Anschläge in Afghanistan

Ein tödlicher Tag für den Journalismus

Sicherheitspersonal in der afghanischen Hauptstadt Kabul sperrt nach einer Bombenexplosion die Straße.
Viele Anschläge seit dem Jahreswechsel: Hier sperrt Sicherheitspersonal in der afghanischen Hauptstadt Kabul nach einer Bombenexplosion im März die Straße © AFP / WAKIL KOHSAR
Mirco Günther im Gespräch mit Liane von Billerbeck und Hans-Joachim Wiese · 30.04.2018
Der jüngste Anschlag in Afghanistan gehört zu einer beunruhigenden Serie seit dem Jahreswechsel. Mirco Günther, Leiter des Kabuler Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, erklärt, wie gefährlich auch die Arbeit von Journalisten im Land ist.
In Kabul hat sich ein Selbstmordattentäter in der Nähe der US-Botschaft und des Nato-Hauptquartiers in die Luft gesprengt. Als dann Rettungskräfte zu Hilfe eilten und auch Reporter, sprengte sich ein zweiter Terrorist in die Luft, als Reporter verkleidet. Mindestens 25 Menschen starben, unter ihnen bis zu zehn Journalisten. "Das ist ein ganz schwarzer Tag für den Journalismus in Afghanistan", sagt Mirco Günther, Leiter des Kabuler Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Und es ist sein tödlichster Tag seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001."
"Wir haben eine gewisse Afghanistan-Müdigkeit in der öffentlichen Debatte in Deutschland", konstatiert er. "Wir sprechen vor allem dann über Afghanistan, wenn es zu Anschlägen kommt oder zu Abschiebeflügen, und ansonsten relativ wenig über den Kontext des Konfliktes."

Arbeiten mit unfassbarem Mut

Das Leben und Arbeiten in Afghanistan ist gefährlich, fast jeder sei in den vergangenen Jahren mit Anschlägen in Berührung gekommen, erzählt Günther. Zwar sei die Freiheit und Pluralität der Medienlandschaft in Afghanistan im regionalen Vergleich durchaus beachtlich, doch die Menschen, die diese Arbeit machten, setzten sich enormen Gefahren aus - nicht nur, weil sie unmittelbar Ziel werden könnten, sondern auch, weil sie oft die ersten am Ort des Geschehens seien. "Sie machen ihre Arbeit mit unfassbarem Mut", sagt er. Der perfide Doppelanschlag habe viele emotional getroffen. Doch deutschsprachige Journalisten seien fast gar nicht mehr am Ort, sie erledigten ihre Arbeit in Korrepondenten-Büros in den Nachbarländern wie Pakistan.
Erst kürzlich hatten die Taliban eine "Offensive" angekündigt. Zum aktuellen Anschlag hatte sich jedoch der sogenannte Islamische Staat (IS) bekannt. "In der Häufung und die Dichte der Anschläge seit Januar sehen wir eine Entwicklung von noch dramatischerer Qualität als in den Vorjahren", schätzt Günther ein. Gruppen des IS und der Taliban lieferten sich einen regelrechten Wettkampf, sagt er.
(inh)
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