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Zwischen Erfolg und Fehlschlag

Für Wirtschaft und Regierung steht fest: Ihr Ausbildunsgpakt. Doch bis August 2006 wurden rund zwei Prozent weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahr gemeldet.

Von Melanie Hinter | 31.08.2006
    "Ich habe gerade die Räder festgemacht mit einem Drehmomentschlüssel, um den Wagen gleich zurückschieben zu können, weil ich einen Bremslichtschalter ersetzen will. Das wird bloß etwas eng, weil der Bremslichtschalter unter dem Pedal sitzt."

    Sabina ist eine von neun Lehrlingen in der Autowerkstatt Carparts und Promoter in Berlin-Schöneberg. Sie kniet neben einem Mercedes Benz W 210, Baujahr 1996 und fühlt sich sichtlich wohl umgeben von Autos, Motorenöl und Werkzeug. Sie macht eine Ausbildung zur KFZ-Mechatronikerin, einer von 343 Lehrberufen, die es in Deutschland gibt. Und ein relativ neuer noch dazu.

    "Da hat sich schon was verändert, eine KFZ-Mechatronikerin ist nicht nur für den mechanischen Teil zuständig, sondern auch für den elektrischen und elektronischen Teil im weitesten Sinne. Es wurde zusammengefasst. Im Grunde sind es drei Berufe, die innerhalb von dreieinhalb Jahren vermittelt werden. "

    Diese Zeit ist für Sabina fast vorbei, sie steht kurz vor ihrer Gesellenprüfung. In ihrem Traumberuf, wie sie sagt. So viel Glück haben viele Schulabgänger auch in diesem Jahr nicht - sie müssen sich nicht nur von einer Lehre in ihrem Traumberuf verabschieden, sie müssen auch Sorge haben, überhaupt noch einen Ausbildungsvertrag zu bekommen. Denn zu Beginn des Ausbildungsjahres ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nach wie vor angespannt.

    Die Bundesagentur für Arbeit teilte am 31. August 2006 mit, von Oktober 2005 bis August 2006 seien den Agenturen für Arbeit 418.400 Ausbildungsstellen gemeldet worden - zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Seit gut zehn Jahren wird der Kampf um eine Lehrstelle immer härter. Die Zahl der Schulabgänger ist seit 1992 um rund 180.000 gestiegen. Die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge drängen auf den Ausbildungsmarkt. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Ausbildungsplätze um rund 160.000. Verbessern wird sich diese Situation wahrscheinlich erst zu Beginn des nächsten Jahrzehnts, wenn die weniger starken Jahrgänge die Schule verlassen. Auch Dirk Walter hat diese Veränderung bemerkt. Er ist Mitgesellschafter der Firma Carparts und Promoter, die ein Jahr nach ihrer Gründung, 1991, anfingen, Lehrlinge auszubilden.

    "Jede Jugendgeneration oder jede Generation für sich hat ihre eigenen Richtungen und Tendenzen. Hat sich einiges geändert. In der letzten Zeit ist dann doch einiges zu erkennen, dass die Ernsthaftigkeit früher erkannt wird. Wo früher in die Ausbildung rein gegangen wurde, frei fröhlich, da waren mehr Möglichkeiten vorhanden, also mehr Ausbildungsplätze, also die Auswahl war größer. Ist jetzt halt bei denen, die den Ausbildungsplatz dann tatsächlich bekommen haben, die Freude groß und auch das Engagement ist groß."

    Drei Auszubildende stellt der Handwerksbetrieb pro Jahr ein - bis zu 250 Jugendliche bewerben sich auf diese Stellen. Die Politik will das Problem auf höchster Ebene lösen. Mitte Juli traf sich zum letzten Mal der Lenkungsausschuss des Ausbildungspaktes - die Präsidenten der Arbeitgeberverbände, Bundeswirtschaftsminister Glos und Arbeitsminister Müntefering. Ihre Mission: Möglichst vielen Jugendlichen, die noch auf der Suche sind, ein Angebot zu machen. Für die Vertreter des Ausbildungspaktes stand schon zu diesem Zeitpunkt fest: Ihr Pakt ist ein Erfolg. Wirtschaftminister Glos von der CSU:

    "Ansonsten wie gesagt, wir werden in dem Jahr auch wieder mit Erfolg aufweisen können. Ich sage hier noch mal, der Ausbildungspakt hat sich kolossal bewährt. Die Zahlen, die durch den Ausbildungspakt erreicht worden sind in den ersten beiden Jahren, wo er in der Praxis gegriffen hat. Und das heurige Jahr zeigt, dass der Ausbildungspakt ein Erfolg war, und wir arbeiten daran, das wird das nächste Mal dann der Fall sein, dass wir ganz klar klären, dass wir ihn fortsetzen wollen."

    Dazu Bundesarbeitsminister Müntefering:

    "Ich weiß, der Ausbildungspakt hat auch viele Fragezeichen gehabt. Ich bin unverändert der Meinung, er ist sehr erfolgreich, und er wird es auch in Zukunft bleiben."

    Auch die Wirtschaftsvertreter zeigten sich zufrieden: Ludwig Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages:

    "Unsere Prognose beinhaltet, dass wir davon ausgehen, diese Steigerungsrate zu halten bis zum Ende des Ausbildungsjahres, und das würde bedeuten, dass wir dann im IHK-Bereich mit 325 bis 328.000 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen rechnen können. Das ist eine Steigerung zwischen 5-8000 mehr Ausbildungsplätzen als im vergangenen Jahr. Und damit auch ein wichtiger Hinweis darauf, dass es gelingt, die höhere Jahrgangsbreite doch auch in eine anteilig gewachsene Zunahme der Ausbildungsplätze im Dualen System zu bringen, so dass im Grunde genommen wir sagen können, wir werden auch im Jahre 2006 allen Ausbildungswilligen und allen Ausbildungsfähigen ein Angebot machen können..."

    Weniger optimistisch sind da die Gewerkschaften. Der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagte, dass die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze in den letzten drei Jahren um 50.000 gesunken sei - bei einer steigenden Zahl von Bewerbern. Einer der Gründe dafür: Nahezu jeder zweite berechtigte Betrieb bilde nicht aus.

    Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas setzt deshalb auf den "Azubi-Bonus" - Steuervergünstigungen für Betriebe, die ausbilden. Er schlägt vor, diejenigen zu fördern, die ausbilden, statt diejenigen zu bestrafen, die es nicht tun. Ein Kompromiss, denn das ist einer der großen Themen in der Regierungskoalition: Die Union lehnt alle Zwangsmaßnahmen strikt ab, in der SPD setzt sich besonders der linke Flügel weiterhin für die Ausbildungsplatzabgabe ein. Eine altbekannte Idee.

    Rückblick: 2004 - die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist angespannt, die Diskussion um eine Ausbildungsplatzabgabe, die Betriebe zahlen sollen, die nicht genügend ausbilden, verschärft sich. Immer weniger Betriebe bilden aus - für Schulabgänger wird es immer schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

    Diese Entwicklung will die rot-grüne Bundesregierung mit einer Abgabe stoppen. Wer nicht ausbildet, zahlt, wer mehr ausbildet wird dafür belohnt. Die Wirtschaft ist alarmiert. Für sie ist die geplante Ausbildungsplatzabgabe ein bürokratischer Albtraum - der unbedingt verhindert werden muss. Und auch in den Regierungsfraktionen ist die Umlage nicht unumstritten. Und so geht die Politik auf den Vorschlag der Arbeitgebervertreter ein. Diese verpflichten sich in einem Pakt dazu, neue Ausbildungsplätze anzubieten. Wenn die Politik im Gegenzug dazu auf die Einführung der Ausbildungsplatzabgabe verzichtet.

    Am 16. Juni 2004 ist es dann soweit. Die Bundesregierung und die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft schließen den "Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland". Paktpartner sind für die Bundesregierung die Ministerien für Wirtschaft und Technologie, Arbeit und Soziales, sowie Bildung und Forschung, für die Wirtschaft der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Gerhard Schröder, zu diesem Zeitpunkt Bundeskanzler:

    "Wir haben also einen freiwilligen, wohl verbindlichen Pakt geschlossen, dessen Umsetzung gewiss nicht leicht sein wird. Aber wir sind alle wirklich entschlossen, für die Umsetzung zu sorgen."

    Wolfgang Clement, 2004 Wirtschaftsminister, macht noch einmal deutlich, worum es hier eigentlich geht - ein funktionierender Ausbildungspakt verhindert die Ausbildungsplatzabgabe.

    "Wir werden ab November beginnen, Zwischenbilanzen zu ziehen, und wir werden dann bis zum Herbst des nächsten Jahres sehen, ob wir nachsteuern müssen, sachlich ob der Vertrag, so wie wir ihn vereinbart haben, ausreichend ist oder ob wir nachsteuern müssen oder ob gesetzgeberische Initiativen notwendig sind, das Gesetzgebungsverfahren wird ja nur ausgesetzt, ruht, solange wir entsprechend zusammenarbeiten. Spätestens im nächsten Herbst soll es eine Überprüfung geben. "

    Der Pakt sieht konkret vor, dass die Wirtschaft drei Jahre lang jeweils 30.000 neue Lehrstellen anbietet. Neu heißt dabei nicht unbedingt zusätzlich. Gehen Betriebe pleite oder bilden nicht mehr aus, werden die wegfallenden Lehrstellen nicht mit den neu eingeworbenen Ausbildungsplätzen verrechnet.

    Die Verbände sichern also zu, dass ihre Mitgliedsunternehmen Lehrstellen anbieten, die es bisher nicht gab. Eine Garantie für vorhandene Plätze wollen sie nicht geben. Außerdem sollen 25.000 zusätzliche Praktikantenstellen schlecht qualifizierte Bewerber fit für den Arbeitsmarkt machen. Die bekommen dann einen Unterhaltszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit und im Erfolgsfall ein Zertifikat der örtlichen Industrie- und Handelskammer.

    Doch nicht nur die Wirtschaft verspricht Engagement, auch die Bundesregierung macht Zusagen. Sie will die Zahl der Ausbildungsplätze in der Bundesverwaltung um 20 Prozent erhöhen. Die Wirtschaft hat mit dem Pakt keine einklagbaren Garantien gegeben. Als Drohung im Raum steht jedoch die Ausbildungsabgabe. Ludwig-Georg Braun, Präsident des Industrie- und Handelskammertages.

    "Ich will sagen, dass dieser Pakt ein wunderbares Beispiel werden kann, wenn er sich erfolgreich durchsetzt, wie man Bürokratie durch partnerschaftliches Handeln ersetzen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung, und daher will ich mich an dieser Stelle auch, da wir von partnerschaftlichem Handeln sprechen, mich bedanken bei denen, die mitgeholfen haben, dass diese Struktur des Paktes jetzt so zusammengekommen und so tragbar sein wird."

    Das partnerschaftliche Handeln beschränkt sich jedoch auf die Wirtschaftsvertreter und die Politik. Die Gewerkschaften sind außen vor geblieben - freiwillig und aus gutem Grund, wie Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende findet:

    "Unsere ursprüngliche Intention war ja eine gesetzliche Umlage zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen. Die Arbeitgeber haben dann im Rahmen des Ausbildungspaktes angeboten, Einstiegsqualifikationen und neue Ausbildungsplätze, aber keine zusätzlichen. Und das schien uns einfach zu wenig und kein Erfolg versprechendes Konzept. Und deshalb sind wir auch als Gewerkschaft nicht dabei. "

    Eine abgeschlossene Ausbildung ist zwar keine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Wer jedoch in Deutschland eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, dessen Chancen auf einen festen Arbeitsplatz steigen. Und wer viel Glück hat, wird sogar von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen.

    In der Werkstatt von Dirk Walter arbeiten 24 Mitarbeiten, sie haben ihre Ausbildung hier im Betrieb gemacht. So wie Sascha. Der 23-Jährige steckt seinen Kopf unter die Motorhaube eines alten Saab, Baujahr 1976 - Der Motor will nicht anspringen. Sascha arbeitet seit fünf Jahren hier. Er hat als Lehrling begonnen, seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und ist übernommen worden. Auch für ihn ist sein Ausbildungsberuf sein Traumberuf

    Auch wenn es manchmal ein wenig knifflig wird. Selbst mit der Hilfe eines Kollegen findet er den Fehler nicht sofort. Die Unterschiede zu einem neueren Wagen sieht der Fachmann jedoch auf Anhieb

    "Viel primitiver als ein neues Fahrzeug, weniger Technik, weniger Elektronik, das Grundprinzip ist zwar dasselbe, ist aber nicht so viel Elektronik drin, nicht so viele Spielereien. "

    Bei der Suche nach seinem Ausbildungsplatz hatte Sascha Glück. Über persönliche Kontakte ergatterte er ein Praktikum in der Werkstatt - und konnte sich so für eine Ausbildung empfehlen. Der Vorteil für den Arbeitgeber: er kennt den zukünftigen Mitarbeiter schon. Auch im Ausbildungspakt sind Praktika vorgesehen. Die Hoffnung: die jungen Leute können sich beweisen und im Anschluss daran einen Ausbildungsplatz bekommen. Doch für die meisten heißt es nach dem Schulabschluss erst einmal, Bewerbungen schreiben und einen potentiellen Ausbilder auf sich aufmerksam machen. Dirk Walter:

    "Man schaut sich die Bewerbung an, selbst die Texte, wie sie geschrieben sind, ob sie engagiert geschrieben sind. Ob derjenige sich schon für den Fachbereich oder den Betrieb interessiert, ob er schon versucht hat, Informationen ranzuholen, eine vernünftige Begründung hat, warum er den Ausbildungsplatz antreten möchte, und ganz wichtig natürlich das schulische Zeugnis, oder die Zeugnisse, der Kopf für mich ganz entscheidend.(....) Und dann im nächsten Punkt natürlich die Zensuren und ganz klar auch die Fehltage. Wie oft waren Fehltage vorhanden und wie oft waren sie entschuldigt oder unentschuldigt. Ganz wichtiger Aspekt. "

    Schulabgänger, die mit ihren Bemühungen keinen Erfolg hatten, tauchen dann in der Statistik als Suchende auf - und um die wollen sich die Partner des Ausbildungspaktes kümmern. Mit Erfolg, wie sie in den vergangenen zwei Jahren immer wieder betont haben: 3. Dezember 2004. Die Partner des Ausbildungspaktes legen nach einem guten halben Jahr eine Zwischenbilanz vor. Der damalige SPD-Chef Franz Müntefering, der im Jahr zuvor die Ausbildungsplatzabgabe zur Chefsache erklärt hatte:

    "Insgesamt ist das, was jetzt erreicht ist, natürlich noch nicht sehr gut, aber es ist besser, als ich es selbst Anfang des Jahres noch geglaubt habe, dass es möglich wäre."

    Dieter Phillip, damaliger Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks

    "Kurz gesagt, die deutsche Wirtschaft hat Wort gehalten. Wir haben den Ausbildungspakt nicht nur erfüllt, sondern er ist in seinen Ergebnissen weit übertroffen worden. "

    15. Februar 2005 - Die Bundesregierung erklärt den Ausbildungspakt zum Erfolg. Der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement:

    "Wir haben die Trendwende am Arbeitsmarkt erreicht. Wir haben insbesondere zu verzeichnen, dass alle Zusagen, die im Ausbildungspakt enthalten waren, all dies ist zum großen Teil übererfüllt worden. "

    Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt:

    "Die Wirtschaft hat alle ihre Zusagen aus dem Pakt erfüllt. Über 50.000 neue Ausbildungsplätze und über 30.000 Einstiegsqualifikationen. "

    Auch anderthalb Jahre nach der Pakt-Vereinbarung fällt die Bilanz im vergangenen Herbst positiv aus. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt:

    "Trotz wirtschaftlich schwerer Lage ist der Ausbildungspakt auch in diesem Jahr auf einem guten Weg."

    Wolfgang Clement, damals noch Arbeitsminsiter:

    "Es ist in der Tat so, dass der Ausbildungspakt sich bewährt, eindeutig, besser geht es nicht, die Zusagen, die gemacht werden fast um das Doppelte übertroffen in Wahrheit, wenn man sich die neuen Ausbildungsverträge anschaut, das ist sicher ein Beweis für die Zusammenarbeitsfähigkeit auch in schwierigen Zeiten. "

    Zufriedene Gesichter und Erfolgsmeldungen - für die Gewerkschaften waren die Ergebnisse des Ausbildungspaktes auch 2005 keine Grund zu Jubeln. Frank Werneke vom verdi-Vorstand:

    "Der Ausbildungspakt ist leider ein Versprechen geblieben. Er hat nicht dazu geführt, dass in ausreichendem Umfang Ausbildungsplätze entstehen. Im vergangenen Jahr sind über 40.000 Jugendliche völlig unversorgt geblieben, und in diesem Jahr ist die Zahl der Ausbildungsplätze noch einmal gesunken um weit über 35.000. "

    Für die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock ändern die Auftritte der Ausbildungspaktpartner nichts an der Lehrstellenmisere in Deutschland.
    "Es gibt keine neuen Aspekte aus unserer Sicht. Und die Ergebnisse des Ausbildungspaktes sind auch nicht so ermutigend, dass wir sagen würden, da wollen wir jetzt unbedingt mitmachen. Es ist so, dass zwar Einstiegsqualifikationen geschaffen worden sind, auch mit hohem Vermittlungserfolg, aber wir finden, dass gerade die Leute, die es betrifft, das sind die Benachteiligten, da nicht auftauchen. Es ist also für die eh gut Qualifizierten, das scheint uns nicht die richtige Entwicklung. Und ansonsten werden eben neue keine zusätzlichen Ausbildungsplätze geschaffen. Das heißt, die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze geht ständig zurück, für uns kein Grund, uns an einer solchen Veranstaltung zu beteiligen. "

    Während die Gewerkschaften und die Partner im Ausbildungspakt die Situation innerhalb des Systems in den Griff bekommen wollen, plädiert der Bildungsforscher und Präsident der Freien Universität Berlin Dieter Lenzen für einen Systemwechsel.

    "Wir können uns das gar nicht mehr anders vorstellen, als dass junge Menschen eine Lehre machen, die den Regeln genügt, die wir irgendwann dafür aufgestellt haben. Dadurch erzeugen wir zwei Klassen von Jugendlichen. Nämlich die Inhaberinnen und Inhaber von Lehrstellen und die, die es nicht geschafft haben. Die einen haben es geschafft, die anderen haben es nicht geschafft. Das dürfen wir uns gesellschaftlich dauerhaft nicht leisten. Wir müssen auch für die anderen Chancen haben, und insofern wird das nur möglich sein, indem man das gesamte System ein Stück weit aufweicht und auflöst."

    Der Theorieanteil an der Ausbildung sei zu hoch und das System der Berufsausbildung in Deutschland nicht wettbewerbsfähig in einer globalen Wirtschaft. Trotz der Kritik hält auch die Große Koalition am Ausbildungspakt fest. Der neue Wirtschafsminister, der CSU-Politiker Glos, im Januar 2006:

    "Dieser Ausbildungspakt wird in der bewährten Form fortgesetzt, und ich hoffe, dass der heutige Lenkungsausschuss wieder ein Stück neuen Schwung gibt, dass wir in Zukunft auch mit dieser Art und Weise, Menschen zu helfen, erfolgreich sind."
    Sabina fühlt sich gut gerüstet für die Zukunft. Schließlich hat sie in ihrer Ausbildung einiges gelernt.

    "Der komplette mechanische Teil, angefangen von Bremsen, Bremsleitungen, Federn, Lenkungen, Traggelenke, Getriebe, Kupplung, all das, dann auch Computer, Umgang mit den Computer. Fehler auslesen, Fehler beheben, Inspektionsintervalle zurücksetzen... Es stand schon alles mögliche auf dem Stundenplan, ich war auch im Bereich Karosserie... Zahnriemenwechsel hatte ich hier einige, die sehr viel Spaß machen, das ist immer sehr interessant, denn Motor ist zwar Motor, aber doch unterscheiden sich Motoren an sich, wie komme ich an den Zahnriemen dran, was muss ich alles abbauen, worauf habe ich zu achten. Wie alt ist der Motor, ja all das."

    Morgen fangen wieder drei neue Lehrlinge bei Carparts and Promoter an. Für all diejenigen, die noch keinen Ausbildungsvertrag unterschreiben konnten, fängt jetzt die Nachvermittlungsphase im Rahmen des Ausbildungspaktes an. Bis Ende September laufen die Bemühungen, sie noch zu vermitteln, in Ausbildungsstellen oder Praktika im Rahmen der so genannten Einstiegsqualifizierungen.

    Manche werden sich auch dazu entschließen, noch ein weiteres Jahr die Schule oder eine berufsvorbereitende Maßnahme zu besuchen. Sie alle fallen dann aus der Statistik heraus. Alle anderen werden weiter als Suchende registriert. Und tauchen in der Bilanz auf, die Mitte Oktober vorgelegt wird und anhand derer die Paktpartner entscheiden, ob ihr Vorhaben auch in diesem Jahr ein Erfolg war.