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Zwergplanet Ceres
Eine "Eis-Zwiebel" im All

Auch die schönste Weltraummission geht einmal zu Ende. Zum Endspurt fliegt die amerikanische Sonde "Dawn" in diesen Tagen so tief über den Zwergplaneten Ceres wie niemals zuvor in ihrer fast zweijährige Beobachtungszeit. Das Ziel: Das Rätsel eines hellen Flecks in einem der Krater lösen.

Von Guido Meyer | 10.12.2015
    Eine Aufnahme der NASA-Raumsonde "Dawn" zeigt den Krater Occator auf dem Zwerplaneten "Ceres", dessen heller Fleck die Wissenschaftler beschäftigt.
    Eine Aufnahme der NASA-Raumsonde "Dawn" zeigt den Krater Occator auf dem Zwerplaneten "Ceres". (imago/ZUMA Press)
    Sieben Wochen lang hat es gedauert, bevor die amerikanische Raumsonde "Dawn" dem Zwergplaneten Ceres endlich so richtig auf die Pelle rücken konnte.
    "Die Sonde hat sich ihrem Ziel seit Mitte Oktober spiralförmig immer mehr angenähert. Erst diesen Montag hat sie ihren endgültigen Orbit erreicht. Sie umkreist Ceres nun in einer Höhe von 385 Kilometern. Das ist niedriger als die Internationale Raumstation um die Erde fliegt."
    Marc Rayman ist der Chefingenieur und Missionsdirektor für "Dawn" beim Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien. Er ist zufrieden mit dem Bremsmanöver, das das Absinken der Sonde eingeleitet hatte.
    "Die kommenden Aufnahmen werden etwa viermal schärfer sein als die besten Bilder, die wir bislang haben. Außerdem wollen wir messen, wie die Anziehungskraft von Ceres die Umlaufbahn von "Dawn" beeinflusst. Dadurch erhoffen wir uns Hinweise auf den Aufbau des Himmelskörpers. Wir werden sogar sagen können, ob es einen globalen Ozean unter der äußeren Hülle gab oder noch gibt."
    Hinweise auf einen solchen verborgenen Ozean haben auch Kameraaufnahmen von "Dawn" geliefert. Ein Team um den Geophysiker Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen hat die Daten ausgewertet.
    "Es ist ja schon lange darüber nachgesonnen worden, dass auch dort ein Wasserozean oder zumindest eine Eis-Zwiebel-Struktur existierte. Und das können wir jetzt insofern bestätigen, weil wir davon ausgehen, dass dieses Material, das an die Oberfläche tritt, aus dem Untergrund kommt."
    Dieses ominöse Material bildet die rätselhaften hellen Flecken im Zentrum des Occator-Kraters auf Ceres. Bislang war unklar, woraus es sich zusammensetzt. Einer seiner Bestandteile scheint schlicht Nebel zu sein.
    "Der zentrale helle Fleck, der zeigt dieses Dunstphänomen. Dieses Dunstphänomen passt nahezu identisch mit der Position, wo "Herschel" die Wassermessung gemacht hat, die Wasserdampfmessung, aus einer Spektrallinie herausgeleitet hat, zusammen, sodass wir davon ausgehen können, dass dieser Nebel aus Wasserdampf besteht."
    Somit bestätigen die optischen Aufnahmen der "Dawn"-Kamera Messungen des "Herschel"-Weltraumteleskops aus dem vergangenen Jahr. Nunmehr steht fest: Dieser Wasserdampf bildet zwar nicht die hellen Flecken auf Ceres, aber er schwebt über ihnen. Es scheint sich dabei um sublimiertes Eis zu handeln, um Wasser also, das direkt von seinem festen Aggregatzustand in seinen gasförmigen übergeht, also zu Wasserdampf wird.
    "Der wird aus dem Untergrund kommen. Das heißt, das Eis muss sich - ich nenn's mal - in Poren verbergen oder in Einsenkungen, in Hohlräumen da drunter verbergen. Das kann aber nicht besonders tief sein, denn offensichtlich reicht die Sonneneinstrahlung aus, um dieses Material zu verdampfen."
    Auch Salze sind für die hellen Flecken verantwortlich. Wahrscheinlich sind sie aus dem tiefer liegenden Ozean mit dem Wasser nach oben befördert worden. Als das Eis sublimierte, blieben Salzablagerungen in der Kratermitte zurück.
    "Wenn da jetzt einfach ein Impakt gewesen wäre, der Eis freigelegt hätte, dann wär' das doch in 100.000 Jahren alles wegsublimiert. Sondern da muss es Prozesse geben, die so eine Art Fütterungsmechanismus beinhalten, also eine Art Materialnachlieferung ermöglichen."
    Ceres, der aus mehreren Schichten zwiebelförmig aufgebaute Zwergplanet, scheit also in seinem Innern nach wie vor geologisch aktiv zu sein. Sollte er über eine innere Wärmequelle verfügen, könnte sie einen Ozean unter der felsigen Hülle und der gefrorenen Eisdecke sogar flüssig halten. Ob dem so ist, das soll "Dawn" in ihren letzten Einsatzmonaten herausfinden.