Ausstellung "Verknüpft" von Haleh Redjaian

Poesie mit Wandteppichen

Perser-Teppiche werden von Mitarbeitern eines Ausstellers aus dem Iran in Hannover vor Beginn der Teppich-Messe Domotex sortiert
Typisches Design: Iranische Teppiche sind meistens kunterbunt © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Von Astrid Mayerle · 10.03.2016
Mithilfe hunderter Nägeln bringt die iranische Künstlerin Haleh Redjaians ihre Teppichkunst an die Wände. Eine Ausstellung in Ingolstadt zeigt nun ihrer Werke und setzt sie auf raffinierte Weise in Verbindung zu anderen Werken, die teilweise erstmals zu sehen sind.
Haleh Redjaian: "Genau, das ist jetzt wohl am besten, so wie Du das gesagt hast, einfach einen Millimeter müssen wir nochmal Stück weiter."
Assistentin: "Einen Millimeter weniger?"
Millimeterarbeit im wahrsten Wortsinn: 800 Nägel sollen den richtigen Platz an der Wand finden. Die beiden Frauen arbeiten auf Gerüsten an einer großflächigen Wandarbeit. Gerade haben sie bemerkt, dass von den 200 Markierungen für die Nägel in der Diagonalen eine fehlt und daher jeder der 199 Bleistiftpunkte an der Wand noch einmal minimal verschoben werden muss. Haleh Redjaian und ihre Assistentin lächeln, obwohl sie die gesamte Reihe schon einmal korrigiert haben. Punkte, Kreuzchen und Querstriche erzählen von einer ungeheuren Präzisionsarbeit. Später sollen Fäden über die Nagelköpfe gespannt werden, Fäden, die sich kreuzen und an der Wand ein grafisches Ornament auffächern. Haleh Redjaian:
"Die Wandarbeiten haben natürlich immer was mit der Architektur zu tun und dass ich mich auch auf die Architektur einlassen muss und für die Räume etwas entwickle. Mich fasziniert auch dran, das ist wie ne Wandmalerei, dass es tatsächlich nur temporär ist und dann irgendwann, ja, sind die Wandarbeiten dann auch wieder weg. Das ist nicht immer einfach, aber es hat was von Loslassen und es hat auch ne gewisse Leichtigkeit."
Eine gewisse Leichtigkeit oder besser Fragilität ist auch den Teppicharbeiten der Künstlerin eigen. Diese gibt sie bei einem Familienbetrieb in der iranischen Stadt Kerman in Auftrag - für die dortige Webtradition sehr ungewöhnliche Stücke: völlig ohne Muster, einfarbig naturweiß. Diese Abkehr von der orientalischen Ornamentik ist für Haleh Redjaian entscheidend, denn sie verwendet die Teppiche wie eine Leinwand, bedruckt sie mit Farbe oder bestickt sie mit Fadenzeichnungen.
"Was mich interessiert, ist, dass die handgewebt sind und dass das auch Naturwolle ist. Die ist nicht sehr bearbeitet und dadurch entstehen kleine Fehler und kleine Ungereimtheiten wie so ein Raster, das nicht perfekt ist. Ich arbeite mit diesem Raster und muss mich dem auch anpassen."

An der Schnittstelle zwischen Design und Kunst

Die deutsch-iranische Künstlerin mag den Widerstand, der dem Material eigen ist. Dennoch gelingt es ihr, in gleichmäßigen Abständen dünne Fäden aufzusticken, die aus der Ferne flächige geometrische Muster ergeben. Gleichzeitig wölbt sich das Gewebe im Hintergrund, weil die Fäden den Teppich etwas zusammenziehen. Teres Rohde, Kuratorin der Ausstellung:
"Man kann ihn gar nicht gebrauchen, denn wenn man ihn benutzen würde, dann würden die fragilen Fäden vielleicht reißen. Aber genau da bewegt sich das Ganze ja. Das ist eine Schnittstelle zwischen Design und Kunst, weil den Teppich an die Wand gebracht, ist er seiner Funktionalität, den Boden zu schützen, enthoben. Aber er hat Schmuckfunktion. So ist das ja auch bei den orientalischen Teppichen: Sie haben auch Schmuckfunktion und hier wird das nochmal auf die Spitze getrieben, denn dadurch, dass die Fäden so gespannt sind und man den Teppich nicht mehr anders strecken kann, da zeigt sich vielmehr, dass die Bedeutung in der Kunst steckt und nicht in einer Gebräuchlichkeit eines Designstücks."
Das Museum Konkrete Kunst konfrontiert Haleh Redjaians Arbeiten mit Werken aus dem eigenen Archiv, darunter auch Neuerwerbungen und Schenkungen, die jetzt erstmals zu sehen sind. Diese Werke sind klug unter drei verschiedenen Gesichtspunkten ausgewählt: Sie zeigen farbliche Korrespondenzen mit den Arbeiten Haleh Redjaians, ähnliche Materialien und vor allem gibt es inhaltliche Bezüge über den Titel der Ausstellung "Verknüpft". So schuf etwa der deutsche Künstler Rolf Glasmeier in den 70er Jahren eine Flechtoptik aus verschraubten Lochblechelementen.
Andere Werke treten in Wechselwirkung mit Haleh Redjaians Teppichen und Zeichnungen - eine der interessantesten Erfahrungen dieser Ausstellung. Die Arbeiten der deutsch-iranischen Künstlerin haben die Kraft, in den benachbarten Werken aus den 60er bis 80er Jahren sogar Qualitäten entdecken zu lassen, die eher untypisch sind für die konkrete Kunst dieser Zeit. Umgekehrt:
"Was es mit meiner Arbeit macht, ist, dass man sieht, dass diese Künstler auch Einfluss auf mich hatten und diese Art zu Arbeiten auch Einfluss auf mich hatte. Das wird deutlich."
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