Serie: Frauen im Bauhaus – Eileen Gray

Ein Haus als Liebeserklärung

Von Marietta Schwarz · 03.01.2019
Architektin Eileen Gray hat nicht am Bauhaus gelehrt oder studiert, ihr Werk entwickelte sich aber parallel zum Neuen Bauen. Wie bei vielen Frauen wurde es aber weniger beachtet. Kollege Le Corbusier machte ihr Haus E.1027 zu einem Kampfplatz.
Südfrankreich, Cote d’Azur. Hier baute Eileen Gray Ende der 1920er Jahre ein Haus in die Felsen über dem Meer in Cap Martin-Roquebrune. Das E.1027. "Ein typisches Haus würde man sagen der 20er Jahre, geprägt vom Schiffsbau, sieht aus wie eine elegante Yacht, hat viel von dem was wir heute Bauhaus nennen. Große weiße Fassaden, große Fenster. Und wenn man genauer hinschaut, ist es aber was ganz anderes", erklärt Architekturkritiker Niklas Maak, "es ist eigentlich eine Liebeserklärung. Das Haus wurde gebaut von Eileen Gray für ihren Liebhaber Jean Badovici, der sehr viel jünger war als sie."
E.1027 - Das E steht für Eileen. Die 10 für den 10. Buchstaben im Alphabet, J, der Anfangsbuchstabe von Jean. Die 2 steht für das B wie Badovici und die 7 für das G von Gray. "Ihr Name mauert seinen ein", so Maak, "und das zeigt schon, dass das Haus eigentlich eine Romantikmaschine ist. Von außen klinisch kühl, wenn man hineingeht, merkt man, es geht um was ganz anderes. Die Räume werden, je tiefer man in das Haus geht, immer dunkler, und am Ende steht man in einem Schlafzimmer mit einer fast schwarzen tiefblauen Wand. Fast so, wie wenn man vom Haus aus ins Meer geht und schwimmt immer tiefer ins dunkelblaue Wasser hinein."
Befreundet war das Paar Gray/Badovici mit Le Corbusier. Er war ein berühmter Architekt, der die Architektin Gray auch als Konkurrentin begriffen haben muss. Eileen Gray war "eine Ausnahmefigur, in Paris berühmt, exzentrisch, in Cabriolets mit gezähmten Großkatzen durch Paris fahrend, eine flamboyante Frau, die für Le Corbusier auch eine Provokation darstellte. Denn Eileen Gray war ein Star und nicht die Frau, die nur da saß und den großen Architekten anhimmelte", so Niklas Maak. Le Corbusier hat an ihrem Haus E.1027 durchaus "eine Kritik an seinen formalen rationalistischen Prinzipien" gesehen, erklärt Maak, denn "es ist romantisch, postmodern fast schon. Diese Lässigkeit war etwas, das Le Corbusier auch enorm provoziert hat."

Wie eine Vergewaltigung des Hauses

Und dann macht Le Corbusier eines Tages alleine Urlaub in Eileen Grays E.1027. Und als Dank, wie er sagte, bemalte Le Corbusier die Wände der Villa mit nackten, teilweise abstrakten Frauenkörpern. "Es gibt berühmte Fotos, wo Le Corbusier splitterfasernackt mit einem riesigen Pinsel anfängt, nackte Frauenkörper auf dieses Haus zu malen. Und das ist natürlich auch in der feministischen Kunstgeschichte interpretiert worden als extrem sexueller Racheakt, geradezu eine Vergewaltigung dieses Gebäudes. Und dieser Akt das Haus zu übermalen, diesen Entwurf einer Konkurrentin zu übertünchen mit der eigenen Vorstellung von Körperlichkeit, ist natürlich von einer extremen Brutalität", so Maak.
Mit diesem Akt zerstörte er auch die Idee, dass das Haus eine Leinwand ist, erklärt Maak. Denn auf den weißen Wänden sollte das Sonnenlicht und der Schatten sein Schauspiel aufführen. "Diese leeren Flächen waren ja auch wichtig, weil es auch quasi bezog auf die Leere des Meeres, auf die Leere eines noch kommenden Lebens", erklärt Maak.
Als E.1027 vor einigen Jahren restauriert wurde, entschied man sich die Fresken von Le Corbusier zu bewahren. Nicht nur, weil sie wertvoll sind, sondern auch als Teil der Geschichte dieses Hauses.
Eileen Gray hat Le Corbusier nie verziehen und ihr Haus nie wieder betreten.
Mehr zum Thema