Donnerstag, 28. März 2024

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Zweiter Wahlgang gescheitert
"Griechenland wird in eine Krise kommen"

In Griechenland gab es auch in der zweiten Runde der vorgezogenen Präsidentschaftswahlen keine Mehrheit für den Kandidaten Stavros Dimas. Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos geht davon aus, dass Dimas auch im dritten Wahlgang scheitern wird: "Die Blöcke sind versteinert", betonte er im DLF.

Spiridon Paraskewopoulos im Gespräch mit Martin Zagatta | 23.12.2014
    Die Griechische Fahne im Wind
    Er sei sehr pessimistisch, was die Zukunft Griechenlands anbetrifft, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos im Interview mit dem Deutschlandfunk. (Deutschlandradio Kultur / Christoph Dietrich)
    Martin Zagatta: In Griechenland ist die vorgezogene Präsidentschaftswahl oder Präsidentenwahl am Mittag in die zweite Runde gegangen, und der Kandidat der Regierung Stavros Dimas, also ein früherer EU-Kommissar, ist auch bei diesem zweiten Versuch durchgefallen.
    Und wir sind jetzt verbunden mit dem griechischen Wirtschaftswissenschaftler Professor Spiridon Paraskewopoulos, der lange Jahre auch in Deutschland gelehrt hat. Guten Tag, Herr Paraskewopoulos!
    Spiridon Paraskewopoulos: Schönen guten Tag!
    Zagatta: Nach dem zweiten Versuch jetzt, einen Präsidenten zu wählen, nachdem der jetzt auch wieder gescheitert ist, ist es die große Frage: Kann es im dritten Wahlgang, am 29. ist das jetzt, die erforderliche – jetzt sind ja nur noch 60 Prozent erforderlich –, kann es diese erforderliche 60-Prozent-Mehrheit geben, oder halten Sie das für völlig unwahrscheinlich.
    Paraskewopoulos: Unwahrscheinlich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, die ich schätze: vielleicht 30 Prozent, und zwar kann ich wie folgt dies begründen: Ich schätze, von den 200 Abgeordneten, die momentan im Parlament sitzen, bei neuen Wahlen werden wahrscheinlich diese – von 300 werden 200 nicht wiedergewählt. Und das wissen die. Und die werden wahrscheinlich versuchen, noch eineinhalb Jahre – so lange dauert die Wahlperiode – noch im Parlament zu bleiben.
    Das ist für meine Begriffe die einzige Begründung, die dahin führen könnte, dass bei der nächsten Wahl also diese 180 zusammenkommen. Aber wie die Situation momentan aussieht – die Blöcke sind so versteinert, stehen sich gegenüber, sodass nach formalen Kriterien der Präsident nicht gewählt wird.
    Zagatta: Herr Paraskewopoulos, was ich überhaupt nicht verstanden habe bei dieser ganzen Sache: Warum hat denn eigentlich der konservative Premierminister Samaras diese Präsidentenwahl jetzt um zwei Jahre vorgezogen und damit diese ganze Unsicherheit erzeugt?
    Paraskewopoulos: Nein, nein, das ist nicht um zwei Jahre ...
    Zagatta: Nein. Zwei Monate.
    "Griechenland ist Samaras ein bisschen egal"
    Paraskewopoulos: Ja, zwei Monate. Ich meine, er hat das vorgezogen, damit die Abgeordneten, die ich vorhin genannt habe – weil es sind sehr viele Abgeordnete, die unabhängig sind, die sind auch von verschiedenen Parteien weggegangen, er wollte sie, eventuell, weil sie damit rechnen, wenn jetzt wieder Wahlen kommen, nicht wiedergewählt zu werden, dass die ein bisschen verlängert werden in der Periode.
    Und außerdem, vorgestern hat er ein Versprechen gemacht beziehungsweise eine Einladung, und er hat gesagt: Wenn tatsächlich jetzt der Präsident gewählt werden würde, dann wird er ein Angebot machen all diesen Leuten, die jetzt zusätzlich den Präsidenten wählen und nicht zu seiner Partei und nicht zu Venizelos' Partei gehören, mitzuregieren.
    Das heißt, jetzt lockt er sie auch mit Ministerämtern. Und das ist seine Hoffnung, dass eventuell diese Politik aufgehen wird. Ich meine, Samaras will unbedingt Ministerpräsident bleiben, und das ist sein Anliegen. Griechenland ist ihm ein bisschen egal, nach meinen Begriffen.
    Zagatta: Jetzt gibt es ja Leute, die sagen, wenn das alles schief läuft, wenn der dritte Wahlgang scheitert und wenn dann Neuwahlen, so sieht es die Verfassung ja vor, erforderlich sind, dann hat die linkspopulistische Syriza-Partei große Chancen, zu gewinnen, und das würde dann eine Rückkehr der Eurokrise bedeuten. Sehen Sie das auch so dramatisch?
    "Wenn Tsipras sich durchsetzt, muss Griechenland aus der Eurozone raus"
    Paraskewopoulos: Eurokrise nicht. Ich meine, das sagen gerne die Griechen und der Syriza-Chef, der Tsipras, sagt, Europa wird dann große Turbulenzen bekommen, wenn Griechenland rausgehen würde und so weiter. Das sehe ich so nicht. Für die Griechen würde das sehr schlimm werden, wenn Tsipras das alles machen wird.
    Was er jetzt verspricht, ist von der griechischen Finanzlage her nicht zu finanzieren. Man weiß es nicht, wie er das machen will. Und tatsächlich, wenn er tatsächlich durchsetzen würde, dann muss Griechenland aus der Eurozone raus.
    Zagatta: Glauben Sie, dass den Griechen das nicht bewusst ist oder dass man das sogar will, dass man also trotzdem gewählt wird oder würde?
    Paraskewopoulos: Momentan ist er als Chef der Partei bei den Umfragen um drei, vier Punkte besser als Samaras. Alleine regieren wird er nicht können. Die Frage ist jetzt, ob jemand von den anderen kleineren Parteien ihn unterstützt. Ich meine, Griechenland wird sowieso in eine Krise hineinkommen, selbst auch, wenn Samaras bleiben würde.
    Weil Samaras will auch nicht die Reformen durchführen, die eigentlich notwendig sind und wo Griechenland sich auch verpflichtet hat. Keiner von diesen griechischen Politikern will das. Deshalb, ich bin, was die Zukunft Griechenlands anbetrifft, sehr pessimistisch.
    Zagatta: Der griechische Wirtschaftswissenschaftler Professor Spiridon Paraskewopoulos. Herr Paraskewopoulos, ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Einschätzungen und für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.