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Zwölf Atome müsst ihr sein

Computertechnik. - Etwa alle zwei Jahre kommt eine neue Generation von Festplatten auf den Markt, die doppelt so viel Daten speichern kann wie die Vorgängergeneration. Damit das auch in den nächsten Jahren so weitergeht, tüfteln Forscher in ihren Labors an den Grundlagen für neue Speichertechniken. Den Vogel haben nun Physiker des Computerkonzerns IBM abgeschossen, und zwar in der heutigen Ausgabe des Fachmagazins "Science".

Von Frank Grotelüschen | 13.01.2012
    "Wir können unsere gesamte Musiksammlung und unsere Videosammlung auf dem Computer unterbringen. Das war noch vor zehn Jahren nicht denkbar!"

    Selbst als Physiker ist Sebastian Loht immer wieder beeindruckt, was die Festplatten-Hersteller zustande bringen: Erstaunliche vier Terabyte können die Laufwerke heute speichern. Die Industrie nämlich schafft es, die einzelnen Speicherelemente, die sogenannten Magnetbits, von Jahr zu Jahr immer kleiner zu bauen.

    #"Auf einer modernen Festplatte sind die magnetischen Bits derzeit so, dass sie ungefähr eine Million Atome für ein Bit Information benötigen."

    Damit aber will sich die Industrie nicht zufrieden geben. Immer mehr Daten auf immer kleinerem Raum, so heißt ihre Devise. Dazu müssen die Magnetbits noch kleiner werden als heute, müssen also aus immer weniger Atomen bestehen. Sebastian Loht und seine Kollegen vom IBM-Forschungszentrum in Kalifornien brachte das auf folgende Frage:

    "Können wir magnetische Informationen in einem einzelnen Atom unterbringen? Und wenn nicht in einem einzelnen Atom – wie viele Atome benötigen wir, um das zu bewerkstelligen?"

    Beantworten konnten die Physiker diese Frage nur mit einem Spezialinstrument für die Nanowelt, dem Rastertunnelmikroskop. Es besitzt eine hochfeine Nadelspitze, mit dem es extrem dicht über die Oberfläche eines Materials fährt und dort einzelne Atome nicht nur erkennen, sondern auch verschieben kann, sagt Sebastian Loth, der seit kurzem am CFEL arbeitet, dem Center for Free Electron Laser Science in Hamburg.

    "Das Rastertunnelmikroskop kann man sich vorstellen, als hätte man einen atomar kleinen Finger, mit dem man die Nanowelt fühlen kann, aber auch anfassen kann und einzelne Atome bewegen. Plötzlich ist ein Atom nicht mehr unglaublich klein. Plötzlich sieht das Atom unglaublich groß aus, und man kann es sogar anfassen und versetzen!"

    Mit diesem Nano-Kran setzten die Physiker einzelne Eisenatome auf eine glatte Kupferoberfläche. Dann schoben sie die Eisenatome solange zusammen und wieder auseinander, bis sie – mit viel Geschick und ein wenig Glück – die richtige Konstellation fanden.

    "Wir haben gemerkt: Ein Atom reicht nicht aus. Wir brauchen mehr. Und die kleinste Einheit, die stabil war, waren zwölf Atome."

    Zwei Reihen mit je sechs Atomen. Ein Gebilde ähnlich wie ein Eierkarton. So sieht es aus, das kleinste Magnetbit der Welt.

    "Das stimmt! Man kann sich das tatsächlich vorstellen wie Eierkartons, in denen anstatt Eiern Eisenatome sitzen. Für uns ist es so, dass jedes Eisenatom wie ein kleiner Magnet aussieht. Es hat einen Nordpol und einen Südpol, und diese Pole können sich in unterschiedliche Richtungen ordnen."

    Eine Richtung entspricht der 0, eine andere der 1 – also ein Bit. Geschrieben und ausgelesen wird dieses Bit durch die hochfeine Nadelspitze des Rastertunnelmikroskops. Allerdings funktioniert das Ganze bislang nur bei eisigen Temperaturen, bei minus 270 Grad Celsius, also knapp über dem absoluten Nullpunkt. Und nicht nur deswegen wird sich die neue Technik nicht so schnell in unseren Computern finden, sagt Loth.

    "Ich denke, bis wir tatsächlich in zwölf Atomen Informationen speichern, wird noch einige Zeit vergehen. Einfach weil es noch keine Fertigungsmethoden gibt, magnetische Speichermedien mit dieser atomaren Präzision massenmäßig herzustellen."

    Immerhin: Einige Grundprinzipien, die die IBM-Forscher bei ihrem Projekt ausgelotet haben, dürften schon bald die Entwicklungsabteilungen der Hersteller inspirieren. Und angenommen, man könnte tatsächlich Festplatten mit Magnetbits aus wenigen Atomen bauen – wie viele Daten könnten sie speichern?

    "Die modernsten Festplatten haben schon unglaublich gute Speicherdichten. Die Modelldemonstration, die wir im Labor erreicht haben, zeigt noch mal eine 100fach höhere Speicherdichte an."

    Dann passten auf eine Festplatte nicht vier Terabyte, sondern 400. Und das entspräche dem Inhalt von nicht weniger als 85.000 DVDs!