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Zwischen Klassik und Romantik

Er gilt als "Mozart des 19. Jahrhunderts" - verbindet doch sein leichter, graziöser Musikstil die beiden Epochen Klassik und Romantik miteinander: Der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy, dessen Kompositionen wie "Paulus" oder "Elias" aus dem heutigen Konzertleben nicht mehr wegzudenken sind. Vor 200 Jahren kam Mendelssohn Bartholdy zur Welt.

Von Renate Hellwig-Unruh | 03.02.2009
    Kaum ein anderer Komponist war so begabt und umfassend gebildet wie Felix Mendelssohn Bartholdy. Er war Pianist und Dirigent, Maler, Altphilologe und im weitesten Sinne des Wortes ein Literat. Doch zuallererst war er Komponist - dazu noch ein frühvollendeter. Bereits mit zwölf Jahren legte er seine ersten Streichersinfonien vor, mit sechzehn schrieb er sein berühmtes Oktett und die Bühnenmusik zum Sommernachtstraum, mit vierundzwanzig vollendete er die Italienische Sinfonie.

    "Er ist der Mozart des 19. Jahrhunderts, der hellste Musiker, der die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst versöhnt hat","

    hatte Robert Schumann einmal über ihn geschrieben. Mendelssohn war ein Komponist, der zwischen den Zeiten stand, zwischen Klassik und Romantik, und der beide Richtungen miteinander versöhnte.

    Geboren am 3. Februar 1809, wuchs der junge Felix in Berlin mit vielen Privilegien auf: Privatlehrer, Musikunterricht von den besten Musikern der Zeit, Bildungsreisen nach Frankreich, Italien, England und in die Schweiz. Bei den legendären Sonntagsmatineen, die im Elternhaus stattfanden, musizierte Felix vor einem handverlesenen Publikum - zeitweise mit durchreisenden Virtuosen wie Niccolo Paganini und Ignaz Moscheles - gemeinsam mit seiner nicht minder begabten Schwester Fanny.

    Obwohl Mendelsohn gerne in Berlin geblieben wäre, konnte er hier beruflich nie richtig Fuß fassen. Leipzig wurde seine Wahlheimat. Er reformierte das Gewandhausorchester und machte es in insgesamt acht Jahren zu dem, was es heute noch ist: zu einem Klangkörper der Spitzenklasse. Als Orchesterleiter gehörte Mendelssohn zu den ersten, die mit Stab dirigierten und die regelmäßige und systematische Probenarbeit einführten. Zudem war es sein Verdienst, dass das Oratorium nicht in Vergessenheit geriet: Er führte nicht nur die Werke von Bach, Händel und Haydn auf, sondern fügte selber der Gattung zwei Meisterwerke hinzu: den Elias und den Paulus.

    Ein weitere, typisch romantische Gattung ist eng mit dem Namen Mendelssohn verknüpft: die Lieder ohne Worte, in denen das Klavier nicht nur die Begleitung, sondern auch die "Gesangsstimme" übernimmt. Diese Miniaturen brachten dem Komponisten einen ungewöhnlich großen Erfolg ein. Max Reger später:

    ""Besonders in den 'Liedern ohne Worte' offenbart sich eine derartige Vollendung des klaviertechnischen Materials, dass man all den verwirrten und verirrten Übermenschen, bei denen Musik überhaupt erst beim achten Horn, beim vierfachen Holz, bei vierundsechzig Schlaginstrumenten und einigen Dutzenden verschieden gestimmten Glocken beginnt, ein gründliches 'Stahlbad' in Mendelssohn nur aufs dringendste empfehlen kann."

    Felix Mendelssohn Bartholdy, der am 4. November 1847, unerwartet und erst 38-jährig, einem Gehirnschlag erlag, war ein Bewahrer, ein im besten Sinne des Wortes konservativer Musiker.

    ""Ohne seine Formschönheit, sein reines, klares Gestalten, wäre die Verwilderung, die wir gegenwärtig in der 'Zukunftsmusik' erleben, viel früher und ungleich verderblicher eingebrochen","

    stellte der Musikkritiker Eduard Hanslick noch 1858 fest. Doch nicht alle waren gleicher Meinung. Zu graziös, zu leicht, zu gefällig klang einigen seine Musik. Stilkopien ohne Ecken und Kanten. Friedrich Nietzsche gar bezeichnete Felix Mendelssohn Bartholdy als einen "schönen Zwischenfall der deutschen Musik", der schnell vergessen werden würde. Doch Nietzsche sollte sich täuschen.