Aus den Feuilletons

Was ist drin?

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Die grafische Darstellung zeigt einen Stern, der von einem massereichen Schwarzen Loch im Weltall eingesogen und zerrissen wird.
Die grafische Darstellung zeigt ein massereiches Schwarzes Loch im Weltall. Forschungsgegenstand der diesjährigen Physik-Nobelpreisträger. © picture alliance / dpa / Mark A Garlick, Universität Warwick
Von Ulrike Timm · 06.10.2020
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Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" begibt sich auf eine faszinierende Gedankenreise in Schwarze Löcher. Und würdigt die Nobelpreisträger für Physik dabei so ausführlich, wie man es sonst vor allem bei den Literatur-Preisträgern kennt.
Schwarze Löcher – "Je näher wir ihnen kommen, desto langsamer vergeht die Zeit" oder "unsere Erde wäre eines, wenn wir sie auf eine Kugel zusammenpressten, deren Radius etwa dem einer 2-Cent-Münze entspricht". So poetisch wird die Sprache der Wissenschaft, wenn die Physik versucht, die Grenzorte des Verstehens auszuloten.
Der diesjährige Nobelpreis für Physik würdigt die theoretische Erforschung Schwarzer Löcher und den Nachweis eines solchen Giganten im Zentrum der Milchstraße. Und die FAZ würdigt den deutschen Astrophysiker Reinhard Genzel und seine amerikanische Kollegin Andrea Ghez – ihnen gelang der Nachweis, dass solche Schwarzen Löcher existieren – indem sie uns Leser mitnimmt auf eine Gedankenreise und versucht, uns den Forschungsgegenstand der Wissenschaftler näher zu bringen.

Was ist in den Schwarzen Löchern?

Und zwar ohne den auch philosophischen Anspruch, den Überlegungen zu Schwarzen Löchern nun mal stellen, so mal eben mit Gewalt herunterzubrechen. Dank an Sibylle Anderl, auch für den Mut, Grundlagenforscher, denen der Nobelpreis für Physik vergeben wird, genauso ausführlich zu würdigen wie es bei den Nobel-Kollegen von der Literatur längst üblich ist. Auch wer nicht alles versteht, ist in der FAZ eingeladen zu einer faszinierenden Gedankenreise.
Und was ist nun drin in den Schwarzen Löchern? Das fragt jedes kluge Kind, und das fragt natürlich auch die FAZ. Antwort: "'Wir wissen es nicht. Sie repräsentieren die Grenze unseres physikalischen Verständnisses'. Eine Eigenschaft, die sicherlich einen Teil ihrer Faszination ausmacht."

Gewaltige Räume im Axel-Springer-Neubau

Plumpsen wir wieder aus dem All zurück auf unsere Erde. In Berlin gibt’s was zu gucken. Der Architekt Rem Koolhaas hat für den Axel Springer Verlag einen spektakulären Bau in die Stadt gepflanzt. Die WELT, deren Kollegen hier arbeiten werden, spricht von einem "zukunftsweisenden Funktionsbau". "Hinter der schwarzglänzenden Fassade und den kristallinen Fenstern öffnet sich ein Canyon mit Terrassen, offenen Galerien, aber auch versteckten Winkeln. Es ist ein Gebäude, das von seinen Nutzern entdeckt werden will – und sie herausfordert."
Die Süddeutsche Zeitung findet den Bau mit seinem grandiosen Atrium ebenfalls spektakulär, titelt aber durchaus zweideutig: "Luft nach oben". Die schicke Gitterarchitektur der schwarz glänzenden Fassade etwa habe keine glamourösen Gründe – sie spare schlicht Geld. Peter Richter sieht "alpinistisch herausfordernde Felsüberhänge" und meint: "Der Begriff der Bürolandschaft ist hier wörtlich genommen, und zwar sozusagen in den dramatischen Formen eines Nationalparks."
Das klingt spitzzüngig, und so ist es von der SZ auch gemeint. Denn es sei ein großes Rätsel, "was die Menschen in diesen gewaltigen Räumen eigentlich tun. Artikel verfassen? Nein, eher nicht", vermutet die SZ. Dafür eigne sich "wohl immer noch am besten das sogenannte Home Office."

Faszinierende Beckmann-Bilder in Hamburg

"Kein Schlüssel passt." Das wollen wir für den neuen Koolhaas-Bau nicht hoffen. Wir sind aber auch schon woanders, sind in Hamburg gelandet, wo die Kunsthalle einen ganz neuen, ganz besonderen, ganz einzigartigen Anlauf nimmt, um das Werk des Malers Max Beckmann zu ergründen. "Wie ambivalent war Max Beckmann in Bezug auf die Geschlechter?", fragt man in der Hamburger Kunsthalle.
140 Beckmann-Werke zeigen dann vor allem "brave Gattinnen, verruchte Dirnen, Damen und nackte Nymphen" – und die Bilder, meint die SZ, seien so faszinierend wie sehenswert. Bloß die aufdringlichen Interpretationen seien nervig, die "Thesenschau", die man veranstalte, um die angebliche geschlechtliche Ambivalenz des wohl doch eher männlich-knorrigen Malers zu beweisen.
"Über moderne Rollen- und Geschlechterbilder informiert man sich besser woanders", meint Till Brieglieb. Fazit also: Papiertigerthesen weg, Bilder gucken. Hilft öfter, als man denkt.
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