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Zwischen Härte und Kompromissbereitschaft

Der Graben zwischen der Regierung Weißrusslands mit ihrem Präsidenten Alexander Lukaschenko und dem Rest Europas ist tief. Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im März diesen Jahres erließ die EU ein Einreiseverbot gegen den wiedergewählen Präsidenten. Doch die Isolation durch den Westen könnte das Land noch stärker an Russland binden.

Von Gesine Dornblüth und Thomas Franke | 29.06.2006
    Hektisch stopft eine füllige Frau mit blondierten Haaren Bündel mit Socken in ihre schwarzen Lederstiefel. Ihre Nachbarin polstert sich den Busen mit Bonbontüten aus, solange, bis er die dreifache Größe des ohnehin schon imposanten Umfangs erreicht hat. Ein junger Mann biegt die Wandverkleidung des Zugabteils zur Seite und bringt dort prallgefüllte Taschen unter. Dann setzen sich alle kichernd wieder hin. Weißrussen auf dem Weg von Polen zurück in ihr Heimatland. Die weißrussische Zöllnerin, die durch den Zug geht, lässt sich zwar den Inhalt einiger Taschen zeigen, gibt sich ansonsten aber ahnungslos.

    Alltag an der polnisch-weißrussischen Grenze. Sie ist auch die Außengrenze der Europäischen Union zu Belarus, wie sich das Land selbst nennt. Dessen Präsident Alexander Lukaschenko gibt aber schon seit geraumer Zeit eindeutig zu verstehen, was er von der EU hält: Nichts. Doch die Szene im Zugabteil zeigt ebenso: Seine Weißrussen schätzen polnische Waren, und solange die Zöllner beide Augen zudrücken, kaufen sie fleißig im EU-Land Polen ein. Ein klarer Widerspruch zur Strategie Alexander Lukaschenkos – des letzten "Diktators Europas" - , wie er weltweit gern genannt wird, der versucht, die weißrussische Bevölkerung vollständig vom westlichen Ausland zu isolieren.

    In der weißrussischen Stadt Brest nahe der polnischen Grenze gibt es einen der wenigen oppositionellen Stadträte in Weißrussland. Er heißt Juras Hubarewicz und erläutert, warum Lukaschenko das Land so sehr abschottet.

    "Die Isolation bewirkt, dass die einfachen Leute in Weißrussland nicht wissen, wie die Menschen im Ausland leben. Es wird eine Atmosphäre geschaffen, als sei Weißrussland von Feinden umgeben. Und die Menschen haben den Eindruck, sie könnten auf niemandem mehr zählen - außer auf Lukaschenko."

    Seit einigen Monaten wird in der Europäischen Union verstärkt darüber nachgedacht, wie mit dem Nachbarn Weißrussland umzugehen ist. Anlass für die intensivere Befassung mit Weißrussland boten die umstrittenen Präsidentschaftswahlen vor einem Vierteljahr, am 19. März 2006. Damals ließ sich Alexander Lukaschenko das dritte Mal in Folge zum Präsidenten wählen.

    Möglich wurde dies erst durch ein Verfassungsreferendum, das aber grundlegenden demokratischen Standards nicht entsprach. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl hatte das Regime die Daumenschrauben immer enger gezogen: Die letzten kritischen Zeitungen wurden am Erscheinen gehindert, prominente Oppositionsführer verhaftet und Studenten unter Druck gesetzt. Proteste nach der Wahl im März ließ Lukaschenko niederschlagen. Die EU, westliche Regierungen und zahlreiche internationale Organisationen protestierten heftig. In einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April hieß es zum Beispiel:

    "Das Europäische Parlament verurteilt mit Nachdruck die fehlgeschlagenen Präsidentschaftswahlen in Belarus und weist darauf hin, dass dem Regime Lukaschenko jegliche demokratische Legitimität fehlt und es sich hier weiterhin um die letzte Diktatur in Europa handelt."

    Vier Tage später erließ der Europäische Rat dann ein Einreiseverbot für Präsident Lukaschenko und dreißig weitere ranghohe Beamte, die für die Verstöße und Übergriffe vor und während der Wahl verantwortlich waren - darunter zahlreiche Minister, Staatsanwälte, Abgeordnete, Geheimdienstfunktionäre und der Leiter des Staatsrundfunks.

    Die Einreiseverbote gegen weißrussische Funktionäre findet Tatjana Protsko vollkommen gerechtfertigt. Sie leitet das "Helsinki Komitee" in Weißrussland, eine Organisation, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzt und beobachtet, ob Weißrussland alle einschlägigen Verpflichtungen einhält, die es bei seinem Beitritt zur OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eingegangen ist.

    "Die Einreiseverbote sind effektiv. Unter ehemaligen Sowjetbürgern ist es ein typisches Lebensziel, die Welt zu sehen. Im Urlaub auf Zypern, in Bulgarien oder der Türkei kann man es sich außerdem mal so richtig gut gehen lassen. Bei uns zu Hause ist es eher verpönt, viel Geld für sich selbst auszugeben. - Und dann beruht das Ansehen der Regierung Lukaschenko in Weißrussland auf Macht und Stärke. Wenn nun der Staats-Chef oder seine nächsten Helfer nicht ins Ausland fahren dürfen, während ein einfacher Bauer oder ich das aber dürfen, dann schmälert das die Reputation des Staatsoberhaupts in den Augen der Bevölkerung."

    Tatjana Protsko war kürzlich auf Einladung der Konrad-Adenauer- Stiftung in Deutschland, um für ein stärkeres Engagement der Bundesregierung, aber auch anderer deutscher Nichtregierungsorganisationen in Weißrussland zu werben. Bei ihren zahlreichen Kontakten mit Vertretern der Bundesregierung, mit Außenpolitikern und engagierten NGO-Vertretern stieß sie bald auf ein Dilemma:

    "Wir haben eine interessante Situation: Je mehr wir darüber reden, dass die Menschenrechte in Weißrussland verletzt werden, je mehr schlimme Beispiele wir nennen, desto geringer wird die Chance, dass sich die Situation in Weißrussland ändert. Nehmen wir an, Europa verabschiedet noch eine Resolution, dann gibt es noch weniger Kontakte, und das Regime kann sich noch ungehemmter entwickeln. Deshalb habe ich Angst davor, im Ausland zu sagen, dass die Situation schlecht ist. Weil niemand weiß, wofür das benutzt wird."

    Tatjana Protsko verbindet mit vielen Oppositionelle in Weißrussland die gleiche Sorge: Dass ihr Land im Falle einer weiteren Isolation vom Westen noch fester von Russland umarmt werden könnte, bis hin zur totalen Abhängigkeit. Russlands Präsident Vladimir Putin hat sich, im Unterschied zur Europäischen Union, lobend über die dritte Wahl Lukaschenkos geäußert und dem Präsidenten schnell gratuliert. Das Europaparlament wiederum zeigte sich über diese positiven russischen Reaktionen bestürzt.

    Zuckerbrot und Peitsche, Investitionen nur gegen Demokratie - im Fall von Weißrussland funktioniert das nicht, räumt der polnische Außenpolitiker Pawel Zalewski ein. Zalewski ist Abgeordneter der in Warschau regierenden Partei PiS:

    "Diese Politik gegenüber Weißrussland hat versagt. Denn Lukaschenko war nicht daran interessiert sich irgendwie bewegen zu lassen, größere Freiheiten zuzulassen. Und dann gibt es noch ein Problem, das wir mit vielen Oppositionellen in Weißrussland diskutiert haben: Die meinen nämlich, dass Lukaschenko jede Anerkennung durch demokratische Länder - und sei es auch nur durch Zusammenarbeit auf niedrigster Ebene - für seine Zwecke nutzt, um seine Macht zu legitimieren."

    Die EU greift nun zu härteren Mitteln. Nach den Einreiseverboten für weißrussische Regierungsbeamte wurde das in Westeuropa angelegte Vermögen von Alexander Lukaschenko und seinen Funktionären eingefroren. Aber: Diese Maßnahme kündigte man vier Wochen zuvor an. Lukaschenko und seine entourage hatten also genug Zeit, ihr Vermögen auf andere Konten zu überweisen. Cristina Gallach ist die Sprecherin des Außenbeauftragten der EU, Javier Solana. Sie macht klar, wo die Grenzen möglicher Sanktionen liegen:

    "Ich würde zwar nicht ausschließen, dass wir irgendwann noch weitere Schritte beschließen, die auf diese Leute zielen. Gleichzeitig gibt es aber verschiedene Maßnahmen, die wir nicht ergreifen dürfen. Wirtschaftssanktionen etwa würden nur die Bevölkerung treffen. Und das können wir nicht machen."

    Cristina Gallach betont - und das ist Konsens bei der EU in Brüssel - dass man jede Möglichkeit nutzen muss, um mit der weißrussischen Bevölkerung in Kontakt zu bleiben:

    "Dieses Land ist geographisch so nah und doch so weit weg, weil das Regime es isoliert. Und je eher wir diese Isolation durchbrechen können, desto eher können wir helfen, dass eine öffentliche Meinung und eine Zivilgesellschaft entstehen, die sich auf die politischen Prozesse im Land auswirken."

    Deshalb bezuschusst die Europäische Kommission seit Oktober 2005 ein Radioprogramm der "Deutschen Welle" für Weißrussland. Gesendet wird in russischer und weißrussischer Sprache, allerdings auf Kurzwelle. Die Frequenz ist schwer zu finden. Auch der US-Sender "Radio Liberty" sendet aus Prag in Richtung Weißrussland. Vom August an will die Deutsche Welle in Bonn ihr Weißrusslandfenster noch ausweiten. Sie sucht händeringend nach Partnern in Weißrusslands Nachbarländern Polen und Litauen, die das Programm auf einer UKW-Frequenz ausstrahlen.

    In Polen plant man bereits, finanziert von der polnischen Regierung und der EU, einen eigenen Fernsehkanal, der ab 2007 in Alexander Lukschenkos Reich hineinsenden soll. Verlässliche Angaben darüber, wie viele Weißrussen die bisher schon vorhandenen Programme überhaupt einschalten, gibt es bislang noch nicht. Doch angesichts der derzeitigen totalen Informationsblockade ist jeder noch so kleine Beitrag wichtig, beteuert Zhanna Litvina, die Vorsitzende des argwöhnisch von den Behörden beobachteten unabhängigen Journalistenverbands in Weißrussland:

    "Viele Leute suchen immer noch unzensierte Informationen. Sie wollen wissen, was in ihrem Staat los ist. Andererseits scheint mir, dass die Mehrzahl in all den Jahren gleichgültig geworden ist und Negativnachrichten nicht mehr hören will. Die Wahrheit ist immer unbequem. Es ist bequemer, isoliert im Fernsehen süße Bilder unserer hellen Zukunft zu genießen."

    Wie weit das Regime geht, um Informationen zu unterdrücken, zeigt ein erneuter Blick auf die polnisch-weißrussische Grenze.

    Der Zug erreicht den Bahnhof der weißrussischen Grenzstadt Brest. Die Vergangenheit grüßt: Stalin’scher Zuckerbäckerstil, Sowjetsterne an der Decke - in der Halle der Abfertigungsschalter. Seit zwei Stunden wartet eine Reisegruppe darauf, nach Weißrussland einreisen zu dürfen. Grenzer durchsuchen Koffer und Taschen, nehmen jedes Blatt Papier in die Hand, löchern die Reisenden: "Was steht da? Und wozu brauchen Sie das?" Am Ende beschlagnahmen sie das gesamte gedruckte Material.

    Informationen nach Belarus zu bringen, ist nur das eine. Strategie der EU ist es aber auch, Weißrussen nach Europa einzuladen. - Außerdem will die EU Ausbildungen, Fortbildungen und Austauschprogramme vor allem für jene weißrussischen Studenten fördern, die aus politischen Gründen von ihren Universitäten verwiesen worden sind. - Die Europaparlamentarierin Elisabeth Schroedter von den Grünen beschäftigt sich seit langem mit der Lage in Osteuropa. Auch sie darf übrigens schon seit geraumer Zeit nicht mehr nach Weißrussland einreisen. Sie ist, was die Studenten angeht, ausdrücklich dafür...:

    "... dass wir sie einladen und dass wir auch die Visa-Prozedur erleichtern, weil ich glaube, dass das eine Riesenchance ist, sie an unseren Universitäten auf die Veränderung vorzubereiten. Denn was diesem Land ja auch fehlt, ist 'ne politische Elite."

    Tatjana Protsko vom "Helsinki-Komitee" findet genau das problematisch. Denn: Tatsächlich kehre im Anschluss an eine Ausbildung kaum jemand nach Weißrussland zurück.

    "Wenn junge Leute zur Ausbildung ins Ausland gehen, benötigen sie dafür die Erlaubnis des Bildungsministeriums. Nur wenn sie die haben, wird ihr Abschluss anerkannt und sie können später in Weißrussland arbeiten. Zur Zeit fahren unsere jungen Leute ohne diese Erlaubnis zum Studium in den Westen, und deshalb bleiben sie nach ihrem Abschluss dort. Sie machen in Europa schnell Karriere. Deshalb tut die EU Weißrussland mit solchen Gesten nicht unbedingt etwas Gutes, sondern viel mehr sich selbst, denn sie zieht die klugen Köpfe aus Weißrussland ab, wenn auch auf eine sehr schöne und edel gedachte Art."

    Tatjana Protsko schlägt statt dessen vor, auch weißrussischen Beamten Fortbildungen im Ausland anzubieten:

    "Wenn Lukaschenko eines Tages abtritt, dann müssen Leute nachrücken, die etwas vom Regieren verstehen. Viele mittlere Beamte haben nichts mit all den groben Menschenrechtsverletzungen zu tun. Sie sind an einem menschenfreundlichen, guten Staat interessiert. Wir regen an, dass sie im Ausland Erfahrung sammeln sollten, in Deutschland, Dänemark oder Schweden. Man kann ja so ein Thema auswählen, das Lukaschenko und seinen Apparat derzeit ebenfalls beschäftigt: Und wenn es nur das Beispiel 'Müllentsorgung’ ist..."

    Dass die Zusammenarbeit zwischen weißrussischen und europäischen Beamten auf der Arbeitsebene funktionieren kann, zeigt sich an der polnisch-weißrussischen Grenze schon seit längerem.

    Langsam rollt ein LKW von Osten auf die Grenze zu. Ein polnischer Grenzschützer steigt auf die leere Ladefläche, schlägt mit der Faust gegen Wände und Decke, auf der Suche nach Hohlräumen. Andrzej Wójcik vom polnischen Grenzschutz trägt grüne Tarnkleidung, Militärstiefel, eine Pelzmütze. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen auf der weißrussischen Seite sei gut, beteuert Wójcik:

    "Politische Probleme übertragen sich nicht auf den Schutz dieser Grenze. Beide Grenztruppen arbeiten nach einer klaren Rechtsgrundlage für diese Grenze. Und ich jedenfalls habe bisher keine Schwierigkeiten bemerkt, die sich daraus ergeben könnten."

    In Minsk dagegen ist die Lage weitaus weniger entspannt. Die weißrussische Regierung hat auf die Einreiseverbote der EU für einen bestimmten Personenkreis reagiert und im Gegenzug ihrerseits einen Visabann über westliche Politiker verhängt.

    Präsident Lukaschenkos Macht beruht im wesentlichen auf einem guten Verhältnis zu Russland. Russland stellt dem westlichen Nachbarn seit langem Gas und Öl zu Sonderpreisen zur Verfügung. Zur Zeit aber kühlt sich das Verhältnis zwischen den beiden Bruderstaaten merklich ab. Russland hat angekündigt, die Energiepreise für Weißrussland zu erhöhen. Im Gegenzug hat Lukaschenko wieder Zollkontrollen an der russisch-weißrussischen Grenze eingeführt.

    Politische Beobachter vermuten, dass Alexander Lukaschenko mit seinem halsstarrigen Kurs über kurz oder lang auch im eigenen Apparat Unmut auf sich ziehen wird - zumal, wenn sein Rückhalt im Moskauer Kreml sinkt. Sie setzen auf junge Pragmatiker, Geschäftsleute, die Weißrusslands Wirtschaft privatisieren wollen, um ihr Vermögen zu legalisieren. Eine weitere Eskalation des Konflikts mit dem westlichen Ausland liegt nicht in deren Interesse. Offen sagen sie das aber nicht.

    Ein Besuch in der Sonderwirtschaftszone Brest. Im Büro des Direktors, Nikolaj Krivetskij, hängt noch ein Wandteppich mit dem Wappen der belo-russischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Fotos zeigen, wie Präsident Lukaschenko Krivetskij die Hand schüttelt. In der Sonderwirtschaftszone Brest herrschen Steuer- und Zollvergünstigungen, die Investoren nach Weißrussland locken sollen, und zwar vor allem Investoren aus der EU. Direktor Krivetskij untersteht direkt der weißrussischen Regierung. Er beteuert, dass die Führung unter Präsident Lukaschenko alles tue, um diese Investitionen zu ermöglichen:

    "Hier in Brest, an der EU-Außengrenze, treffen der westliche und der östliche Markt aufeinander. Wo zwei Märkte aufeinander treffen, sind geschäftliche Aktivitäten immer besonders groß. Russisches Kapital fließt auch schon hierher. Polnische Geschäftsleute klagen oft, dass ihre Politiker nach Westen schauen, die richtigen Geschäfte aber in Richtung Osten laufen. Diese Tendenz sei nicht gut."

    Krzysztof Iwaniuk ist der Bürgermeister der kleinen polnischen Grenzstadt Terespol. Er möchte endlich den kleinen Grenzverkehr mit Weißrussland einrichten, mit separaten Übergängen für Fußgänger und Radfahrer – und er hat sich informiert, wen er ansprechen muss:

    "Ich weiß, dass die EU Finanzmittel bereitstellt, damit Grenzübergänge modernisiert werden und der kleine Grenzverkehr zwischen den Anwohnern funktioniert. Wir sollten die Möglichkeit haben, uns einfach über die Grenze hinweg verabreden zu können, um einen Kaffee zu trinken, ohne lange an der Grenze Schlange zu stehen."

    Doch da gibt es ein Problem: Im nächsten Jahr wird Polen dem Schengener Abkommen über die gemeinsame Grenzsicherung beitreten. Damit wird es für Weißrussen schwieriger werden, nach Polen einzureisen. Dieses Dilemma zwischen den Bedürfnissen der Menschen im Grenzgebiet und den Anforderungen an eine Schengen-Außengrenze, sei bekannt, räumt die EU-Fachfrau Cristina Gallach ein, betont aber:

    "Schengen muss robust sein, sonst leidet das Vertrauen in das Schengen-Abkommen. Es gibt Mehrfachvisa, es gibt Möglichkeiten, spezielle Visa für besondere Bevölkerungsgruppen auszustellen, zum Beispiel für Studenten oder Wissenschaftler. Aber wir können am Ende nichts machen, was mit unseren politischen Prinzipien gegenüber Weißrussland kollidiert. Und die lauten: Wir sind hart mit dem Regime, aber engagiert zugunsten der Bevölkerung."

    Bürgermeister Iwaniuk aus dem ost-polnischen Terespol fordert schon jetzt, dass die Visagebühren für Weißrussen von derzeit sechs Euro auf keinen Fall erhöht und die Grenzkontrollen nicht übertrieben scharf ausfallen sollten. Denn, so sein Argument: Je weniger Weißrussen nach Westen reisten, desto stärker arbeite man dem Regime von Alexander Lukaschenko zu:

    "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verbindungen zwischen Weißrussland und Russland eng sind, und dass unsere Politik Weißrussland gegenüber mild sein sollte. Sonst werden die Beziehung zwischen Weißrussland und Russland noch stärker. Wenn wir wollen, dass die Demokratie auch nach Weißrussland weitergegeben wird, dann müssen wir die Grenzen so offen wie möglich halten. Dann werden unsere Nachbarn sehen, wie wir leben. Und sie werden selbst entscheiden, ob sie auch so leben wollen oder nicht."