Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Zwischen Schule und Beruf

Lediglich die Hälfte aller Jugendlichen, die an sogenannten Berufsvorbereitungskursen teilnehmen, findet anschließend einen Ausbildungsplatz. Fast ein Drittel steht am Ende genauso da wie im Jahr davor - ohne einen Platz in einem Betrieb oder eine schulische Berufsausbildung.

Von Karl-Heinz Heinemann | 27.04.2010
    "Ich habe gar nichts gefunden, ich habe nur ein Abschlusszeugnis der Klasse neun."
    Die 17-jährige Nicole hat den Hauptschulabschluss nicht geschafft. Mit ihrem Abgangszeugnis aus der neunten Klasse kann sie heute kaum noch einen Ausbildungsplatz bekommen. Und so hatte sie schon resigniert, bevor sie überhaupt angefangen hatte, eine Lehrstelle zu suchen.

    "Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als ich aus der Schule herausgegangen bin. Es gab halt zu viel Stress in der Schule, da wollte ich das nicht noch mehr haben. Ich wollte eigentlich noch nicht einmal hier hinkommen, aber durch Freunde und Bekannte habe ich halt gehört, dass es hier gut sein soll, und da bin ich hierher gekommen."
    Hierher, das ist die Jugendwerkstatt in Köln-Nippes, ein Hinterhofbau in einem Altbaugebiet mit vielen Handwerkern und Kleingewerbetreibenden. Nicole besucht dort eine sogenannte Übergangsmaßnahme, wie viele andere Jugendliche, die nach dem Schulabschluss keinen regulären Ausbildungsplatz gefunden haben. Es ist eine seltsame Situation. Auf der einen Seite klagen Unternehmen über einen fehlenden Fachkräftenachwuchs. Auf der anderen Seite finden gleichzeitig viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz.

    Nach wie vor erreicht eine große Zahl junger Menschen weder den Schulabschluss noch eine voll qualifizierende Ausbildung, heißt es im Berufsbildungsbericht 2010, der morgen im Bundeskabinett verabschiedet werden soll. Damit stellt sich die Frage nach Sinn und Qualität des Übergangssystems zwischen Schule und Beruf. Was also bringen die zahllosen Maßnahmen der Arbeitsagenturen, von Jugendhilfeeinrichtungen und Bildungsträgern, in denen diese Jugendlichen oft mehr geparkt als wirklich weiter qualifiziert werden?
    Zurück in die Jugendwerkstatt in Köln Nippes. Unten im Haus sind die Schreiner, darüber eine Metallwerkstatt, dann noch eine Gruppe, in der Hauswirtschaft gelehrt wird. Bei den Schreinern sind erstaunlicherweise sechs Mädchen und zwei Jungen. Sie alle haben eine schwierige Schulkarriere hinter sich. Der Schreinermeister Georg Schnippering leitet seit 15 Jahren die Holzwerkstatt. Es werden Vogelkästen gebaut, Bücherregale, auch größere Stücke wie zum Beispiel Schreibtische. Stolz zeigt er die Fotos der Werkstücke seiner Kursteilnehmer. Wie messe ich die Holzplatte aus, wie bekomme ich darauf eine gerade Linie, an der ich entlangsägen kann? Er muss hier sehr weit unten ansetzen. Seine Jugendlichen gehören ohne Zweifel zu der Risikogruppe jener 20 Prozent der Schüler, die laut PISA-Studie die Schule verlassen, ohne dass sie kompliziertere Sachverhalten beschreiben oder berechnen könnten. Schreinermeister Schnippering:

    "Von der Leistungsfähigkeit her habe ich im Moment keinen Einzigen in der Gruppe, wo ich als Meister mit eigener Ausbildererfahrung sagen könnte, die würde ich so in die Ausbildung nehmen. Ich habe hier Jugendliche, die haben in der siebten Klasse das letzte Mal eine Schule von innen gesehen, sind dann jahrelang mehr oder weniger abgetaucht mit 200 oder 300 Fehlstunden im Schuljahr. Wenn ich dann soweit bin, dass sie in der Lage sind, sich jeden Morgen zu melden, wenn irgendetwas dazwischenkommt und Entschuldigungen vom Arzt beibringen an Fehltagen und so, denke ich, habe ich viel erreicht in einem Jahr."
    Im letzten Jahr gingen laut Berufsbildungsbericht rund 9600 Bewerber um einen Ausbildungsplatz völlig leer aus. Doch es sind fast zehnmal mehr Jugendliche, die keinen richtigen Ausbildungsplatz, sondern lediglich eine Zwischenlösung gefunden haben und deshalb weiter suchen. Klaus Heimann von der IG Metall sitzt im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung, der den Berufsbildungsbericht erstellt:

    "Wir zählen jetzt diejenigen, die unvermittelt sind zum 30. September eines jeden Jahres, und gleichzeitig rechnen wir diejenigen hinzu, die in einer Warteschleife oder Übergangsmaßnahme landen aber der Bundesagentur ausdrücklich sagen, dass sie weiterhin an einer Vermittlung interessiert sind. Und wenn man das alles zusammen nimmt, haben wir offiziell 80.000 unversorgte Jugendliche."
    Hinzu kommt noch eine im Beamtendeutsch sogenannte Schwundquote von rund 90.000 beim Arbeitsamt gemeldeten Jugendlichen, deren Verbleib nicht dokumentiert ist. Wo landen all diese jungen Menschen, die nach der Schule keine Ausbildung finden? Sind sie allesamt nicht ausbildungsreif, wie es Georg Schnippering von seinen Kursteilnehmern sagt? Es kursieren unterschiedliche Statistiken und Rechenbeispiele. Günter Walden beim Bundesinstitut für Berufsbildung ist der Frage genauer nachgegangen, welchen Weg Jugendliche gehen, nachdem sie die Schule verlassen haben. Seine Bilanz sieht für Hauptschüler ernüchternd aus:

    "Nach unseren Zahlen sieht es so aus, das nur 40 Prozent der Hauptschüler direkt in eine Ausbildung einmünden, das heißt, viele Hauptschüler münden zunächst in eine andere berufliche Qualifizierungsform ein, das heißt dann allerdings nicht, dass sie gar nicht in eine duale Ausbildung oder eine andere voll qualifizierende Ausbildung einmünden, sondern sie müssen gewisse Zwischenstationen durchlaufen. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, zum Beispiel das Berufsgrundbildungsjahr oder eine teilqualifizierende Berufsfachschule; und häufig gelingt es Hauptschülern nach dem Besuch einer solchen Einrichtung dann später in eine Ausbildung einzumünden."
    Das heißt: Der früher einmal normale Weg für alle Schulabsolventen, die nicht studieren, nämlich von der Schule in die Berufsausbildung, funktioniert heute offenbar nur noch für eine Minderheit. Das viel gepriesene deutsche System der Berufsausbildung, nämlich die Lehre im Betrieb, verbunden mit dem Lernen in der Berufsschule, scheint in einer Krise zu stecken. Das meint Heike Solga. Sie ist Direktorin am Wissenschaftszentrum Berlin und Soziologieprofessorin:

    "Weil wir zunehmend beobachten können, dass immer weniger Jugendliche in eine duale Ausbildung hineinkommen. Dass dies nicht kompensiert wird durch schulische Ausbildungen, sondern wir bei den Neueinsteigern eines Jahrgangs circa 40 Prozent von Jugendlichen haben, die in Übergangsmaßnahmen landen. Vom gesamten Jahrgang. Bei den Hauptschülern mit einem Abschluss ist es jeder Zweite, und bei den Hauptschülern ohne Abschluss, also, die keinen Abschluss haben, reden wir von 80 Prozent. Für die ist es nahezu aussichtslos heutzutage, direkt nach der Schule eine Ausbildung beginnen zu können."
    Diese Jugendlichen landen dann in Kursen wie dem von Schreinermeister Schnippering, die Jugendliche auf die Arbeitswelt und die Berufswahl vorbereiten sollen. Aber das ist nur eine von zahllosen Maßnahmen, die es in diesem Bereich gibt: Berufsvorbereitungs- und Berufsgrundschuljahre an den Berufsschulen, Berufsorientierungsjahre, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, Werkstattjahre, Einstiegsqualifizierung, um nur einige zu nennen. Diese Kurse unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von einer Berufsausbildung: Am Ende bekommen die Teilnehmer zwar oft ein schönes Zeugnis, mit dem ihnen die Teilnahme bescheinigt wird. Anfangen lässt sich damit jedoch nur selten etwas.
    Die Vielzahl von Hilfen für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz wird unter dem Begriff Übergangssystem zusammengefasst – und dieses System ist mittlerweile fast so groß wie das der Berufsbildung selbst. Im neuen Berufsbildungsbericht steht, dass im vergangenen Jahr rund 700.000 Lehrverträge abgeschlossen wurden. Gleichzeitig ist eine halbe Million junger Menschen ins Übergangssystem gewechselt. In diesem Zusammenhang von einem System zu sprechen, das ist, meint Dieter Euler, nichts anderes als eine Beschönigung. Er ist Berufspädagoge an der Universität Sankt Gallen und hat in einer Studie diese Übergangsmaßnahmen in einigen Bundesländern untersucht, unter anderem in Nordrhein-Westfalen:

    "Das Übergangssystem ist in der Tat extrem unübersichtlich, einfach deshalb, weil die Voraussetzungen der Jugendlichen sehr, sehr heterogen sind. Es gibt Jugendliche, bei denen trifft die Kennzeichnung sicherlich zu, dass sie noch nicht ausbildungsreif sind, und dass man von daher vieles tun muss, um diese Ausbildungsreife herzustellen. Auf der anderen Seite, und das ist der zweite Typus, gibt es sehr viele Jugendliche, die ausbildungsreif sind, die nur aufgrund der Ausbildungsstellensituation nicht in der Lage sind, eine abschlussorientierte Berufsausbildung aufzunehmen. Und von daher muss man, wenn man versuchen möchte, das Übergangssystem zu reformieren, an diesen beiden sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen ansetzen."
    Insgesamt kostet dieses sogenannte Übergangssystem Jahr für Jahr vier bis fünf Milliarden Euro. Da sollte man schon mal genauer hinschauen, ob dieses Geld sinnvoll angelegt ist, das heißt, ob es den Jugendlichen auch wirklich einen Übergang in eine richtige Ausbildung ermöglicht.
    Die unterschiedlichsten Sozialverbände und Bildungsträger bieten Berufsvorbereitungskurse an, unter anderem Invia, eine katholische Wohlfahrtsorganisation. Ihr Kurs findet nicht in einer Schule statt, sondern in der Lehrwerkstatt eines großen Kölner Metallbetriebes, der Deutz AG. Diese Nähe zur Betriebswirklichkeit ist schon mal ein großer Vorzug. Hier treffen wir auf Jugendliche, die eher dem zweiten Typ zugerechnet werden können, von dem Dieter Euler spricht, die also durchaus die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung mitbringen. Zum Beispiel Thomas. Er hat an einer Realschule die Mittlere Reife gemacht. Und zig Bewerbungen geschrieben:

    "Ja, während der Schulzeiten, nach der Schulzeit weiter, und ich habe nichts gefunden, im Metallbereich, Druckerbereich, Kfz-Bereich."
    Und er weiß auch, warum es wohl trotz Realschulabschluss nicht geklappt hat:

    "Weil die die meisten Firmen wollen mindestens eine drei im Durchschnitt haben."
    Trotz Realschulzeugnis in der Hand galt er also offenbar als nicht ausbildungsreif. Doch mittlerweile hat sich sein Schicksal gewendet. Nun hat er, nach nur ein paar Monaten in der Lehrwerkstatt, eine Ausbildungsstelle bekommen. Und zwar hier bei der Deutz AG, bei der Firma also, in deren Werkstatt der Kurs von Invia stattfindet.

    "Die Meister konnten sehen, wie gut ich arbeite, und die Teamfähigkeit konnten sie mir auch anrechnen, und dadurch bin ich dann hier in die Ausbildung gekommen."
    Eine weitere Erfolgsgeschichte: Auch der 18-jährige Ylmaz wird im Sommer eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker in einem Autohaus antreten können. Er kommt von einer Hauptschule.

    "Okay, ich habe einen guten Hauptschulabschluss bekommen, aber trotzdem, ich wollte unbedingt einen Realschulabschluss haben."
    Denn auch ein gutes Hauptschulzeugnis reicht den meisten Arbeitgebern nicht mehr. Und so hat er erst einmal den Realschulabschluss an einer Berufsschule nachgeholt.

    "Während dieser Zeit habe ich mich auch beworben und nur Absagen bekommen, und dann dachte ich, was soll ich machen? Entweder ich gehe so normal arbeiten oder in eine Maßnahme, wo ich dann auch Chancen habe, eine Ausbildung zu bekommen."
    Manchmal reicht aber nicht einmal der Abschluss einer Realschule. Denn was hilft ein gutes Zeugnis, wenn es an Motivation oder an Lebensorientierung mangelt? Wie etwa dem 17-jährigen Ingo, der immerhin die mittlere Reife in der Tasche hat:

    "Ich war leider zu faul, um mir eine Stelle zu suchen, und nach der Schule bin ich zum Arbeitsamt gegangen, und die haben mir vorgeschlagen, ich wusste auch noch nicht so richtig, was ich werden sollte, und das kommt noch dazu, und durch das Arbeitsamt habe ich jetzt erfahren, dass es die Maßnahme Invia gibt, dann bin ich hierhergekommen, denn ich wollte schon immer etwas Handwerkliches machen, ja."
    Mittlerweile hat er eine Lehrstelle als Industriemechaniker gefunden. Mehr noch: Er hat nun begriffen, worauf es ankommt:

    "Ich sage jetzt, dass ich viel Zeit verloren habe, ein ganzes Jahr, dass ich keine Ausbildung gesucht habe am Anfang letzten Jahres, ich finde, ich bin ein Idiot gewesen."
    Thomas, Yilmaz und Ingo - drei Jugendliche, die von Invia betreut werden. Im Schnitt finden rund 80 Prozent ihrer Kursteilnehmer eine Lehrstelle, sagt Constanze Flick, die Mitarbeiterin von Invia, die diesen Kurs leitet:

    "Am 30. Juni geht hier jeder mit einer Perspektive. Das heißt entweder eine Lehrstelle, einen Schulplatz, oder es gehen auch schon mal einige in Arbeit, die 400-Euro-Jobs haben, es gehen welche in überbetriebliche Ausbildung, das sind aber die wenigsten."

    Die Erfolgsquote von Invia ist gut, liegt deutlich über dem Durchschnitt. Insgesamt erhält nämlich lediglich die Hälfte aller Jugendlichen, die an solchen Kursen teilnehmen, anschließend auch einen Ausbildungsplatz. Fast ein Drittel steht am Ende genauso da wie im Jahr davor – ohne einen Platz in einem Betrieb oder eine schulische Berufsausbildung. Dieses Drittel der Jugendlichen häuft dann Kurs auf Kurs, Schulung auf Schulung. Der Wirtschaftspädagoge Dieter Euler von der Universität Sankt Gallen:

    "Es gibt eine Zahl, die sich auf die Bundesrepublik bezieht, und da ist die durchschnittliche Verweildauer in diesen Maßnahmen 1,7 Jahre. Das variiert natürlich, aber es sind bis zu vier Jahre für den einzelnen Jugendlichen, die, wenn man sie fragt, nach einigen Jahren, gar nicht mehr sagen können, bei welchen Trägern sie schon welche Maßnahmen absolviert haben. Sie werden schlichtweg nur versorgt."
    Kurzum: Sie drehen Warteschleifen. Das Ergebnis: Wer in Deutschland eine Lehre beginnt, ist im Durchschnitt schon älter als 19 Jahre, dabei könnte er mit 16, nach dem Ende der zehnjährigen Schulzeit in die Berufsausbildung wechseln. Während also angeblich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit davon abhängt, dass Gymnasiasten künftig ein Schuljahr einsparen, verschwendet man völlig bedenkenlos die Lebenszeit jener jungen Menschen, die in einen Ausbildungsberuf wollen.
    Der Berufsbildungsexperte Dieter Euler begleitet die Initiative der Bertelsmannstiftung "Übergänge mit System". Ihr Ziel ist es, den Dschungel der sogenannten Übergangsmaßnahmen zu durchforsten und neu zu ordnen. Letztendlich soll es nur noch zwei Arten von Übergangskursen geben. Es gibt den Typus von Maßnahmen, die Jugendliche ohne Ausbildungsreife auf die Möglichkeit einer Berufsausbildung vorbereiten, das ist dann ein bestimmter Typus, der sich genau darauf konzentriert. Und ein zweiter Typ von Maßnahmen, der gedacht ist für Jugendliche, die prinzipiell die Ausbildungsreife haben und die dann darauf hinauslaufen, diese Maßnahmen, dass sie ohne Zeitverlust in Stufen, aber sehr gezielt, auf den Ausbildungs-Abschluss zielen, mit der Kammerprüfung .
    Jugendliche wie Nicole aus der Schreinerwerkstatt, die nicht nur ratlos sind, sondern dem Arbeitsmarkt auch tatsächlich wenig zu bieten haben, brauchen also zunächst eine individuelle Unterstützung, um die Grundqualifikationen zu erwerben, mit denen sie dann erst in eine Berufsausbildung mit einem anerkannten Abschluss wechseln können.

    Gegenwärtig haben solche Jugendlichen kaum Chancen, von einem Betrieb übernommen zu werden. Deshalb sollen sie, so der Vorschlag der Bertelsmann-Initiative, einerseits die Ausbildungsreife vermittelt bekommen und andererseits in einer Berufsschule oder einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte gleichzeitig zu einem vollwertigen Berufsabschluss kommen. Ein Ausbildungsweg, der mehr Zeit in Anspruch nimmt als eine normale Lehre. In Nordrhein-Westfalen gibt es schon erste Modelle einer solchen kombinierten Ausbildung unter dem Namen "Dritter Weg". Dieter Euler:

    "Dritter Weg ist die Kennzeichnung des Programms, wo man sagt, dass Jugendliche über einen flexibel zu gestaltenden Zeitraum von fünf Jahren die Ausbildungsinhalte in Form von Ausbildungsbausteinen absolvieren, schrittweise und akkumulierend und dann zu der beruflichen Handlungskompetenz, die mit einem bestimmten Ausbildungsgang verbunden ist, absolvieren können, und dann innerhalb dieser Zeit dann soweit vorbereitet werden, dass sie dann die externe Prüfung, sprich, die Prüfung vor der Kammer dann absolvieren können."
    Es helfe weder den Betrieben noch den Jugendlichen, wenn lediglich wie ein Mantra das Versagen der Schulen beklagt werde, die keine ausbildungsreifen Absolventen ablieferten. So Dieter Euler. Seine Forderung: Die Unternehmen und die für die Berufsabschlüsse zuständigen Kammern müssten sich bewegen und es zulassen, dass junge Menschen in Berufsschulen und in außerbetrieblichen Lehrwerkstätten zu vollwertigen Berufsabschlüssen gelangen können.
    Junge Menschen hingegen – und das ist Teil zwei seiner Reformvorschläge - die die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung mitbringen, aber dennoch keine Lehrstelle finden, brauchen nach der Schule einen reibungslosen Übergang in einer Ausbildung, ohne sinnlose Warteschleifen und Zeitverlust:

    "Wenn das nicht über eine duale betriebliche Ausbildung möglich ist, muss man schauen, dass man die Ressourcen so fokussieren, dass sie eben in Maßnahmen landen, die dann über außerbetriebliche Träger oder schulische Träger hin zu einer externen Prüfung, also hin zu einem Berufsabschluss kommen."
    Auch solche ausbildungsfähige Jugendliche brauchen also vollwertige Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb der Betriebe. Um die zu finanzieren, müsse man nicht einmal bei den Unternehmen abkassieren und eine Ausbildungsumlage einführen, meint Dieter Euler:

    "Was die Finanzierung der Maßnahmen, die ich eben angedeutet habe, angeht, so könnte man sagen, dass die vier bis fünf Milliarden, die derzeit in dieses Übergangssystem mehr oder weniger ohne große Effektivität und Effizienz hineinfließen, dass man sie gezielter und viel wirksamer für diese Maßnahmen verwenden kann. Das heißt, es geht nicht darum, dass man nach neuen staatlichen Mitteln ruft. Es geht, was die Finanzierungsseite angeht, im Wesentlichen darum, dass man die bestehenden Mittel effizienter einsetzt."
    Widerstand gegen ein solches Modell regt sich bei allen, die an der konventionellen Berufsausbildung beteiligt sind: Die Kammern und die Unternehmen befürchten, dass ihr Monopol bei der Berufsausbildung in Frage gestellt wird. Auch die Gewerkschaften wollen die Berufsausbildung in den Betrieben belassen, nicht zuletzt, weil sie dort besser neue Mitglieder werben können. Setzen sich diese Beharrungskräfte durch, dann, da sind sich Ausbildungsexperten wie Dieter Euler einig, bleibt es nur ein Weg, problematischen Jugendlichen eine Berufsausbildung zu verschaffen. Nämlich durch die Absenkung des Ausbildungsniveaus. Aber das wäre kaum die Lösung, die sich ein hochentwickeltes Industrieland wie Deutschland im verschärften globalen Wettbewerb leisten kann.