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Zwischen Verzicht und Genuss

Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit - zumindest für die gläubigen Christen. Doch auch ohne sprituelle Hintergedanken nutzen viele Menschen die Zeit bis Ostern, um sich und ihrem Körper etwas Gutes zu tun.

Von Wolfgang Meyer | 09.03.2011
    Von der Kölner Innenstadt aus sind es etwa 20 Minuten mit dem Auto.

    Navigatorstimme: "Nach 200 Metern rechts abbiegen, dann haben Sie Ihr Ziel erreicht."

    Und schon ist man in einer völlig anderen Welt.

    "Das Ziel liegt rechts."

    In einer Welt voller Düfte und aromatischer Öle, einer Welt der Wärme und des sprudelnden Wassers, der Massage, der Lichtduschen, des Dampfes.

    In einer Welt der Sinne. Der Sinnlichkeit. Und des Wohlbefindens. Wir sind – ja wo eigentlich? Im Orient? In einem arabischen Land? Oder in Indien? Oder einfach irgendwo am Mittelmeer?

    "Es ist nichts nachgebaut, es sind keine Versatzstücke, es sind alles Originalteile. Das macht das Haus sehr authentisch."
    Siegfried Reddel, Geschäftsführer der Mediterana GmbH, Bensberg bei Köln:

    "Und dann ist es natürlich das Betriebskonzept, das sich hauptsächlich durch die Menschen zusammensetzt. Das sind unsere Mitarbeiter, die wir ganz explizit schulen, und es ist ein sehr freundliches Miteinander."

    Die Mediterana – ein arabisch-indisch-mittelmeeriger Wellness-Tempel auf 18.000 Quadratmetern. Wer bereit ist, um die 150 Euro und mehr auszugeben, mit Essen und Trinken, mit allem Drum und Dran, der taucht für einen Tag ab in diese Welt des Loslassens:

    "Ja einfach ein Wohlfühltag. Zur Entspannung."

    Der macht in diesem orientalischen Palast für einen Tag Urlaub total. Er kann Sport treiben, er kann sich im Toten oder anderen Meeren treiben lassen oder eben einfach nur – auf besondere Art und Weise - schwitzen.

    "Ich gehe schon länger in die Sauna, und das tut einfach gut. Mal richtig abschwitzen, sage ich mal, und einfach nur relaxen."

    "Abspannen, mal Seele baumeln lassen, so ein bisschen Süden, so ein bisschen warm, es ist einfach schön."

    Reddel: "Selbstverständlich das Herzstück, das ist eine Wellnessanlage, in der Sie viele Dinge finden, die wir über Jahre hinweg selber kreiert haben: Nehmen Sie das Haus der Elemente, den Himalayasalz-Stollen, das Haus der Meditation, das sind schon außergewöhnliche Gruppen, die auch nichts mit Sauna zu tun haben. Wir versuchen, dieses Wort gar nicht zu benutzen. Wir haben kein Holz in diesen Räumen, weil Holz ist das Langweiligste, was sie eigentlich in einem Schwitzraum nehmen könnten, sondern es sind Halbedelsteine, es sind sehr leitende Materialien. Nehmen Sie das Salz, nehmen Sie Onyx, nehmen Sie Ton, und das schafft Stimmungen und Raumqualitäten, Oberflächen, die einfach schon von vornherein den Gast in eine schöne inspirierende Umgebung entführen."
    Eine Entführung also – aber wer entführt wen? Und zu welchem Zweck?

    Becker-Huberti: "Wenn man es mal plakativ sagen will, dann ist es der Versuch, die Wüstenerfahrung zur regelmäßigen Erfahrung im normalen Leben zu machen."
    Professor Manfred Becker-Huberti, Theologe und Kirchenhistoriker.
    Eine Wüstenerfahrung in der Therme, im Solebad oder im Schwitzraum? Denkbar.

    Becker-Huberti: "Jesus geht 40 Tage in die Wüste, um zu fasten, ehe seine öffentliche Wirksamkeit beginnt."

    Aber der Professor spricht nicht etwa von Wellness. Er meint die Fastenzeit. Den Versuch, sich auf eine andere, sehr alte Art und Weise dem normalen Alltag zu entziehen. Auf eine Weise, die es in allen Kulturen und allen Religionen offenbar schon immer gegeben hat:

    "Es ist eine Erfahrung, ich drücke es mal mit einem modernen Beispiel aus: Wenn man bei einem Auto das Licht einschaltet, hat man das normale Abblendlicht, wenn ich tiefer sehen will, dann muss ich das Fernlicht anschalten; und beim menschlichen Körper ist es so, wenn ich meine sinnlichen Erfahrungen verschärfen will, sensibilisieren will, dann muss ich die äußeren Einflüsse reduzieren. Alle Religionen kennen das Verhältnis von Leib und Seele. Von Außen und von Innen. Und sie haben die Vorstellung, dass das Außen das Innen beeinflusst und umgekehrt. Das heißt, wenn ich im Inneren tiefer kommen will, als ich normalerweise komme, muss ich die äußeren Einflüsse reduzieren. Das versucht das Fasten zu tun, es geht nicht darum, jemanden zu knechten, sondern es geht darum, jemandem zu helfen, mehr und tiefer zu sich selber zu finden."

    Navigatorstimme: "In 50 Metern rechts abbiegen in die Zielstraße."

    Zu sich selbst finden, die innere Mitte ausloten, eintauchen in die Ruhe, dem hektischen Alltag entfliehen. Ist das gemeint? Und wenn ja, was unterscheidet dann Fasten von Wellness?

    Navigatorstimme: "Sie haben Ihr Ziel erreicht."

    Wellness. Der Begriff selbst taucht – in ähnlicher Form - zum ersten Mal in der Schrift eines britischen Adligen auf, Mitte des 17. Jahrhunderts:

    "I blessed God for my daughters wealness."

    Wobei sich "wealness" mit "von guter Gesundheit" übersetzen lässt. Dann muss die Menschheit gut 300 Jahre lang ohne dieses Wort gesund bleiben, bis amerikanische Ärzte Ende der 1950er-Jahre zum ersten Mal von "Wellness" sprechen und damit in etwa schon das bezeichnen, was auch heute darunter verstanden wird. Das heißt: Was eigentlich wird darunter verstanden?

    Reddel: "Manchmal wird mir ein bisschen zu viel unter dem Label Wellness verkauft, es gibt heute schon Wellnessparking und Wellnessshopping."
    Ein Indiz dafür, dass Wellness zunächst einmal ein Etikett ist, das auf Produkten klebt, die sich gut verkaufen sollen. Denn der Wellnessmarkt boomt. Nachdem sich in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts Muckibuden in Wohlfühlanlagen verwandelt hatten, explodierten die Umsätze. Das Gesamtumsatzvolumen mit Wellness-Etikett-Produkten wird heute in Deutschland auf knapp 80 Milliarden Euro geschätzt. Viel Geld für Sälbchen und Öle, für Schwitzen, barfuß über Kies laufen oder im Salzwasser dümpeln. Wellness ist auch nicht billig, aber andererseits: Dem typischen Wellnesskunden mag es im normalen Alltag an Entspannung fehlen, an Geld in der Regel nicht.

    Reddel: "Wir haben die Krisen alle ganz gut durchlebt, auf hohem Niveau gejammert und in der Zwischenzeit die Wunden geleckt, eben häufig dann auch in solchen Einrichtungen. Wir sehen schon sehr stark, dass gerade die Gäste, die auch wir hier ansprechen, wohlsituierte Menschen sind, die aus dem oberen Drittel der Gesellschaft kommen, man verfügt über das Geld und man ist bereit, auch einen ordentlichen Preis für eine gute Leistung, das ist ganz entscheidend, das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen. Dann ist der Gast bereit, auch ansprechende Leistungen zu bezahlen."
    Mitbewerber in der Branche bestätigen diese Beobachtung des Mediterana-Chefs. Die Bankenkrise habe vorübergehend auch die Wellnessindustrie ins Schwitzen gebracht – jetzt aber kühlten sich die Gebeutelten längst wieder in den Tauchbecken ab. Warum aber geben – übrigens hauptsächlich gut situierte Frauen, aber neuerdings auch immer mehr Männer – warum geben sie so bereitwillig das unter beruflichem Stress verdiente Geld genau dafür aus, diesem Stress zu entfliehen?

    "Es ist ein Selbstbetrug."

    Sie machen sich etwas vor. So sieht es der Theologe Manfred Becker-Huberti. Denn sie suchten in Wahrheit nach etwas ganz anderem:

    "Es ist ein Selbstbetrug. Aber einer, an dem man verdienen kann, und wenn man an etwas verdienen kann, gibt es immer Interessenten, die das verkaufen möchten, und es gibt andere, die drauf reinfallen und es kaufen. Es ist natürlich angenehm, sich mit irgendwelchen Salben zu beträufeln und irgendwelche meditative Musik im Hintergrund zu hören. Dass man da etwas vermisst, dass eine Sehnsucht bleibt nach etwas, was nicht gestillt wird, das merken viele Menschen, aber sie können es gar nicht mehr ausdrücken. Und das ist die Schwierigkeit, dass man stumm wird auf einem Gebiet, das sich doch nicht befriedigen lässt. Das heißt, irgendwo pocht es in uns und irgendwann steht die Frage immer wieder vor uns: Ist das eigentlich alles? Das Vorfindliche, das, was ich sinnlich begreifen, anfassen, verstehen kann? Muss es nicht mehr geben als das?"
    Der Weg zur Erkenntnis sei gewissermaßen verstopft – so der Theologe. Die Menschen fasten nicht mehr, sie müssen also in der Fastenzeit nicht mehr auf Fleisch oder Produkte des Überflusses verzichten, aber damit offenbar auf das – was ihnen einst als Lohn des Verzichts galt: Darauf, geistig und körperlich ihre innere Mitte zu finden. Was immer das sein und wo immer die liegen mag.

    Becker-Huberti: "Sie können die Parallele zur Wellness haben, wenn Sie Sakramente abschaffen, wie Taufe, dann wird Taufe ersetzt irgendwann durch das Fest der Namensgebung. Und wenn sie Erstkommunion oder Konfirmation abschaffen, dann haben sie irgendwann ein anderes atheistisches Fest, was sie an diese gleiche Stelle setzen."

    Die Jugendweihe zum Beispiel:

    "Wir haben Bedürfnisse nach Ritualen. Wir haben Bedürfnisse nach Tiefgang. Wir wissen, dass es mehr als alles gibt, und selbst wenn wir Religion oder Kirche oder - was auch immer - dann ablehnen, das Defizit, das wir dann da haben, das spüren wir, und wir versuchen es zu kaschieren mit anderem. Dann kaufen wir uns Spiritualität. Und das nennt sich dann Wellness."

    "Ruhe bewahren, einfach mal ins Wellness-Wochenende fahren, einfach mal nichts tun, einfach nur in der Wanne liegen."
    Dieter Nuhr, Kabarettist:

    "Dann kommt einer rein, wirft exotische Blüten ins Badewasser, da muss man sich entspannen, sonst haut man dem gleich auf die Zwölf. Oder wenn Ihnen einer eine halbe Stunde lang Sonnenblumenöl über den Schädel gießt, der ist nicht bekloppt, das ist Ayurveda, nennt man das, ne. Gut, vielleicht ist er auch bekloppt, das weiß man nicht, vielleicht sind Sie auch gar nicht im Hotel, vielleicht sind Sie eingeliefert worden, zwischen einem Irrenhaus und einem Wellnesshotel ist häufig nur ein gradueller Unterschied."
    Worin aber besteht dann der Unterschied zwischen einem religiösen Ritual und diesem verspotteten Wellness-Kult, falls es denn ein Kult ist?

    Nuhr: "Wellness ist, wenn Sie am Ende des Urlaubs nicht mehr wissen, ob Sie den Obstsalat essen oder einmassieren sollen."

    Mal ganz ohne Spaß und Spott. Verbirgt sich hinter den Dampfbadschwaden tatsächlich eine Sehnsucht nach dem Durchblick? Hat der Wohlfühlboom womöglich wirklich etwas zu tun mit dem Fernlicht ins Innere? Und ist dann das in Badelatschen durch mediterranes Flair Schlendern in Wirklichkeit nicht mehr als ein ebenso moderner wie unzureichender Ersatz für das Fasten – ist Wellness gar eine Ersatzreligion? Siegfried Reddel, der Mediterana-Chef, hebt die Hände zum Himmel, abwehrend:

    "Um Gottes Willen, ich glaube nicht, sondern es ist einfach das, was in jedem Menschen schlummert. Wir haben es gerne, uns verwöhnen zu lassen. Wir lieben die Wärme, die Streicheleinheiten, die Düfte, es geht alles über die Sinne. Im Gegenteil, wenn Sie mal ins Mittelalter zurück gehen, dann waren solche Badetraditionen ganz normal, man gönnte sich das, man freute sich mit den Freunden und den Familien hinzugehen. Es ist erst so zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es dann sehr puritanisch, auch durch verschiedene andere Ursachen, aber das schlummert, glaube ich, in jedem Menschen, sich verwöhnen zu lassen. Das hat nichts mit irgendeiner Weltanschauung oder sonst was zu tun, sondern man gönnt es sich einfach, man spürt, dass es einem gut tut."
    Ohne Zweifel, man kann einen Tag in einer Wellnessanlage wie der Mediterana verbringen, ohne etwas zu vermissen. Man kann tief eintauchen in die körperliche Genusswelt, ohne seinen Geist zu verraten. Aber es ist vermutlich kein Widerspruch, wenn dennoch immer mehr Menschen weiter gehen wollen als in die rein körperliche Muskelentspannung.
    Auch die Seele muss zuweilen baumeln – und das geht vielleicht tatsächlich auf Dauer nur, wenn sich Wellness nicht allein auf den Leib beschränkt.

    Navigatorstimme: "Jetzt links fahren."

    Warum sonst ziehen sich Manager und andere Gestresste so gerne hinter Klostermauern zurück, um den Tag nicht nach Meetings, sondern nach Stundengebeten einzuteilen und mit den Ordensleuten gemeinsam schweigend zu essen? Warum lassen sich Vorstandsmitglieder deutscher DAX-Unternehmen neuerdings von Benediktineräbten coachen, warum setzen sich Führungskräfte in Badewannen, die von Nonnen oder Mönchen mit Luftblasen gefüllt werden?

    "Ja hier das sogenannte Brandungsbad, also ein Sprudel-Massage-Bad."
    Bernhard Grunau, Geschäftsführer der Kranken- und Pflegeanstalt Arenberg:

    "Es gab einmal eine Begebenheit da hat ein, ich glaube es war ein Manager, dringesessen. Das Wasser läuft nach zwanzig Minuten dann selbst ab in dieser Wanne, und die Therapeutin kam rein und wollte sich nach dem Befinden erkunden, und er bat darum, dass er noch einen Moment liegen bleiben könne. Die Wanne war schon leer, so wohl hat er sich offenbar in der Zeit gefühlt."
    Eine gute Stunde weiter südlich von Köln, das Deutsche Eck bei Koblenz, liegt rechts hinten am Horizont eine kleine, malerisch gewundene Straße, die bergauf führt. Urlaubsgefühl schon bei der Anreise. Und da liegt es dann inmitten eines riesigen Parks mit Teich, Labyrinth und Kräutergarten: das Dominikanerinnenkloster Arenberg. Übrigens: schon zu Hause leicht zu finden. Wer immer bei Google und Co "Wellness" eingibt, wird ganz oben auf der Seite auf dieses Kloster stoßen.

    Grunau: "Das ist natürlich suchmaschinentechnisch gewollt von uns, wir haben eben das, was man landläufig als Wellnessmöglichkeit bezeichnet, haben wir in dem Kloster, gleichwohl wir Wellness anders definieren, nicht so oberflächlich, sondern tief gehender, als es gemeinhin der Fall ist."
    Wellness, aber tiefer gehender. Wellness im Kloster – Massage für Körper und Geist. Klingt nach dem Modewort der 80er-Jahre, nach "Ganzheitlichkeit", aber was heißt das?

    "Das heißt, dass wir zunächst mal den ganzen Menschen betrachten, das heißt nicht den zahlenden Kunden, das ist nicht das Thema bei uns, wir sind eine gemeinnützige Einrichtung, sondern uns geht es um den ganzen Menschen, das heißt, dass wir ihm ein Angebot machen, was ihm einfach gut tut, und womit er in den Alltag auch gestärkt wieder aus diesem Gelände heraus treten kann. Das ist das, was wir unter Wellness verstehen, und nicht nur die Möglichkeit einer Rohrmassage oder ein Bad oder ein Schwimmbad oder einen Fitnessraum in Anspruch zu nehmen."

    Lydia Walk: "Das Besondere hier ist eben einfach der spirituelle Aspekt, es gibt morgens einen Morgenimpuls, den ich sehr schätze, und es gibt stille Meditation, und man kann auch bei den Schwestern am Programm des Gebetes mit teilnehmen oder an den Gottesdiensten, und mir ist das einfach wichtig, zu mir selbst zu kommen in dieser Zeit auch."

    Die Klosterwellnesskundin muss sich ein wenig beeilen. Noch sitzt sie beim Dessert im sonnendurchfluteten Speisesaal noch vor einer Stunde hatte sie ihre Kneipp'schen Anwendungen, und nun eben gleich die Wanderung durch den Westerwald. Ein volles Programm. Aber das muss nicht sein, die Gäste in Arenberg können ihren Tagesablauf den eigenen Bedürfnissen anpassen. Wer einfach nur den ganzen Tag lang Ruhe haben will, der wird auch in Ruhe gelassen. Ruhe ist ohnehin der Schlüssel.

    Grunau: "Wir haben ein Schlüsselsystem, ein elektronisches Schlüsselsystem, wenn man den Schlüssel ins Schloss steckt, muss man 21, 22 zählen und dann erst umdrehen. Wenn man vorher umdreht, wenn man diese Geduld nicht hat, das ist eine Viertelsekunde, wenn man diese Geduld nicht aufbringt, dann streikt der, dann sperrt der Schlüssel und sagt: Dann kommst du nicht da rein."
    Geduld, Langsamkeit. Entschleunigen. Das sind die Stichworte. Runterkommen, die hochtourigen Systeme zurückfahren.

    O-Ton Frau: "Ich muss sagen, diese Ruhe, wie wir hier ankamen, ich war nach drei Tagen völlig entspannt."
    Das ist genau das, was dieses Kloster bieten kann.

    Grunau: "Wir sind so schnell, dass wir das gar nicht in den Griff bekommen, zu entschleunigen."
    Aber neben der Ruhe und Entspannung eben dann auch die Anregung – für den Geist. Zum Beispiel oben auf dem Dach des Gästehauses: beim Morgenimpuls – bei einer Art von Andacht - in der Kapelle. Gedanken zum Tag – Entschlackungskur für die Seele.

    Grunau: "Es kommen Menschen, die sich einfach nur erholen wollen bei uns, aber es kommen auch ganz viele Menschen, die wie wir sagen im kirchlichen Kontext ihr Kreuz schon zu tragen haben, das heißt über Nöte in der Beziehung, Isolation, Krankheit, Einsamkeit, Burn-out, Workaholics, das Ganze Spektrum ist wirklich da. Und wir bieten einen Raum, wo man einfach nur mal zwecklos da sein kann, das ist das eine, wo keine Leistung erwartet wird, kein bestimmtes Verhalten erwartet wird. Auf der anderen Seite aber bricht etwas in dieser Ruhe und dieser Stille auch auf, wo wir Möglichkeiten bieten, es auch aufzufangen, wir haben ein eigenes Seelsorgeteam, was sich allen Fragestellungen zum Gespräch anbietet, was so die Alltagswirklichkeit des Menschen auch darstellt."
    Wellness und Spiritualität. Es gibt Skeptiker, die hinter solchen Konzepten einfach nur den verzweifelten Versuch christlicher Orden sehen, mithilfe eines lukrativen Produktes, eben der Wellness, wirtschaftlich zu überleben. Nun, selbst wenn es so wäre, was wäre daran verwerflich, so könnten die Nonnen und Mönche entgegnen. Was aber, wenn Wellness tatsächlich, so wie es der Theologe Manfred Becker-Huberti vermutet, eine Ersatzreligion darstellen sollte?

    Becker-Huberti: "Also ich glaube, das ist nicht ungefährlich, sich als kirchlicher Anbieter auf Wellness zu forcieren und dabei nicht sehr genau zu beachten, dass Wellness weniger ist als das, was eigentlich nötig ist für den Menschen, der innere Ruhe sucht."

    Verkaufen also ausgerechnet die Dominikanerinnen im Kloster Arenberg womöglich falsche Götter? – Siegfried Grunau winkt mit der Gelassenheit des Wellnesskloster-Geschäftsführers ab. Wellness sei für ihn keine Religion, sondern sein Handeln basiere auf dem christlichen Gottes- und Menschenbild. Und zu diesem Bild gehöre eben auch – lange von der Kirche verleugnet – der Körper, wenn es denn ein Gesamtbild sein soll. Nein, ein womöglich heidnischer Kult sei das nicht, was da in Arenberg angeboten würde, auch kein Körperkult.

    Grunau: "Und insofern verbinden wir tatsächlich Seelsorge mit dem, was der Leib für sich beanspruchen darf. Also die Kirche war nicht immer leibfreundlich. Wir sind es total, der gehört dazu, so darf auch dieses Angebot hier mit in einem Kloster sein."
    "Wenn Ihr aber fastet, sollt ihr nicht finster dreinsehen wie die Heuchler: denn sie verstellen ihr Angesicht, um sich mit ihrem Fasten vor den Leuten sehen zu lassen."
    Das Matthäusevangelium, Kapitel sechs. Wenn Wellness tatsächlich eine neue Form des Fastens sein sollte, dann erfüllen die Menschen eindeutig dieses Jesus-Wort. Weder in einem weltlichen Wellnesstempel wie der Mediterana bei Köln noch im Kloster Arenberg schauen die Entspannenden finster drein. Und – so scheint es – sie verstellen auch nicht ihr Angesicht. Denn sie haben auch keinen Grund, vor aller Welt ihre praktische Frömmigkeit zu bekunden. Sie genießen einfach. Und entschleunigen.

    Navigatorstimme: "Bitte wenden Sie jetzt!"

    Ob diese Wellness-Menschen dabei ihre innere Mitte anpeilen oder nicht, ist ihre Sache. Und ob sie dabei auf dem richtigen Weg sind, das müssen und dürfen sie am Ende selbst herausfinden. Vermutlich gibt es so viele Wege, wie es Wellnesstreibende – und ebenso viele, wie es Fastende gibt.

    Musikangaben:

    Tonträger 23315 idee deluxe records ID003
    ISRC DELP40900007
    Komponist Mercenk, Sinan
    Text/Autor Canat, Andrea; Selda
    Titel Step into a new life
    Titelinterpret Mercenk, Sinan (feat. Selda)
    Solisten Mercenk, Sinan (); Selda (voc); Burnett, Fontaine (g)
    Tonträger-Marke 74 23315 idee deluxe records
    Tontr.Bestellnr 75 ID003
    Europ.ArtikelNr 78 4260088586179
    Dauer: 2'18"


    ISRC DED260400040
    Komponist Rother, Michael
    Text/Autor Rother, Michael
    Titel Morning after
    Titelinterpret Rother, Michael
    Solisten Rother, Michael (instruments); Williams, Sophie (voc)
    Tonträger-Marke 74 05131 RANDOM RECORDS
    Europ.ArtikelNr 78 9708005033221
    Dauer: 1'15"


    Gregorianischer Choral
    Track 2: "Kyrie"
    Interpret: Peter Godehard /
    Choralschola der Benediktinerabtei Münsterschwarach
    Komponist: Gregorianik
    Label: Universal Vertrieb GmbH
    EAN 0028944297812
    Best.Nr.: 23109758
    Dauer: 1'22"