Neue Pop-Alben

Was man gehört haben muss - oder auch nicht

04:19 Minuten
Draufsicht auf einen jungen Mann, der gemütlich in einem Sessel sitzt und von einem Plattenspiele eine Platte hört.
Abgehört: Die neuesten Pop-Alben. Diesmal mit Pip Blom, Kishi Bashi und Sarah Connor. © Unsplash/Avi Naim
Von Oliver Schwesig · 31.05.2019
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Wer heute im Pop auffallen will, schreibt am besten Songs, die radikal aus der Zeit fallen. So wie Pip Blom aus Holland. Der US-Songwriter Kishi Bashi blickt in die Geschichte. Und Sarah Connor wäre gern echt - schafft es aber nur bis zum RTL-Level.

Pip Blom: "Boat"

Das Rolling Stone-Magazin schrieb über sie: "Sie sagt viel mit wenig." Es hat recht.
Lakonische Texte und lakonische Akkorde, ja. Aber es ist auch ein widerborstiges "Anschrammeln" gegen den Krach unserer Zeit. Während andere sich darin überbieten, wer am tiefsten die popkulturellen Weltthemen wie Selbstermächtigung und Diskriminierung durchdrungen hat, bleiben Pip Blom im Kleinen: Blicke nach Innen, Alltagsmomente und die Sache mit der Liebe. Das sind ihre Themen. Und alle Instrumente grummeln mit.
Pip Blom verbinden sich mit den Alternative-Klängen der 90er – die Breeders oder Nirvana fallen mir da ein. Komisch, 25 Jahre alt ist diese Art der Gitarrenmusik. Aber im Pop-Krach des Jahres 2019 klingt das herrlich erfrischend. Courtney Barnett hat dieses Feld bereits erfolgreich bestellt. Auf diesem Acker ist noch Platz für eine weitere Band: Pip Blom.

Kishi Bashi: "Omoiyari"

Der japanisch-stämmige US-Songwriter Kishi Bashi hat einen bemerkenswerten Werkzeugkoffer. Mit allerlei Technik vervielfältigt er seine Stimme und seine Geige. Seit 2012 macht er mit dieser Methode - und einem klugen Händchen für Harmonien - traumhafte, sinfonische Popmusik.
Der Titel von Kishi Bashis neuem Album ist ein japanisches Wort: "Omoiyari". Das kann man mit "Barmherzigkeit" übersetzen. Er ruft zu mehr Empathie auf und schaut dabei in die Geschichte.
Besonders auf die schweren Beziehungen zwischen seinen beiden Heimatländern, Japan und den USA, im Zweiten Weltkrieg. Es geht um das Elend japanisch-stämmiger Menschen in Internierungslagern in Kalifornien. Vom damaligen, amerikanischen Fremdenhass knüpft Kishi Bashi eine Verbindung zum Fremdenhass im heutigen Trump-Amerika. Und kommt zu einem Schluss: Nur Empathie und Versöhnung helfen. Das findet sich auch in der Musik wieder: Filmisch ziehen sonnige Pop-Landschaften am inneren Auge vorbei. Großartig.

Sarah Connor: "Herz Kraft Werke"

Kennen Sie die noch? Sarah Connor. In den 2000er Jahren war sie so was wie die deutsche Britney Spears. Auf den CD-Covern gab es lange blonde Haare und viel Haut zu sehen. Ein Jungstraum.
Seit ein paar Jahren singt Sarah Connor deutsch. Auf ihrem neuen Album "Herz Kraft Werke" - ja genau, drei Substantive: Herz, Kraft, Werke – wagt sie sich an große Themen: Homosexualität und Freundschaft; es geht darum, dass man mit dem Herzen sehen und auf den Bauch hören soll. Und die Connor von heute schmeißt sich natürlich selbstermächtigt für den Herzbuben in die Bresche: "Keiner pisst in mein Revier" - selbsterklärend.
Es fallen auffällig viele Schimpfworte. Soll vielleicht alles bißchen echter machen. Nützt aber nichts. Sarah Connor klingt wie eine schlechte weibliche Ausgabe von Xavier Naidoo. Mag sein, dass es Leute gibt, die ihre Soulstimme beeindruckt. Mich haut's nicht um. Da hilft dann der pathosbeladene Deutschpop-Gitarren-Piano-Balladen-Hymnen-Sound aus den 90ern auch nicht weiter.
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