Hotelier Urs Kienberger

Humorist, Diplomat und Einzelgänger

33:41 Minuten
Hotel Waldhaus in Sils (Schweiz).
Beliebt bei Künstlern und Intellektuellen: Hotel Waldhaus in Sils (Schweiz). © imago images / Volker Preußer
Moderation: Britta Bürger · 09.08.2023
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Urs Kienberger ist der Kopf einer Schweizer Hotelier-Dynastie. Seine Familie führt das Luxushotel "Waldhaus" inzwischen in der fünften Generation. Das Geld war oft knapp. Prominente Gäste dagegen nicht.
Selbst seine Urgroßeltern hätten wohl kaum Probleme, ihr Hotel wiederzuerkennen. Noch heute erscheint das "Waldhaus" von außen wie eine Burg, von innen ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Das Mobiliar, die Kronenleuchter, der Musiksalon im Empire-Stil - so erlebten schon die Generationen vor Urs Kienberger das Fünfsterne-Haus im Engadin.

290 Nachttöpfe im Inventar

Und doch hat sich seit den Urgroßeltern natürlich einiges verändert. "Den Spa würden sie nicht wiedererkennen", ist sich der Hotelier Kienberger sicher: "Die Nachttöpfe würden Sie wahrscheinlich nicht vermissen. Ich stelle mir das nicht unbedingt lustig vor. Es gab im Inventar von 1908 290 Nachttöpfe. Wenn man sich vorstellt, was mit denen passiert, am Morgen, beim Aufräumen."
Der Hotelier Urs Kienberger (rechts) mit seinem Schwager Felix Dietrich und seiner Schwester Maria.
Hotelier Urs Kienberger: "Das Spannungsverhältnis ist ganz interessant."© Copyright: Guido Schmidt
Die Patina des Hauses prägt bis heute dessen Charakter, findet Kienberger. Dennoch haben sich viele Dinge nicht aus Nostalgie heraus erhalten. Knappe Finanzen waren oftmals der Grund:
"Wir hatten nie zu viel, meistens zu wenig Geld. Das passt eigentlich nicht zu fünf Sternen. Aber das Spannungsverhältnis ist ganz interessant."

Unpraktisch und menschenfremd

Dass Urs Kienberger den Familienbetrieb in vierter Generation - zusammen mit Schwester und Schwager - 25 Jahre geleitet hat, war nicht unbedingt abzusehen:
"Ich bin eigentlich ein Einzelgänger. Ich bin nicht unbedingt praktisch, sogar gar nicht praktisch. Ich habe mal 16 Gläser fallen lassen. Dann hat man mir lange Zeit keine Gläser mehr in die Hand gegeben. Jedenfalls mit 18, mit 20 habe ich gedacht, so unpraktisch, so menschenfremd, da kannst du hier nicht viel beitragen."
Urs Kienberger verließ das Hotel, studierte Volkswirtschaft, ging in die USA, arbeitete später in einer Bank. Mit 37 Jahren kehrte er ins "Waldhaus" zurück, "als ich nicht weltgewandt, aber weltgewandter geworden war".
Noch immer nicht der Praktiker, kümmerte sich Urs Kienberger besonders um die Atmosphäre im Haus. Er findet es schade, wenn ein Hotel "nur funktioniert".

Künstler und Intellektuelle

Künstlern und Intellektuellen scheint das bis heute zu gefallen. Gäste wie Theodor Adorno, Hermann Hesse oder Jonathan Meese kamen und kommen immer wieder. Der französische Regisseur Claude Chabrol drehte hier einen Film, der Theatermacher Christoph Marthaler nutze das "Waldhaus" als Bühne.
Der Hotelier Urs Kienberger steht im Luxushotel "Waldhaus" vor einem selbstspielenden Piano.
Selbstspielendes Piano im Hotel "Waldhaus": Nur ein Beispiel für die historische Atmosphäre des Hauses.© picture alliance / dpa / Udo Bernhart
Vielleicht, so vermutet Urs Kienberger, hänge das ja mit Friedrich Nietzsche zusammen. Der Philosoph verbrachte viele Sommer in Sils Maria: "Der hat Sils irgendwie diesen Touch gegeben. Und dann verstärkt sich das von selber, der eine kennt den anderen. Ich denke aber auch, es hat mit der persönlichen Aufnahme zu tun. Sehr viele Gäste, ob sie prominent sind oder nicht, fühlen sich hier aufgehoben, weil sie persönlich wahrgenommen werden."

Diplomat und Humorist

Bekannten Persönlichkeiten das Gefühl zu geben, im "Waldhaus" am richtigen Ort zu sein, sie vor allzu neugierigen Blicken zu schützen, das zählt zu den besonderen Herausforderungen für Urs Kienberger. "Ich habe eine Standardantwort, wenn jemand wieder mal fragt: Ist das nicht der und der? Dann sage ich: Der gleicht ihm sehr, nicht wahr?"
Der 68-Jährige erscheint als Diplomat und Humorist zugleich. Das Leben im "Waldhaus", so Kienberger, hinterlasse seine Spuren: "Wir nehmen sehr ernst, was wir machen, aber es sollte nicht immer ernst daherkommen."
Seit 2014 wird das "Waldhaus" nun von der fünften Generation geführt. Wer übrigens die alten Nachtöpfe von 1908 sehen möchte, der wird sie im kleinen Museum des Hotels finden.
Urs Kienberger spricht diesbezüglich spöttisch von einem "Abstellraum": "Wir wollten es nicht als ernstes Museum präsentieren." Egal, auf welche Bezeichnung man sich letztlich einigt - die Führung übernimmt der Hotelier gern.
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