Schorsch Kamerun über seine Inszenierung "M"

Vom Theater ins Radio

10:34 Minuten
Regisseur Schorsch Kamerun steht in der Volksbühne in Berlin, 17.06.2019.
Macht aus der Not eine Tugend: Schorsch Kameruns Musiktheaterinszenierung von "M" wird jetzt im Radio aufgeführt. Doch glücklich macht den Theatermann das nicht. © picture alliance/dpa/Jens Kalaene
Moderation: André Mumot · 16.05.2020
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Der Theatermacher Schorsch Kamerun verlegt seine Inszenierung von Fritz Langs "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" von der Residenztheater-Bühne ins Radio. Das Thema passt für ihn zwar zur Coronazeit - er sehnt sich jedoch nach dem normalen Theaterbetrieb.
Am kommenden Donnerstag sollte die Uraufführung von "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" in München Premiere haben. Fritz Langs Filmklassiker als gegenwartskritisches Musiktheaterprojekt von Musiker und Regisseur Schorsch Kamerun, auch bekannt als Sänger der Band Die goldenen Zitronen. Mit dabei: Komponistin Cathy van Eck. Doch Premieren haben es schwer im Augenblick – wenn man nicht neue kreative Wege beschreitet.

Eine verunsicherte Gesellschaft

Und so hat sich das Münchner Residenztheater kurzerhand zur Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk und dem Münchner Biennale-Festival für neues Musiktheater entschlossen und aus dem Bühnenwerk ein Tryptichon gemacht. Teil eins kommt nun als Hörspiel zur Uraufführung, das Schorsch Kamerun in Zeiten der Kontaktlosigkeit aus separat aufgenommenen Einzelschnipseln und Aufnahmen des Theaterensembles zusammensetzen muss. Eine ungewohnte Arbeit, die ihre eigenen ästhetischen Herausforderungen mit sich bringt.
Schorsch Kamerun, der Sänger der "goldenen Zitronen" am Mikrofon, 22.08.2019.
Schorsch Kamerun ist selbst auch als Musiker unterwegs - als Sänger von Die goldenen Zitronen.© imago/Carsten Thesing
"Ich würde sagen, dass das eine Simulation von Gemeinschaft ist. Das passt natürlich ein Stück weit gut zum Thema: Das ist das, was jetzt sowieso dazu kommt. Aber es ist natürlich das Gegenteil von Theater", berichtet Schorsch Kamerun. An Fritz Langs Film von 1931 über die kollektive Angst vor einem Kindermörder interessiere ihn gerade, dass "es auch schon genau darum geht, um diese Vorsicht, um die Ängste, um das Sich-möglichst-nicht-begegnen, um Schutzräume und so weiter. Und ich glaube, der Atmosphäre, die wir da erreichen wollen, tut das sogar ein Stück weit gut. Aber im Grunde genommen ist das auch zum Verzweifeln."

Ein bestimmtes Gefühl über den Umgang mit Sicherheit

Der virtuelle Arbeitskontakt bei Proben habe eben seine Grenzen. "Das wusste ich schon seit Skype", sagt Schorsch Kamerun. "Nach dem Auflegen erlebt man so eine gewisse Enttäuschung, weil eben die Sinne gar nicht voll eingesetzt waren."
Das "M", das im Titel für den Mörder steht, lässt sich für den Regisseur aber auch auf die Stadt anwenden, in der die eigentliche Premiere stattfinden sollte. "Man weiß ja auch, dass München Stadt der Sicherheitskonferenz ist, damit auch eine besondere Stadt. Das kenne ich schon aus jugendlichen Erlebnissen, dass man dort ein bestimmtes Gefühl hat vom Umgang mit Sicherheit." Man habe nun auch in der Corona-Zeit erlebt, "dass Bayern mit Markus Söder sehr scharf vorgeprescht ist".

Ohne Not die Ruhrtriennale abgesetzt

Die Einschränkungen fürs Theater beobachtet Schorsch Kamerun dabei kritisch und kommt auf das Beispiel der abgesagten Ruhrtriennale zu sprechen. In NRW, wo es Theatern nun wieder möglich sein soll, in reduzierter Form zu spielen, "hat man sehr, sehr schnell und ohne Not die Ruhrtriennale abgesagt. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass da jemand qua einer Unbequemlichkeit, die die Ruhrtriennale auch mit ausmacht (…), sehr früh gesagt hat: Hier, lasst uns mal lieber absagen."
Schorsch Kamerun hält das, wie er sagt, "geradezu für einen großen Skandal. Man hat überhaupt nicht mit den Künstlern kommuniziert, nicht wirklich mit der Leitung kommuniziert, sich nicht über Lösungen Gedanken gemacht", obwohl gerade das Festival selbst dies getan habe. "Da wurde nicht zugehört und sehr autoritär sehr schnell gesagt: Das findet nicht statt! Also, da muss man sich fragen, ob man das auch mit Volkswagen so machen würde."
(amu)
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