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Zwischen Esoterik und Wissenschaft

Seit einigen Monaten sorgt das Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder für Aufregung: Es bietet den Masterstudiengang Komplementäre Medizin an. Eine berufsbegleitende Weiterbildung für alternative Heilmethoden. Die brandenburgische Landesregierung hält das ungewöhnliche Institut, das erst vor sechs Jahren gegründet wurde, für überflüssig, die Uni will die Einrichtung behalten.

Von Jens Rosbach | 08.04.2013
    Dozent:
    "Beginnen wir mal wirklich bei null. Dieses Zeichen Qi sieht so aus.".

    Viadrina Frankfurt/Oder, im Studiengang Kulturwissenschaften - Komplementäre Medizin.
    Der Dozent, ein China-Experte, zeichnet eine Art Sternchen, rechts darüber ein umgedrehtes L - und obendrauf so etwas wie ein breites F.

    Dozent:
    "Dieses Zeichen Qi hat sehr viele Bedeutungen. Es kann heißen psychischer Ausdruck. Aber hier sind wir eher heilkundlich orientiert, und deshalb untersuche ich das Qi hier als seine Bedeutung als Lebenskraft."

    Im Seminarraum: rund 30 gestandene Frauen und Männer: Ärzte, Apotheker, Heilpraktiker. Darunter Inge Mangelsdorf, 55 Jahre alt. Die Hannoveraner Toxikologin hat sich für die ungewöhnliche Master-Weiterbildung entschieden, weil sie selbst einmal körperlich schwer gelitten hat.
    Inge Mangelsdorf:
    "Also das war ein Herpes, der ständig wieder gekommen ist. Weswegen ich eigentlich sehr häufig sehr krank, sehr müde war. Und auch schon Zweifel hatte, dass ich möglicherweise eine Depression habe oder was auch immer."

    Die Patientin lief von einem Arzt zum nächsten - doch helfen konnte ihr nur die Alternativ-Medizin - genauer: die chinesische Medizin. Zuerst untersuchte man ihren "Energiezustand". Dann wurde sie mit Nadeln gestochen.

    Inge Mangelsdorf:
    "Außerdem habe ich chinesische Arznei-Tees gekriegt aus diversen Kräutern und waren auch Muschelschalen mit drin - und ich weiß nicht was alles, alles sehr abenteuerlich. Und danach ging‘s mir wieder gut."

    Mangelsdorf, die sich beruflich mit der Chemie am Arbeitsplatz beschäftigt, absolviert nun vier Semester lang - zumeist am Wochenende - exotische Kurse. Darunter Ethnomedizin - die Medizin anderer Völker, Mitochondrien-Medizin - die Medizin von Zellorganen, Naturheilkunde, meditative Techniken sowie Psychosomatik.

    Viele Medien, darunter "Der Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung", haben kritisch über die Komplementärmedizin in Frankfurt/Oder berichtet. Die Artikel nehmen vor allem eine umstrittene Masterarbeit aufs Korn, die an dem Institut geschrieben wurde: eine Masterarbeit über Hellseherei. Hokuspokus! Pseudowissenschaften! lauteten die Schlagworte in der Presse. Institutsleiter Professor Harald Walach klagt, dass seine Einrichtung immer wieder in die Esoterik-Ecke gestellt wird.

    Harald Walach:
    "Insofern sehe ich das eigentlich eher als einen Kampfbegriff, mit dem versucht wird, alles was wir tun, pauschal zu verurteilen und in ein schlechtes Licht zu rücken. Das gelingt natürlich mit so einer Worthülse wie Esoterik sehr leicht, bei der sich alle alles und nichts vorstellen können und die völlig unreflektiert gehandhabt wird."

    Der Institutsleiter und Psychologe vermutet, dass vor allem die Lobby der alteingesessen Schulmediziner Stimmung macht gegen die Verbreitung alternativer Heilmethoden. Gegen Heilmethoden, die zwar in vielen Fällen wirken - aber nicht immer erklärbar sind.

    Harald Walach:
    "Das löst natürlich genauso Ängste aus, wie wenn man einem gläubigen Katholiken erzählen würde, möglicherweise ist der Papst gar nicht unfehlbar und vielleicht gibt es gar keinen lieben Gott, ja."

    Gegenwind kommt auch von wissenschaftspolitischer Seite. Die Hochschulstrukturkommission des Landes Brandenburg hat im vergangenen Jahr sogar empfohlen, das Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften komplett zu schließen. Der Abschlussbericht der Kommission spricht - zwischen den Zeilen - von Unwissenschaftlichkeit. Hans-Georg Moek, der Sprecher des Brandenburgischen Kulturministeriums, über die Details:

    "Die Hochschulstrukturkommission sagt in ihrem Bericht, dass die Verbindung zu einer medizinischen Fakultät fehlt und dass auch nicht das erforderliche Personal da ist, um das auf dem Niveau einer universitären Forschung zu tun."

    Die brandenburgische Landesregierung hat sich dem Votum des Expertengremiums angeschlossen und fordert nun ebenfalls die Schließung des Instituts. Doch die Uni-Leitung will es behalten. Unter einer Bedingung: Die geisteswissenschaftlichen Alternativmediziner sollen künftig mit einem naturwissenschaftlichen medizinischen Institut kooperieren.

    Am betroffenen Institut herrschen Unverständnis und Wut. Die Studierenden wollen auf jeden Fall ein "Plattmachen" ihrer Ausbildungsstätte verhindern. Inge Mangelsdorf würde nicht ihre vielen Wochenenden investieren sowie die hohen Studien-Gebühren - 2500 Euro pro Semester - wenn sie nicht von der unkonventionellen Weiterbildung überzeugt wäre.

    Inge Mangelsdorf:
    "Die Referenten sind ausgezeichnet, das Spektrum ist sehr breit. Wir alle, die Studenten - ich glaube, ich kann da wirklich für alle sprechen - sind begeistert und sehend das wirklich auch als Bereicherung an, dass wir dieses Studium machen."