Samstag, 20. April 2024

Archiv

Zypern
40 Jahre nach der Teilung

Am 20. Juli 1974 landeten türkische Truppen auf Zypern. Zuvor hatten griechische Nationalisten gegen den zyprischen Präsidenten Markarios geputscht. Seitdem ist das Land geteilt - und auch 40 Jahre danach ist das Verhältnis der beiden Volksgruppen schwierig.

Von Thomas Bormann | 18.07.2014
    Blick auf die Flagge Zyperns.
    Seit 1974 ist Zypern geteilt. (dpa / Jp Amet)
    Die Ortschaft Varoscha an der Ostküste Zyperns hat einen der schönsten Sandstrände. Im Sommer 1974 lebten hier noch 40.000 griechische Zyprer; doch sie alle flüchteten vor der vorrückenden türkischen Armee. Seither ist Varoscha Sperrgebiet. Kein Mensch darf dort hinein.
    Leonidis Christofias ist heute 61 Jahre alt. Vom Grenzzaun aus blickt er auf den Strand von Varoscha.
    "Ja gut, wir waren als kleine Kinder hier zum Strand gekommen ... Strandschaukel."
    Leonidis Christofias hat viele Jahre in Göttingen gelebt; deshalb spricht er fließend Deutsch. Er stammt aus Varoscha:
    "Für uns kleine Kinder war das eine tolle Abwechslung hier."
    Seit 40 Jahren aber versperren Stacheldraht und Wachtürme den Traumstrand von Varoscha.
    Die griechischen und die türkischen Zyprer schieben sich gegenseitig die Schuld für die Spaltung der Insel zu.
    Die Griechen beklagen, die Türkei halte nun schon seit 40 Jahren den Norden der Insel widerrechtlich besetzt.
    Die Türkei aber entgegnet: Ihre Armee musste im Juli 1974 eingreifen, denn damals hatten griechische Nationalisten nach einem Putsch auf Zypern versucht, die gesamte Insel an Griechenland anzuschließen. Das Leben der türkischen Zyprer sei in Gefahr gewesen.
    In der Folge des Krieges wurden Zehntausende griechische Zyprer aus dem Norden der Insel vertrieben; die türkischen Zyprer hingegen flüchteten aus dem Süden in den Nordteil Zyperns. Bis heute warten sie darauf, zurückkehren zu können in ihre Heimatorte.
    Dieser Status quo ist nicht hinnehmbar, stellte die Zypern-Beauftragte der Vereinten Nationen, Lisa Buttenheim, vor einem halben Jahr fest. Damals gab sie den Startschuss für neue Friedensverhandlungen auf Zypern mit dem Ziel:
    "Die beiden Volksgruppenführer werden so schnell wie möglich eine Lösung ausarbeiten. Danach wird es in beiden Teilen der Insel gleichzeitig jeweils eine Volksabstimmung über die Vereinigung geben."
    Seither treffen sich die beiden Volksgruppenführer der griechischen und der türkischen Volksgruppe regelmäßig. Noch sind sie sich aber nicht viel näher gekommen. Osman Ertug von der Regierung der türkischen Zyprer meint
    "Die beiden Gesellschaften auf Zypern haben eigentlich völlig unterschiedliche Charaktere. Da sind einerseits wir: die Türken und Muslime. Und da sind andererseits die Griechen und die Christen. So gibt es eigentlich starke Argumente für eine Trennung. Aber: Wir leben auf einer kleinen Insel, und wir müssen diese Insel miteinander teilen. Beide Bevölkerungsteile haben eine gemeinsame 500-jährige Vergangenheit auf der Insel. Und beide Volksgruppen haben sich diese Insel zur Heimat gemacht."
    Schon oft haben beiden Seiten über Frieden verhandelt; nie gab es ein Ergebnis. Vor zehn Jahren, im Frühjahr 2004, war die Vereinigung zum Greifen nah. Die türkischen Zyprer hatten damals in einer Volksabstimmung einem mühsam ausgehandelten Vereinigungsplan mit großer Mehrheit zugestimmt; die griechischen Zyprer aber hatten den Plan abgelehnt. So blieb Zypern mit Stacheldraht und Mauern geteilt.
    Und im Süden, wo die griechischen Zyprer leben, hat man im Moment andere Sorgen; die Finanzkrise vor einem Jahr hat alle Bürger hart getroffen. Hubert Faustmann, der an der Universität Nikosia unterrichtet, hat beobachtet:
    "Jeder hat weniger Geld, jeder hat Angst um seine Arbeit; es gibt immer mehr Leute, die man kennt, die arbeitslos sind und für sich auch keine Perspektive mehr auf Zypern sehen. Wenn man durch die Straßen läuft: Es machen immer mehr Geschäfte dicht. Den Leuten geht immer mehr die Luft aus. Umso länger die Krise geht, umso dramatischer wird es."
    Die Finanzkrise werden wir schon überstehen, meint der 61-jährige Leonidis Christofias mit einem Lächeln. Aber ob es mit der Wiedervereinigung klappt - da verzieht er sein Gesicht:
    "Ich glaube nicht, dass es so schnell dazu kommt."
    Aber vielleicht wird Zypern ja doch eines Tages wiedervereint. Dann könnte Leonidis Christofias noch einmal über den schönen Sandstrand von Varoscha spazieren, denn nun schon seit 40 Jahren unerreichbar hinter Stacheldraht liegt.