Aus den Feuilletons

Das neue Gold unserer Epoche sind die Daten

"Das neue Gold sind unsere persönlichen Daten", schreiben Erny Gillen und Ranga Yogeshwar in der FAZ.
"Das neue Gold sind unsere persönlichen Daten", schreiben Erny Gillen und Ranga Yogeshwar in der FAZ. © imago / Sven Simon
Von Hans von Trotha · 28.01.2019
Die FAZ vergleicht die Unternehmungen der Internetgiganten mit den Raubzügen der Konquistadoren. Die "Taz" hingegen entzaubert den Mythos von der Selfmade-Frau Oprah Winfrey.
"Die Konquistadoren hatten neben dem Kreuz drei Innovationen, die ihre Macht besiegelten", schreiben Erny Gillen und Ranga Yogeshwar in der FAZ:
"Schießpulver, Kompass und Rüstungen aus Eisen; einzig dieser technische Vorsprung ließ sie die ganze Welt erobern. Mit ähnlichen Mustern erleben wir zurzeit die Eroberung des digitalen Kontinents. Aus dem Kompass ist die Suchmaschine geworden, aus Schießpulver und Rüstungen eine Schar intelligenter Objekte, Sensoren und Apparate. Das neue Gold sind unsere persönlichen Daten."
Auch die Indios hätten sich weder vorstellen können, dass man mit Gold auf der anderen Seite der Welt reich wurde, noch hätten sie erkannt, "dass die importierte Kultur der Konquistadoren ihre eigene Zivilisation zerstören würde."

Sexy, passiv, unterrepräsentiert

Viele haben ja die Hoffnung gehegt, dass die neue digitale Zivilisation überall den Fortschritt bringt. In der SÜDDEUTSCHEN Julian Dörr aber:
"Noch größer als der Irrglaube, dass früher alles besser war, ist wohl nur der, dass morgen alles von allein besser wird."
Auch sein Thema ist die digitale Zivilisation, konkret: neue Studien der Malisa Stiftung der Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth, die sich mit weiblicher Selbstinszenierung in Social Media beschäftigen. Die Erkenntnis, so Julian Dörr:
"Besonders auf Youtube reproduzieren sich veraltete Geschlechterrollen. Die Zuschauererwartungen seien eng und äußerten sich in mitunter bösartigen Kommentaren, sobald Frauen den Erwartungen widersprechen."
Joachim Huber fasst dieselben Studien im TAGESSPIEGEL mit dem Dreiklang "Sexy, passiv, unterrepräsentiert" zusammen.
"Die Rampensau ist männlich. Warum sind die erfolgreichen Akteurinnen und Akteuren bei Youtube, Instagram und in den Musikvideos ausgerechnet die mit den rückwärtsgewandt erscheinenden Geschlechterrollen? Eine erste, unvollständige Antwort könnte sein: Der Feminismus frisst seine Kinder."

Von Schränken und Feministinnen

Cigdem Toprak gibt in der WELT ein praktisches Beispiel dafür, dass man im Bereich der digitalen Zivilisation der Lage womöglich mit dem hergebrachten begrifflichen Werkzeugkasten nicht Herr und auch nicht Frau wird. Sie hat Senna Gammour getroffen, die mit der Girl-Band Monrose berühmt wurde und heute einen Instagram-Kanal hat.
"Sie ist das Rolemodel vieler junger, selbstbewusster Frauen – nicht nur mit Migrationshintergrund."
Ihr Erfolgsrezept sei Onlinepräsenz und Offlineauftritte.
"Sie tourt mit einer Musik- und Comedyunterhaltungsshow unter dem Titel 'Liebeskummer ist ein Arschloch' … Und in diesem Jahr wird noch der zweite Teil der Tour losgehen: 'No more Fuckboys'."
"Was ist eine Feministin, sag mal bitte", fragt sie. "Jemand, der dafür kämpft, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben", erwidert Cigdem Toprak.
"Okay, dann bin ich eine. Absolut. Aber ich möchte auch, dass man mir die Tür aufhält. Ich möchte Rosen geschenkt bekommen. Ich möchte, dass der Mann den Schrank aufbaut, auch wenn ich weiß, dass ich das selbst kann. Bin ich noch eine Feministin?"
"Ich verkaufe Träume", sagt sie.
"Ich bin ein Mädchen aus dem Volk, habe es von unten nach oben geschafft. Meine Geschichten sind so schön, dass sich die Menschen denken, boah, so will ich auch sein."
Senna Gammour", so Cigdem Toprak, "zeigt den Frauen, dass alles zu schaffen ist."

Parallelen zwischen Oprah und Trump

Das ist der Geschichte gar nicht so unähnlich, die Peter Weissenburger in der TAZ erzählt, nämlich der von Oprah Winfrey: Sie ist "Talkshowmoderatorin, erste schwarze Milliardärin der US-Fernsehbranche und gilt für viele als ideale Präsidentschaftskandidatin".
Und das, meint Weissenburger, liege "auch an ihrer neoliberalen Philosophie".
"Winfrey verkauft eine Erzählung von Fortschritt, ganz genau wie Donald Trump. Wobei Trumps Versprechen sich an die weiße Arbeiterklasse richtet und Winfreys an alle Individuen: Nimm dein Leben selbst in die Hand! Du hast die Macht, es zu verändern! Und so trägt auch Oprah Winfrey dazu bei, dass der wichtigste Trickbetrug in der Geschichte der US-Gesellschaft weiter funktioniert: Zu behaupten, dass es jede*r schaffen kann, und dabei zu verschweigen, dass es immer nur einige sein werden, die es schaffen."
... und dass nicht nur Liebeskummer ein Arschloch ist, sondern ganz offensichtlich auch der Fortschritt im Geschlechterverhältnis eine Schnecke, die bisweilen auch noch rückwärts kriecht.
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