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Zypern zwischen Teilung und Annäherung

Zypern hat seit Sonntag die EU-Ratspräsidentschaft inne - und das als Land, das unter den EU-Rettungsschirm geschlüpft ist. Belastend ist auch die seit 1974 bestehende Spaltung in einen türkischen und in einen griechischen Teil. Doch im Kleinen gibt es Bewegung - die von UN-Soldaten überwachte Pufferzone erwacht zu neuem Leben.

Von Gunnar Köhne | 02.07.2012
    Andreas Andronicou schiebt einen verrosteten Rolladen nach oben und steigt über die dahinter liegenden Berge aus Schutt. Hier war einst die Eingangshalle eines Hotels, erzählt er. Heute liegt das Gebäude in der sogenannten Waffenstillstandszone zwischen Nord- und Südnikosia. Im Bürgerkrieg zwischen Türken und Griechen und nach der türkischen Invasion der Insel 1974 wurde hier heftig gekämpft. Die Wände sind mit Einschussnarben übersät. Andronicou ist Bauingenieur. Er soll das Haus restaurieren. Draußen stehen seine Arbeiter auf einem Gerüst und streichen die steinernen Balkonbalustraden mit frischer weißer Farbe.

    "Wir dürfen nur die Fassade restaurieren. Das Gebiet steht unter Kontrolle der UN. Wohnen darf man hier noch nicht. Aber es ist ein gutes Gefühl, diesen Auftrag hier erledigen zu dürfen. So kann man zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Und ich hoffe, dass diese Restaurierung dazu beiträgt, dass sich bald noch mehr zum Guten verändert."

    Die Ledrastrasse, an der das einstige Hotel steht, war einmal die Flaniermeile der zyprischen Hauptstadt, so etwas wie der "Kurfürstendamm Nikosias". Dann kam die Teilung – über 30 Jahre verlief mitten auf der Straße die Grenze zwischen den beiden Inselhälften. Seit 2003 ist die Ledrastrasse wiedervereinigt. Seitdem können Griechen aus dem Süden in den Norden der Stadt spazieren – und umgekehrt. Den Grenzern auf beiden Seiten genügt ein kurzer Blick in den Ausweis. Und nun haben auch die Gebäude in der 30 Meter breiten Pufferzone einen frischen Anstrich. Lange Zeit wollte vor allem die griechische Seite die zerschossenen Ruinen als Mahnmale für die Besetzung des Nordens durch türkische Truppen bewahren und damit den eigenen Gebietsanspruch aufrechterhalten. Doch je länger die Wiedervereinigungsverhandlungen zwischen Nord- und Süd dauern, desto mehr, so scheint es, finden sich die Zyprer mit der Teilung ab.

    Ein paar Hundert Meter weiter, unweit eines anderen Übergangs zwischen Nord und Süd: Auf den Balkonen des ehemaligen Hotels Ledra Palace hängen die Badehosen britischer Blauhelmsoldaten im heißen Sommerwind. Hier ist die Pufferzone besonders breit. Dutzende verlassene Häuser liegen umwuchert von hüfthohem trockenen Gras entlang der asphaltierten Verbindungsstraße. Nur ein zweistöckiger Flachbau erstrahlt in frischen Farben. "Haus der Zusammenarbeit" steht in großen Lettern über dem Eingang. Unten ein Café, dass kalten Frappe und frischen Kuchen anbietet. Oben sitzt die türkisch-zyprische Friedensaktivistin Alev Tugberk mit Kolleginnen auf dem Balkon vor ihrem Büro und erzählt die Geschichte dieses Hauses:

    "Als ich mit griechischen Freunden hier vorbeikam, hatten wir spontan die Idee, aus dieser Ruine ein Begegnungszentrum zu machen. Jeder hielt uns für verrückt. Genehmigung und Geld kriegt ihr dafür nie, sagten sie. Aber die UN unterstützte uns, und mit Geldern aus Norwegen und Liechtenstein konnten wir das Haus restaurieren und vergangenes Jahr eröffnen. Und heute sind wir stolz darauf, dass hier allein im vergangenen Jahr fast 500 Veranstaltungen und Treffen stattfanden!"

    Im Haus der Zusammenarbeit treffen sich aus beiden Teilen der Insel Fraueninitiativen, Meinungsforscher, Sportgruppen, Friedensforscher. Hier wird die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der beiden Inselhälften aufrechterhalten. Dabei ist das Interesse gerade der jungen Generation an einem Zusammenleben verblasst. Meinungsforscher haben kürzlich die Stimmung in beiden Volksgruppen untersucht. Ergebnis: Nur noch zehn Prozent der griechischen und zwölf Prozent der türkischen Zyprer hoffen, dass die Wiedervereinigung gelingen kann. Alev Tugba aber sieht die friedlichen Aktivitäten in der einst streng abgeschirmten Pufferzone zwischen Nord- und Südnikosia als Hoffnungszeichen, dass sich die Zyprer mit einer endgültigen Teilung doch nicht abfinden werden:

    "Ich arbeite zum Beispiel in einer bizonalen Historikerkommission. Wir gehen in die Schulen und versuchen die Jugendlichen auf beiden Seiten mit einzubinden. Auf der hohen politischen Ebene geht es vielleicht nicht voran und es gibt auch viel Frust. Aber angesichts der vielen Kontakte unter den Menschen auf beiden Seiten, bin ich immer noch hoffnungsvoll. Wir überlegen sogar, das kaputte Nachbarhaus dort drüben zu einem zweiten Begegnungszentrum zu machen."