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Zwischen Verjährung und Verurteilung

Mehrfach ist Italiens ehemaliger Premier Silvio Berlusconi wegen Verjährung freigesprochen worden. Doch nun wird es trotzdem eng für den Medienunternehmer: Denn einer seiner Prozesse befindet sich in der dritten und damit letzten Instanz. Und gleichzeitig wird entschieden, ob ein weiterer Prozess gegen ihn eröffnet wird.

Von Kirstin Hausen | 19.07.2013
    In Neapel entscheidet eine Richterin heute, ob Silvio Berlusconi wegen mutmaßlicher Bestechung eines Abgeordneten angeklagt wird oder nicht. Der Abgeordnete hatte erklärt, im Jahr 2006 von Berlusconi drei Millionen Euro erhalten zu haben, um in sein politisches Lager zu wechseln und dadurch die damalige Regierung von Romano Prodi zu stürzen.
    Auch das Mailänder Kassationsgericht hat zu tun. Bis zum Monatsende muss es den in zweiter Instanz gefällten Schuldspruch gegen Silvio Berlusconi im Prozess wegen Steuerbetrugs bei Mediaset prüfen – und entweder definitiv bestätigen oder annullieren. Letzteres ist nur bei nachgewiesenen Verfahrensfehlern möglich, in diesem Fall würde der Prozess ganz neu aufgerollt – und aufgrund der Verjährungsfristen wohl nicht mehr rechtzeitig mit einem erneuten Urteil abgeschlossen werden können. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Verjährung eines Straftatbestandes Berlusconi rettet. Der Journalist Marco Travaglio:
    Marco Travaglio:

    "In seiner langen Karriere als Angeklagter hat Berlusconi bereits sechs Mal von den Verjährungsfristen profitiert. Dabei ging es drei Mal um illegale Geldzuwendungen und Bestechung und drei Mal um Bilanzfälschung."

    Von Silvio Berlusconis politischen Anhängern werden Verjährungen so gefeiert wie Freisprüche, obwohl es da einen feinen Unterschied gibt.
    Marco Travaglio:

    "Man kann auf die Verjährung verzichten. Wenn sich jemand unschuldig fühlt und nicht den Makel auf sich nehmen will, wegen eines Straftatbestandes allein aufgrund der Verjährungsfrist nicht zur Rechenschaft gezogen worden zu sein, dann kann er darauf bestehen, dass der Prozess weitergeführt wird. Berlusconi hat das kein einziges Mal gemacht, vielleicht weil er weiß, dass er schuldig ist."

    Im Prozess um ein kompliziertes Steuerbetrugssystem bei Mediaset hat sich Berlusconi nun Verstärkung geholt. Der Anwalt Franco Coppi, ein Spezialist für Prozesse vor dem Kassationsgericht, unterstützt die Verteidiger und sorgt für leichten Optimismus in Berlusconis Partei der Freiheit. PDL-Fraktionssprecher Fabrizio Cicchitto:

    "Ich wünsche mir ein positives Urteil für Berlusconi und gehe auch davon aus, dass es so kommen wird. Alles andere würde ja bedeuten, sich schon mit einem negativen Urteil abzufinden."

    Gleichzeitig basteln jedoch die engsten Vertrauten des Medienunternehmers am Mythos des von der Justiz verfolgten Opfers. Die Abgeordnete Mariastella Gelmini, die Berlusconi in die Politik holte und zur Ministerin in seiner Regierung machte, verehrt ihren Parteichef für seine kämpferische Haltung .
    Mariastella Gelmini:

    "Berlusconi ist ein Mann des Widerstandes. In den vergangenen 20 Jahren hat er nicht nur Politik gemacht, sondern auch Staatsanwälte und Richter bekämpfen müssen, die systematisch versucht haben, ihm ein Bein zu stellen."

    Dieser Kampf bestand aus Gesetzen, die Berlusconi immer wieder neue Schlupflöcher verschafft haben. Doch nun bleibt dafür keine Zeit mehr. In den Händen des Kassationsgerichtes liegt nicht nur das politische Schicksal von Berlusconi, sondern auch der Regierung, glaubt Stefano Folli, Leitartikler der Wirtschaftszeitung 24ore:
    "Sollte das Kassationsgericht nicht den Verteidigern von Berlusconi recht geben, sondern das Urteil aus der zweiten Instanz bestätigen, hätte das dramatische politische Konsequenzen."

    Die Erste wäre Berlusconis Ausschluss aus dem italienischen Parlament. Sein derzeitiges Amt als Senator müsste er niederlegen, weil ihn das Gericht in Mailand in seinem zweitinstanzlichen Urteil für fünf Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausschliesst. Die Zweite wäre wahrscheinlich eine Regierungskrise. Auch wenn das die Ultrarechte Daniela Santanché, die Berlusconi persönlich sehr nahe steht, bestreitet.

    Daniela Santanché:
    "Es gibt keine Verbindung zwischen dem, was Berlusconi geschehen wird, und dieser Regierung."

    Und doch werde es zu heftigen Reaktionen kommen, sollte Berlusconi in dritter Instanz verurteilt werden, erklärt Parteikollege Roberto Formigoni:

    "Natürlich werden wir ein Urteil gegen Berlusconi nicht widerspruchslos hinnehmen. Unser Protest wird heftig ausfallen, sich aber im institutionellen Rahmen bewegen."

    Was das genau bedeutet, weiß im Moment niemand so genau. Das Kassationsgericht hat sein Urteil für den 30. Juli angekündigt. Kaum ein anderer Termin wird in Italien mit so viel Spannung erwartet.