Donnerstag, 18. April 2024

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Zwischen Brain Gain und Brain Drain

Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, werden wir in Zukunft in Europa zu wenig Nachwuchswissenschaftler haben. Diese Warnung formulierte die Europäische Kommission bereits vor zwei Jahren. Zuvor hatte eine unabhängige Expertengruppe, u. a. in Deutschland untersucht, wie es um die Attraktivität des Wissenschaftlerberufs bestellt ist.

08.05.2004
    Dieser Gruppe gehörte auch Georg Schütte an, damals bei der Fullbright Kommission, heute Generalsekretär der Alexander- von-Humboldt Stiftung. Schütte fordert eine stärke Aufgliederung der Hochschullandschaft.

    Schütte: Wir sehen, dass in anderen Ländern eine höhere Sicherheit im Karriereverlauf dadurch erreicht wird, dass die angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wissen: Wenn wir nicht an der einen Universität auf der internationalen Spitzenebene landen, dann haben wir immer noch eine regionale Universität, und wenn wir dort nicht landen, dann gibt es immer noch, z. B. in den USA, ein community colleg, wo Leute mit sehr guter Lehrkenntnis und Lehrerfahrung immer noch sehr anspruchsvolle Positionen finden.

    In Deutschland ist es so eine Sache mit der wissenschaftlichen Karriere. 25.000 Doktoren produzieren unsere Hochschulen jährlich. Die Promovierten verschwinden dann, zumindest statistisch, in einem schwarzen Loch: Allein in der Wissenschaftskarriere gibt es viele Möglichkeiten. Habilitanden, die ausschließlich als Assistenten eines Professors arbeiten, Mitglieder oder Leiter von Forschungsgruppen, Postdoc in den USA, es gibt viele Möglichkeiten.
    Immer noch juristisch umkämpft ist die Juniorprofessur. Monika Sokol, arbeitet auf einer solchen Stelle an der Universität Bayreuth. Ein schwieriger Status.

    Sokol: An der Universität Bayreuth ist es so, dass wir natürlich nicht mit dem Status von Professorinnen und Professoren eingestellt sind, weil eben dieser rechtliche Rahmen einfach fehlt. Das heißt auch in den Vertretungen, in den Gremien, sind wir immer dem wissenschaftlichen Mittelbau zugeordnet.

    Bayern ist eines der Bundesländer, das vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Juniorprofessur als alleinigen Karriereweg klagt. Deswegen gibt es auch noch keine entsprechende Regelung im Landesrecht. Darunter leidet in erster Linie der verunsicherte Nachwuchs. Neben diesen juristischen Auseinandersetzung, belastet die Jungforscher aber auch Grundsätzliches.

    Schirpka: Der wissenschaftliche Nachwuchs fühlt sich eigentlich nicht wirklich in dem Maße ernst genommen von den arrivierten Professoren, wie sie eigentlich meinen, dass ihrer tatsächlichen wissenschaftlichen Leistung entspricht. Wir haben in Deutschland eine Kultur, bei der es sehr stark darum geht, welche formalen Kriterien man hat, ist man ein Ordinarius, dann gilt man was, hat man das nicht, dann ist man eigentlich ein Niemand.

    Meint Privatdozent Olaf Cirpka. Der Wasserbauer ist in das renommierte Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgenommen worden. Bei seiner Rückkehr aus den USA an die Universität Stuttgart wurden ihm die Systemunterschiede mehr als deutlich.

    Misstände, die den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaethgens, ärgern:

    In Deutschland haben wir ein Glaubensbekenntnis eigentlich zu der Garantie für die Wirkung von Formalkriterien, das ist aber das Unwichtigste, was es überhaupt gibt. Eigentlich wäre es mir egal, ob einer einen Bachelor einen Master oder Promotion hat, wenn er die richtigen Qualitäten für einen Jon mitbringt, ist er der Richtige.

    Nur, räumt der ehemalige Rektor der Freien Universität Berlin ein, Ordnung müsse natürlich trotzdem sein. Eine Revolution im wissenschaftlichen Karriereweg ist mit Unterstützung der deutschen Professoren nicht zu erwarten.

    Was bleibt also zu tun?

    Hochschulrektorenkonferenz, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Alexander von Humboldt-Stiftung haben in diesen Tagen ihre Wünsche noch einmal formuliert.
    Erst einmal muss schon ganz früh, möglichst in den Schulen, deutlich gemacht werden: Wissenschaft ist ein spannender und zukunftsträchtiger Job mit großer Bedeutung für unsere Gesellschaft.

    Ist die Laufbahn dann einmal eingeschlagen, braucht der junge Wissenschaftler Perspektiven. In der Hochschule muss er voll anerkannt und unterstützt werden, Stellen müssen angemessen alimentiert und gesichert sein.

    Letztendlich brauchen wir natürlich mehr Geld für Forschung und Bildung. Es muss aber sicher gestellt werden, dass nicht nur nach dem Prinzip Gießkanne verteilt wird, sondern echte Spitzeneinrichtungen gefördert worden. Denn nur der Elite-Professor schafft es den besten Nachwuchs zu fordern und zu fördern.