Aus den Feuilletons

Von Meldungen und Bierflaschen

Das Bild zeigt einen Grafiti-Schriftzug auf einer Häuserwand: Lügen-Medien!
Grafitti auf einer Berliner Häuserwand. © picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg
Von Paul Stänner · 28.10.2018
Was passiert, wenn AfD-Anhänger auf ihren Lieblingsfeind treffen: das öffentlich-rechtliche Fernsehen? Dessen Chefredakteure stellten sich der Konfrontation. Und wurden ausgelacht, wie das Feuilleton der TAZ berichtet.
Am Samstag wurde der Schriftstellerin Terézia Mora der Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung überreicht, und für viele Feuilletons von Montag ist in gewisser Weise noch immer Festtag. Es wird gemeldet und gewürdigt, je nachdem, wieviel Platz zur Verfügung steht. Und niemand hat Einwände gegen die Preisträgerin.
Auch wir haben keine Einwände, möchten aber, bevor sie im Alltagsgeschäft des Kulturlebens untergeht, noch einmal eine zentrale Passage aus Terézia Moras Rede betonen: Sie sei enttäuscht, sagte sie, weil in den drei Monaten, die zwischen Preisverkündung und -verleihung ins Land gegangen seien "[sich] die öffentliche wie die private Rede in eine Richtung radikalisiert hat, die uns zu Recht 'besorgt' sein lässt. Früher konnte ich sagen: Hetzerisches Reden findet in Deutschland wenigstens nicht auf Regierungsebene statt. Das kann ich so nicht mehr. Der Fisch stinkt vom Kopf her, aber, machen wir uns nichts vor, auch überall anderswo."
Da hat sie wohl recht und unter der Hand ein Thema benannt, bei dem sich Schriftsteller mit ihrer besonderen Kompetenz ins Gefecht drängen könnten.

Langjährige Verletztheit wegen Rezension

Stattdessen, auch dieses berichtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE, stritten sich im Rahmenprogramm der Preisverleihung Schriftsteller und Kritiker über Aufgabe und Zukunft der Literaturkritik. Den Auftakt der Debatte machte Friedrich Christian Delius, der eine 24 Jahre alte Rezension, die gegen einen seiner Romane geschrieben worden war, zerpflückte und Satz für Satz in allen Fehlern und Borniertheiten auseinandernahm.
Statt zu würdigen, dass Delius einen offenbar miesen Text geschreddert hat, nimmt der FAZ-Autor die langjährige Verletztheit von Delius als Hinweis, dass diese mangelhafte Kritik vielleicht doch eine gute Kritik gewesen sei. Soll es heißen: Je verletzender, desto besser?
Offensichtlich ist noch an den Maßstäben zu feilen. Dann wird Martin Pollack, der den Preis für literarische Kritik und Essay erhielt, mit einem Appell zitiert: "Wir müssen Widerstand leisten", dankredete er und wies darauf hin, "dass der Westen vor seiner schwersten Krise stehe und im Begriff sei, die höchsten Güter der Demokratie, (nämlich) Meinungsfreiheit und unabhängige Justiz, zu verlieren."
Das führt uns zum nächsten Thema: Die TAGESZEITUNG taz berichtet unter dem Titel "Waffengleichheit" über die Debatte, die die Chefredakteure von ARD und ZDF mit Anhängern der AfD geführt haben. Peter Frey vom ZDF zitierte eine Statistik, nach der in Nachrichtensendungen seines Hauses die AfD am zweithäufigsten unter den Oppositionsparteien erwähnt wird.

AfD gegen ARD und ZDF

Ob Frey so mit der gängigen Unterstellung aufräumte, die Öffentlich-Rechtlichen seien regierungsgesteuert, darf bezweifelt werden. Es schreibt die taz: "Gniffke und Frey verlangten allerdings auch Respekt vor den Berichterstattern – während das Publikum Hinweise auf die Übergriffe gegen Journalisten auslachte".
Woraus man ersehen kann, dass beide Parteien von dem Begriff Waffen sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten: die einen bringen Meldungen on air, die anderen lieber Bierflaschen.
In der bekennend konservativen NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG versucht Jörg Scheller, ein Musiker, Bodybuilder und Dozent für Kunstgeschichte und Kulturtheorie, den Begriff konservativ durchzuspielen, um ihm eine saubere Definition und eine zukunftsweisende Aufgabe zuzuordnen. Er zählt auf: "Es gibt konservative Umweltschützer, die die Natur bewahren wollen. Es gibt konservative Menschenrechtler, die eine egalitäre Rechtsauffassung bewahren wollen. Es gibt konservative Linke, die den Sozialstaat bewahren wollen."

Konservativ contra regressiv

Dem entgegen stünden Leute wie Donald Trump oder Steven Bannon, die man nicht als Konservative bezeichnen könne, sondern als - Zitat - "aggressive Regressive".
Anders als das "Aggressiv-Regressive" zeichne "eine Doppelbewegung das Konservative aus: Um das Grundlegende zu achten und das Bewährte zu bewahren, müssen diese immer wieder aufs Neue überdacht und neu gedacht werden. Konservative bauen deshalb Brücken, die im Wind schwingen. Regressive bauen Luftschlösser aus Stahlbeton", so Scheller in der NZZ.
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