Prostituiertenschutz

Gesetzesmüh' für Sexarbeit

Eine Prostituierte steht vor einem Bordell in Flensburg.
Eine Prostituierte steht vor einem Bordell in Flensburg. © pa/dpa/Christians
23.03.2016
Unfreiwillig komisch findet die Berliner Journalistin Simone Schmollack die Gesetzesnovelle zum Schutz von Prostituierten. Denn: Damit soll nun offenbar ein Gewerbe geregelt werden, das sich weitestgehend selbst reguliert.
Ein helles Büro mit Teppichboden, in dessen Mitte ein Schreibtisch, darauf eine Topfpflanze. Im Hintergrund ein Panzerschrank, darin Personalunterlagen. Es klopft, eine Angestellte kommt herein. Sie möchte einen Blick ins Betriebskonzept werfen. Doch die Chefin wehrt ab. Sie müsse erst noch das Programm für die nächste Veranstaltung schreiben.
So stellt man sich eine gutgeführte Behörde vor, vielleicht auch das Personalbüro eines großen Autohauses oder die Zentrale einer, sagen wir mal, Modelagentur. So könnte es künftig aber auch in einem deutschen Bordell zugehen. Jedenfalls entstehen solche Bilder beim Lesen des Gesetzentwurfes zum Schutz von Prostituierten.

Bestimmungen entbehren nicht der Komik

Zäh haben Union und SPD im Bundestag um das Papier gerungen, das am Ende einer unfreiwilligen Komik nicht entbehrt. Beispielsweise, indem es von Betreibern der Rotlicht-Betriebe verlangt, typische organisatorische Abläufe zu beschreiben.
Eine Musterauskunft ließe sich vielleicht so formulieren: 'Morgens um 8 Uhr öffnet unsere Prostitutionsstätte. Die ersten männlichen Kunden kommen gegen 9. Sie trinken einen Kaffee und plaudern mit Angelique, Vera oder Olga. Dann entscheiden sie sich für eine unserer Mitarbeiterinnen und mieten ein Zimmer bei uns.
Angemerkt sei, dass es sich bei den Vornamen der Frauen um selbst gewählte Künstlernamen handelt, die keinesfalls auf eine Herkunft schließen lassen. Wir versichern, keine Zwangsprostituierten aus Osteuropa zu beschäftigen.'

Gesetzentwurf macht mit Prostituiertenschutz ernst

Dieser Gesetzentwurf meint es ernst. Er hat tatsächlich den Anspruch, Frauen und Männer, die ihr Geld mit ihrem Körper verdienen, besser schützen zu wollen. Er macht Schluss mit Flatrate-Sex. Verpflichtet Prostituierte, sich anzumelden und sich regelmäßig gesundheitlich beraten zu lassen.
Das Betreiben von Bordellen muss behördlich genehmigt werden, Freier müssen Kondome benutzen. Mit Paragraphen wird also versucht, ein Gewerbe zu regeln, das sich weitestgehend selbst reguliert.
Möglicherweise könnte das Gesetz auf Sex-Unternehmer abschreckend wirken. Denn um die Paragrafen zu verstehen, dürften sie künftig Abitur brauchen. Die Autorinnen und Autoren des Papiers lieben es sprachlich nämlich höchst kompliziert. Zum Beispiel so:
"Ist (...) nicht klar erkennbar, ob lediglich ein Rahmen für wechselseitige sexuelle Kontakte unter den Veranstaltungsteilnehmenden ohne Erwartung einer Gegenleistung geschaffen wird oder ob es sich um durch die Veranstalterin oder den Veranstalter oder durch Teilnehmende bezahlte Dienstleistungen handelt, kann in Zweifelsfällen auch der typische Erwartungshorizont szenekundiger Veranstaltungsteilnehmender herangezogen werden."

Sex-Events werden gender-korrekt reguliert

Was soll das? Und wer etwa eine sogenannte Prostitutionsveranstaltung plant, hat den Behörden zu erklären, was wann wo und wie passieren soll. Aber was genau ist eine Prostitutionsveranstaltung? Ein Abend mit Bondage-Sex-Show oder eine Domina-Performance, vielleicht ein Event mit Go-go-Girls?
Eines muss man dem Papier aber lassen: Es ist politisch korrekt "durchgegendert". Da ist von Veranstalterinnen und von Veranstaltern ebenso die Rede wie von Teilnehmenden. Zumindest sprachlich ist die Prostitution damit aus der Schmuddel-Ecke geholt und auf Universitätsniveau gehoben worden: Safer-Sex honoris causa.

Simone Schmollack, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch". Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin und Smolensk.

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