dass das funktioniert, zeigen ja die Pisa-Ergebnisse: Überall dort, wo wir bereits ein zweigliedriges Schulsystem haben, zeigen die Ergebnisse, dass es nicht nur richtig ist im Sinne der Leistungsfähigkeit, möglichst viele in einen möglichst hohen Abschluss zu führen, sondern es auch besonders chancengerecht ist, denn die Risikogruppe, also der lern- und kompetenzschwächeren Schüler in der Mittelschule in Sachsen ist so niedrig wie nirgendwo in Deutschland, und ich glaube, das ist der richtige Schritt, den wir damit gehen.

    Maleike: Die große Diskussion um die Schulstruktur hat ja eigentlich seit der ersten Pisa-Studie in Deutschland Hochkonjunktur, kann man sagen, und mit dem Vorschlag, jetzt nur noch zwei Schulformen parallel laufen zu lassen, also eben das Gymnasium und dann die neue Oberschule, damit kommen Sie vielen Wünschen von vielen Eltern auch bundesweit nach. Wird das dann so sein, dass diese beiden Schulformen bundesweit, auch in jedem Bundesland, genau so genannt werden und genau so existieren?

    Wöller: Das wäre wünschenswert, denn wir haben bereits jetzt eine Entwicklung, die viel zu unübersichtlich ist. Wir haben einen Flickenteppich von Einzellösungen zwischen den Bundesländern.

    Maleike: Darauf wollte ich hinaus.

    Wöller: Also die Kultusministerkonferenz und die deutschen Länder sind in der Verpflichtung, hier zu einer Einheitlichkeit zu kommen, zu einer Vergleichbarkeit zu kommen, nicht nur im Sinne der Qualität der Bildung, sondern die Eltern wollen auch mobil sein. Es ist heute bereits sehr schwierig, mit schulpflichtigen Kindern von einem Bundesland ins andere Bundesland zu wechseln. Und deshalb glaube ich, es wird ein wichtiger Schritt in dieser Struktur, da nicht nur einheitlichen Struktur selber zu kommen, sondern auch zur einheitlichen Bezeichnung. Wir in Sachsen sind da offen, wir würden also auch an eine Umbenennung denken, wenn es dazu dient, die Klarheit und Transparenz insbesondere bei den Eltern und Schülern zu schaffen.

    Maleike: Aber noch mal die Nachfrage: Wie zuversichtlich sind Sie, dass die beiden Schulformen tatsächlich auch dann bundesweit einheitlich realistisch sind?

    Wöller: Es gibt ja bereits eine Entwicklung in anderen Ländern, die sich an unser Modell angepasst haben, nehmen Sie Hamburg mit der Stadtteilschule oder Berlin mit der Sekundarschule. Andere Länder springen jetzt auf. Der Zug ist in Bewegung. Es braucht aber noch ein bisschen Zeit und Arbeit, ich glaube, diese intensiven Diskussionen müssen jetzt in der Kultusministerkonferenz geführt werden. Es wird sich kein Land mehr der demografischen Entwicklung entziehen können - dramatischer Schülerrückgang und gleichzeitig Gründung von neuen Schulformen, das passt nicht zusammen. Ich glaube, hier müssen wir uns einen Ruck geben, einen großen Wurf wagen, den hat die Kommission jetzt vorgelegt mit der Zweigliedrigkeit, und ich glaube, das ist das Modell der Zukunft in Deutschland.

    Maleike: Das alles passiert ja in der von Frau Merkel ausgerufenen Bildungsrepublik, insofern sind wir froh zu hören, dass sich da wieder was bewegt. In diesen beiden neuen Schulformen oder besser gesagt in einem zweigliedrigen Schulsystem in Deutschland müssten dann ja auch die Lehrer entsprechend ausgebildet sein. Sie wollen eine Lehrer-Exzellenzinitiative starten. Wie soll die aussehen?

    Wöller: Wir wissen seit einigen Jahren durch die Schulstudien, die nationalen und die internationalen, dass es weniger auf Strukturen ankommt, dass es weniger auf Ideologien ankommt, sondern der Hauptfaktor einer gelingenden Bildung und einer qualitativ hochwertigen Schule: Das sind die Lehrerinnen und Lehrer, und zwar nicht nur diejenigen, die jetzt in den Klassenzimmern unterrichten, sondern wir müssen auch für den Nachwuchs sorgen in der entsprechenden Qualität und Anzahl. Und ich glaube, das ist ein Feld, das geradezu hervorragend geeignet ist, dass Bund und Länder zusammenarbeiten in der Wahrnehmung gesamtstaatlicher Verantwortung, deswegen die Lehrer-Exzellenzinitiative, und natürlich gehört zu einer guten Lehrerausbildung natürlich auch dazu, dass sonderpädagogische Inhalte zum festen Bestandteil des Kurrikulums gehören.

    Maleike: Soweit Roland Wöller, der sächsische Kultusminister, zu den Vorschlägen, die die CDU-Bildungskommission jetzt erarbeitet hat. Noch sind es allerdings Vorschläge, über die der Parteivorstand im Juni und der Parteitag im November noch abstimmen müssen.