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Zwischen "Maßhalten" und "Wachstumsorientierung"

Traditionell beginnt der Bundestag sein Sitzungsjahr mit dem "Hoheitsrecht des Parlaments" – mit den Haushaltsberatungen. Den Etat für 2011 verabschiedete das Kabinett vor der Sommerpause. Derzeit debattieren die Fraktionen den Entwurf, ab Mitte September beraten dann die Ausschüsse. Der neue Sport-Haushalt enthält Zündstoff.

Von Grit Hartmann | 28.08.2010
    "Maßhalten ist das Gebot der Stunde" überschrieb Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen". Die Bundesregierung, kündigte der CDU-Politiker an, werde ihr Sparpaket nicht aufweichen. Einerseits. Andererseits gab Schäuble die Devise aus, der Kurs "der wachstumsorientierten Konsolidierung" sei fortzusetzen. Das klang nach finanzpolitischer Quadratur des Kreises – dass ein solches Phänomen realisierbar ist, lässt sich indes auch am Sporthaushalt nachvollziehen.

    Zuerst das Einerseits, das Maßhalten also: Der Bund fördert den Sport im nächsten Jahr mit rund 19 Millionen Euro weniger – statt 251 sind nun 232 Millionen Euro veranschlagt.
    Das Andererseits, die Konsolidierung, erschließt sich in Relation zu den Vorjahren: Die 232 Millionen liegen noch immer über den Ausgaben des Jahres 2009. Der Vergleich zum ersten Haushalt unter Verantwortung des Kabinetts Merkel, dem des Jahres 2006, ergibt sogar ein Plus von 28 Millionen. Sportminister damals: Wolfgang Schäuble.

    Der Eindruck, das Sparpaket würde generell auf den Sport durchschlagen, wäre deshalb verfehlt. Allerdings verhält es sich mit dem Sporthaushalt, zu dem neun Ministerien beitragen, wie sonst auch: Den Rotstift setzt Schwarz-Gelb vor allem im Sozialen an. Das Bundesministerium für Gesundheit zum Beispiel reduziert seine Förderung um 91 Prozent, das Umweltressort um 58, das Arbeits- und Sozialministerium um 26 Prozent – zu Lasten von Bewegungskultur, Gesundheitsvorsorge, Behindertensport oder Klimaschutz.

    Dem Spitzensport darf hingegen gratuliert werden, das Minus fällt moderat aus und eher in die Kategorie "wachstumsorientierte Konsolidierung". Das ist ein Fingerzeig für die medaillenfixierte Regie des Sportdachverbandes DOSB und seines Präsidenten, des FDP-Mannes Thomas Bach. Der zweitwichtigste Großsponsor der Hochleistungsbranche, das Verteidigungsministerium, streicht zwar knapp 14 von derzeit 76 Millionen. Doch die sportiven Botschafter in Uniform lässt es sich so viel kosten wie eh und je: Weniger Geld gibt’s nur deshalb, weil diverse Baumaßnahmen an den Sportstandorten der Bundeswehr abgeschlossen sind.

    Zum Hauptsponsor, dem BMI. Das Ressort von Thomas de Maizière alimentiert mit 153 Millionen Euro – macht vier Millionen weniger als dieses Jahr, aber auch vier Millionen mehr als 2009. Gestrichen wird bei Olympiastützpunkten und Bundesleistungszentren. Die Sportfachverbände bekommen zwei Millionen Aufschlag für ihre Grundförderung, aber fast drei Millionen Abzug bei der Trainerfinanzierung. Erklärungsbedarf liegt auf der Hand: Noch im März lobte der Minister sich selbst im Deutschlandfunk für ein Plus im Etat des Jahres 2010:

    "Was wir in den letzten Jahren verstärkt gemacht haben, was ich auch gerne fortsetzen möchte, ist, dass wir uns insbesondere um die Trainer gekümmert haben. Wir haben oft auf die Sportler geguckt, aber die Trainer sind erst mal keine Spitzenverdiener, sie sind sehr wichtig, fachlich und menschlich, sie finden wenig soziale Anerkennung, sie stehen nicht auf dem Siegertreppchen, und für die mehr gemacht zu haben, ist, glaube ich, eine gute Nachricht."

    Der brisanteste Punkt: In die Dopingbekämpfung fließen wie bisher nur 3,3 Millionen Euro. Die Prävention wird erneut mit dem Kleinstbetrag von 300.000 Euro abgespeist – genauso viel spendiert das BMI für die Frauen-Fußball-WM. Damit entpuppt sich der im letzten Herbst großspurig verkündete "Nationale Dopingpräventionsplan" als Etikettenschwindel. Schwarz-Gelb war weder von Studien zu beeindrucken, die eine hohe Dunkelziffer von Dopern schon beim Nachwuchs belegen, noch von der Kritik des Europarates, der mehr Geld für Prävention anmahnte. Sonderlich überraschend kommt das nicht - auch de Maizière ließ keinen Zweifel an Prioritäten:

    "Das ist eine Aufgabe an den Sport, sich in besonderer Weise darauf zu konzentrieren, dass die Steuermittel für den Spitzensport auch möglichst effektiv eingesetzt werden, und effektiv – das ist nun mal im Sport so – heißt erfolgreich."

    Die Abgeordneten im Sportausschuss, einige als Funktionäre eng verbandelt mit dem Spitzensport, erfüllen jedenfalls im juristischen Verständnis die Kategorie der Befangenheit. Ob das auch in der parlamentarischen Praxis gilt, wird sich demnächst zeigen. Die simple Frage lautet: Folgen sie einer Politik, die Erfolg und zugleich Sauberkeit proklamiert – für letztere aber vor allem auf die Blauäugigkeit des Publikums setzt?