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Reform des Prostitutionsgesetzes
Heikle Mission im Rotlicht-Milieu

Die Bundesregierung will die Arbeit von Prostituierten in Deutschland menschenwürdiger gestalten. Mit dem Verbot sogenannter Gang-Bang-Partys, neuen Strafgesetzen, verpflichtenden Gesundheitsberatungen und einer Kondompflicht. Die Betroffenen sehen des Vorhaben skeptisch. Und wer das alles kontrollieren soll, ist auch noch unklar.

Von Barbara Schmidt-Mattern und Gudula Geuther | 26.02.2015
    Eine Prostitutierte steht am 18.02.2014 in der Dudweiler Landstraße in Saarbrücken (Saarland).
    Eine Prostituierte auf dem Straßenstrich in Saarbrücken (dpa / Oliver Dietze)
    "Bist Du alleine? Dürfen wir mal reinkommen?"
    Ulla Haus ist die Wirtschafterin im Bordell Nummer Acht in der Dortmunder Linienstraße, gleich hinter dem Hauptbahnhof. Die 50-Jährige – schlank, Kurzhaarschnitt, Pulli, Jeans – steckt den Kopf zur Tür rein, ein prüfender Blick ins rot-schummerige Domina-Zimmer.
    "Das wäre jetzt zum Beispiel das Zimmer von unserer Nicole. So sieht das aus. Gucken Sie sich in Ruhe um."
    Eine schmale Bettcouch, auf dem Tischchen daneben Utensilien für die Freier, an der Wand hängt Lederspielzeug. Neben der Wirtschafterin steht Nicole: 26 Jahre, wasserstoffblonde Mähne, dicker schwarzer Kajal um die Augen. Nicole ist hübsch, aufgekratzt und lächelt:
    "Also ich bin zufrieden, ich kann mich nicht beschweren. Das kommt darauf an, wie jede Frau vom Service her so ist ..."
    "Mädchen, die schon lange hier sind, haben ja auch in der Regel Stammgäste, und dann geht das eigentlich."
    Nicoles Nachmittags-Schicht fängt gleich an. Wie viele Freier die junge Frau pro Tag empfängt, will sie nicht sagen, auch nicht, wie viel sie verdient und aus welchem Land in Südosteuropa sie stammt. Seit über sechs Jahren prostituiert sich Nicole in Haus Nummer Acht, das Geld schickt sie nach Hause in die Heimat. Zwischen den Herrenbesuchen übt sie Deutsch mit Ulla. Die Wirtschafterin ist "Mama für alle. Also ich versuche aber auch, das hier ein bisschen familiär zu gestalten, damit die Mädchen sich auch wohlfühlen."
    Zwangsprostitution und Menschenhandel fänden bei ihr nicht statt, sagt Ulla Haus. Sie sieht keinen Zusammenhang zwischen den brutalen Auswüchsen im Gewerbe und dem Prostitutionsgesetz, mit dem die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahre 2002 die sogenannte "Sex-Arbeit" in Deutschland erstmals legalisierte. Raus aus der Schmuddelecke, hin zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit Steuernummer und Krankenversicherung, so lautete damals das Ziel. Manches sei dadurch für die Frauen tatsächlich besser geworden, sagt Ulla Haus:
    "Die brauchen nicht mehr verstecken, dass sie Prostituierte sind. Also bei manchen Sachen immer noch, aber bei vielen Sachen ist es für die Frauen einfacher geworden. Vor zehn Jahren wären sie zur Bank gegangen und hätten ein Konto eröffnen wollen und hätten angegeben, Wohnsitz Linienstraße - keine Chance. Heute geht das."
    Unterschiedliche Vorstellungen bei Union und SPD
    Unten, im mollig warmen Kellergeschoss des Bordells, ist der Aufenthaltsraum: Hier kocht Ulla Haus den Frauen Russischen Eintopf mit sauren Gurken. Am runden Esstisch mit Blümchen-Plastikdecke wird geklönt und geraucht. Gefragt, was die Frauen nervt, muss Ulla Haus grinsen:
    "Einiges! Es heißt ja, es ist ein normaler Beruf, die zahlen auch Steuern jeden Tag. Wenn sie aber eine Krankenversicherung abschließen wollen, dann geht's schon los. Prostituierte...wenn überhaupt, zu horrenden Preisen, aber man muss auch erst mal eine Krankenkasse finden, die die Prostituierten versichert. Denn, spätestens, wenn es dann zum Schlusspunkt kommt, heißt es, ach nee, doch nicht."
    Anderen geht die Legalisierung der Prostitution bis heute gegen den Strich: Die Republik sei, real und im Internet, zum "Bordell Deutschland" mit unkontrolliertem Flatrate-Sex verkommen, und zum Dorado für internationale Menschenhändler. Dass die Opferzahlen zugenommen haben, ist unter Befürwortern und Gegnern der Prostitution Konsens. Die Gründe dafür sind indes heftig umstritten. Alice Schwarzer, sowie einige christlich geprägte Politiker und Hilfsorganisationen sehen die Wurzel des Übels in der Legalisierung und argumentieren, dass keine Frau sich freiwillig prostituiere. Achim, der seit 15 Jahren ins Bordell geht und ansonsten anonym bleiben möchte, beschreibt das Dilemma der ganzen Diskussion:
    "Freiwilligkeit ist immer auch die Frage der wirtschaftlichen Notwendigkeit. Wenn ich wirtschaftliche Notwendigkeit hab, dann mach ich jeden Job. Dann geh ich Klos putzen oder sonst was, egal, Hauptsache, ich verdien mein Geld. Ob mir das dann Spaß macht oder nicht, sei mal dahingestellt."
    Ähnlich sieht es auch Edda Schneider-Ratz. Die Kölner Anwältin vertritt seit Jahren Zwangsprostitutions-Opfer:
    "Ich denke, Prostitution verstößt gegen die Menschenwürde in jeglicher Form, und andere Länder haben uns gezeigt, es ist möglich, Prostitution zu verbieten, Freier zu bestrafen. Ich glaube, daran sollten wir uns ein Vorbild nehmen und so handeln."
    Ein Verbot ist nicht in Sicht, doch die Regierungsfraktionen von SPD und CDU/CSU in Berlin haben sich nach monatelangem Ringen jetzt endlich auf eine Reform des Prostitutions-Gesetzes geeinigt. Anfang Februar stellte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, SPD, die Eckpunkte vor. Eines der wichtigsten Ziele scheint erreicht: Bordellbetreiber werden künftig eine behördliche Genehmigung brauchen, und sie müssen sich einer sogenannten Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Für die Freier ist derweil eine Kondompflicht vorgesehen. Auch die Prostituierten selbst stehen durch eine neue Meldepflicht und medizinische Beratung - stärker unter Kontrolle. Das lange diskutierte Mindestalter für Prostituierte von 21 Jahren ist derweil vom Tisch. Die Details des Gesetzentwurfes waren zwischen SPD und CDU/CSU lange umstritten. Aber einig sind sich beide Koalitionäre darin, dass sie bessere Arbeitsbedingungen für die Frauen erreichen wollen, und härtere Strafen im Kampf gegen Ausbeutung und Menschenhandel. Dafür gibt es Lob auch aus den Bundesländern, zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen:
    "Also ich glaube schon, dass die Ministerin Schwesig wirklich bemüht ist, ein Gesetz zu machen, das in die richtige Richtung geht, und dass sie auch versucht, viel von dem, was an Erkenntnissen vorhanden ist, aus den Ländern mit einfließen zu lassen."
    Barbara Steffens, Grünen-Politikerin und Frauen-Ministerin im rot-grünen Landeskabinett in Düsseldorf. NRW mit seinen vielen Großstädten ist von den gravierenden Entwicklungen im Rotlicht-Milieu – fehlender Sicherheit, Ausbeutung und immer mehr Armutsmigration – besonders stark betroffen, vor allem das Ruhrgebiet. Beim Thema Prostitution hat zwar allein der Bund als Gesetzgeber das Sagen, doch die Verschärfungen, die im neuen Prostitutionsgesetz geplant sind, – etwa die Meldepflicht oder Gesundheitstests – müssen die Länder und Kommunen künftig nachprüfen und umsetzen. Eine schwierige Aufgabe, und so stoßen die Details der Reform in NRW, wie auch in anderen Bundesländern, durchaus auf Kritik: Verpflichtende Gesundheits-Beratungen, Anmeldepflicht, Kondompflicht – wer soll das alles kontrollieren, so die pikierte Frage aus Düsseldorf. Von einer "drohenden Prostitutions-Bürokratie" ist die Rede. Dass eine Reform nottut, darüber sind sich Bund und Länder indes einig. Denn das rot-grüne Prostitutionsgesetz sei damals zwar gut gemeint gewesen, aber auf halbem Wege stehen geblieben, so kritisiert Claudia Zimmermann-Schwartz, Expertin im Düsseldorfer Frauenministerium:
    "Es hat die Prostitution aus der Sittenwidrigkeit herausgeholt, aber es hat keine flankierenden Regelungen gemacht. Und das hat natürlich dazu geführt, dass es jetzt Großbordelle gibt. Diese Betreiber haben überhaupt kein Interesse an Menschenhandels-Opfern, das würde ihnen das Geschäft verderben, aber es ist so etwas wie entfesselter Kapitalismus, und hier brauchen wir dringend Vorgaben."
    Neuer Straftatbestand für Freier
    Gisela Zohren von der Dortmunder Beratungsstelle Mitternachtsmission sieht noch eine zweite Ursache für die oftmals schlechten Arbeitsbedingungen der Prostituierten, nämlich die ausufernde Armutsmigration. Seit der EU-Osterweiterung sei der Konkurrenzdruck unter den Frauen extrem gestiegen, sagt die Sozialarbeiterin:
    "Dadurch sind sie natürlich auch wieder gezwungen, mehr Kunden am Tag zu bedienen, um auf eine gewisse Summe zu kommen. Die Frauen verdienen ja kein Vermögen mehr, wie so häufig in der Presse geschrieben wird, sondern die müssen ja sämtliche Kosten selbst tragen, sei es beim Vermieter, wo sie untergekommen sind. Sie müssen Steuern zahlen, in Dortmund sind das immerhin 16 Euro Minimum am Tag. Also die müssen teilweise erst mal tausend Euro im Monat verdienen, nur für die Kosten, die ihnen tagtäglich entstehen."
    Zwangsprostitution und Menschenhandel haben in Dortmund in den letzten Jahren massiv zugenommen, was Fachleute vor Ort wiederum mit der Armutszuwanderung begründen. Sie hat seit der Osterweiterung massiv zugenommen. Regelmäßig muss das Ordnungsamt bis heute in die Nordstadt ausrücken, weil vor allem drogenabhängige Frauen weiter ihre Dienste auf der Straße anbieten. Und die Freier? Manche werden übergriffig oder unverschämt. Es gibt aber auch Männer, die Hinweise liefern, wenn sie mit einer Zwangsprostituierten in Kontakt kommen. Wolfgang, ein Freier, der mit seinem Freund Achim am Runden Tisch im NRW-Frauenministerium teilgenommen hat, fordert mehr Differenzierung:
    "Es wird viel auf die Zwangsprostitution abgelenkt, das als Schlagwort genommen, dass das Ganze dermaßen böse und illegal ist. Dabei ist Zwangsprostitution mit Sicherheit etwas Schlimmes, und das gehört bekämpft. Aber dafür brauchen wir eigentlich keine neuen Gesetze, dafür haben wir Gesetze, die ausreichen, wenn man sie befolgt."
    Die Große Koalition sieht das anders, und sie nimmt in ihrem neuen Gesetzentwurf durchaus auch die Freier ins Visier. Schon im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, gegen solche Männer vorzugehen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Zwangsprostitution ausnutzen. Was das allerdings heißt, ist umstritten. Denn, so Familienministerin Manuela Schwesig:
    "Bei der Freierbestrafung gibt es ein Problem, das muss man ganz offen sagen, dass uns die Verfolgungsbehörden sagen: Wir wissen oft nur von den Freiern, dass die Frau in der Lage und Situation von Zwangsprostitution ist. Und wenn ihr die jetzt bestraft, dann haben wir die vielleicht als Quelle nicht mehr – das müssen wir miteinander abwägen."
    Deshalb war Schwesigs Partei, die SPD, lange skeptisch, ebenso wie das in dieser Frage zuständige Justizministerium. Während die Union und ihre Berichterstatterin für das Prostituiertenschutzgesetz, Nadine Schön, auf Strafe drängen:
    "Die Freier ganz außen vor zu lassen in den offensichtlichen Tatbeständen von Menschenhandel und Zwangsprostitution, das leuchtet mir nicht ein."
    Wer hilft, soll straffrei bleiben, soweit immerhin sind sich die Fachpolitiker einig, nicht aber über die konkrete Gestaltung eines möglichen Straftatbestandes. Die Verhandlungen dazu laufen und sollen in ein eigenes Gesetz münden. In den schwierigsten Fragen, die sich im Rahmen des Hauptgesetzes, des Prostituiertenschutzgesetzes, stellen, hat man sich dagegen geeinigt. Da geht es ausdrücklich nicht um Zwangsprostitution. Stattdessen sollen diejenigen besser geschützt werden, die sich legal prostituieren. Wobei auch da Zwang im Spiel sein kann, betont Nadine Schön.
    "Wir haben zurzeit sehr ausbeuterische Zustände, dass sehr viel Druck im Milieu ist, dass die Preise sinken und dass die Frauen unter einem sehr großen Druck stehen."
    Die meisten Experten gehen davon aus, dass in diesem Sinn nur ein Bruchteil der Prostituierten freiwillig im Gewerbe ist. Zwangsprostitution sei das aber nicht. Auch könne man solche Art der Prostitution nicht verbieten, betont SPD-Fraktionsvize Carola Reimann.
    Maßnahmen gegen Zwangsprostitution
    "Ich glaube nicht, dass wenn man das verbietet und die Prostitution verbietet, dass die Prostitution weg ist, sondern die ist dann in einem Bereich, der nicht mehr kontrollierbar ist. Deshalb möchten wir so viel wie möglich im Hellfeld sehen, deswegen möchten wir, dass Stätten der Prostitution strenger reguliert werden als heute. Aber eben nicht, dass Prostituierte in die Illegalität abgedrängt werden und dann niemand mehr zugänglich sind und auch völlig schutzlos sind."
    Klare Regeln – die sollen mit demProstituiertenschutzgesetz geschaffen werden und die sind für SPD-Vize Carola Reimann auch dringend nötig:
    "Die Erlaubnispflicht ist so der Dreh- und Angelpunkt dieses Gesetzes. An die Erlaubnispflicht kann man Mindeststandards des Betriebs, an die Räume, an die Hygiene, an die Arbeitsbedingungen knüpfen - das werden wir auch tun."
    So sollen auch Verbote menschenverachtender Praktiken durchgesetzt werden – Flatrate-Sex etwa oder sogenannte Gang-Bang-Partys, bei denen eine Frau gleichzeitig mehrere Freier sexuell bedienen muss. Dafür, sagt die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann, müssen Polizei- und Ordnungsbehörden auch das Recht haben, die Bordelle zu betreten und zu kontrollieren. Auch um sicherzustellen, "dass die zugehende soziale Arbeit nicht nur darauf angewiesen ist, dass der Bordellbetreiber sie lässt. Mir werden immer wieder Dinge berichtet, dass dann eben auch die das Haus wieder verlassen müssen, weil der Betreiber nicht damit einverstanden ist."
    All das ist Konsens bei SPD und Union. Auch eine neue Meldepflicht für die Prostituierten selbst. Die geht anderen aber schon zu weit. Der Deutsche Juristinnenbund etwa spricht von einem Zwangsouting, von Stigmatisierung gegenüber Nachbarn und Verwandten – wo jeder jeden kennt. Verbandsexpertin Maria Wersig stellt die Frage:
    "Wenn es zum Beispiel so etwas gäbe wie einen Reisegewerbeschein, eine Meldekarte, wo der Klarname draufsteht – möchte man den jedem Freier zeigen?"
    Verzichten will die Koalition aber auf die Registrierung nicht. Denn nur sie ermögliche den Zugang zu den Prostituierten, auch damit diese sich beraten lassen.
    "Wir knüpfen an diese Anmeldepflicht ganz konkret die medizinische Beratung. Das ist wirklich eine Unterstützung für die Prostituierten, die wir so bisher nicht hatten, dass es da diese Möglichkeit gibt. Die ist offen ausformuliert, ob sie beim niedergelassenen Arzt oder beim Gesundheitsamt erfolgt. Es ist aber etwas, wo natürlich ein Zugang zu den Prostituierten da ist, den man bisher nicht hatte."
    Bei diesem Punkt hätte die Union gern mehr gehabt, nämlich eine verpflichtende medizinische Untersuchung. Stattdessen muss eine Prostituierte nun bei der Anmeldung – und danach regelmäßig immer wieder - lediglich eine gesundheitliche Beratung nachweisen. Diese Verpflichtung – als Minimum - ist dem frauenpolitischen Sprecher der Union, Marcus Weinberg, wichtig.
    "Weil wir schon festgestellt haben, dass man mit Freiwilligkeit in dem Gewerbe nicht weit kommt. Wir wollen, dass man die Personen, die dort tätig sind, sieht. Und dass man auch sieht, wenn es denen schlecht geht und wenn sie unter Druck gesetzt werden und wenn sie unter Zwänge gesetzt werden. Weil wir wissen: Die Frauen würden gern freiwillig mehr Beratung in Anspruch nehmen, häufiger zum Arzt gehen. Wir wissen aber auch, dass es insbesondere Männer gibt, die das verhindern."
    Gesundheitsberatung für Prostituierte
    Beim Arzt – so hofft man in Berlin – können sich auch die Frauen offenbaren, die Schutz vor Ausbeutung suchen – oder bei der Sozialberatung, auch sie ist Vorschrift, wenn auch nur bei der Anmeldung. Bessere und häufigere Beratung soll es dagegen für junge Prostituierte zwischen 18 und 21 Jahren geben, sagt Ministerin Schwesig.
    "Diese Frauen und Männer sollen zum Beispiel einmal im halben Jahr eine medizinische Beratung bekommen, alle anderen einmal im Jahr, um das Vertrauensverhältnis, um die Möglichkeit, jemanden zu haben, dem sie vertrauen können, enger zu eröffnen."
    Auch das ist ein Kompromiss. Den 18- bis 21-Jährigen hätte die Union die Prostitution gern ganz verboten. Nadine Schön sagte zu Beginn der Verhandlungen:
    "Die Nachfrage nach sehr jungen Prostituierten steigt. Das sind oft sehr unerfahrene, schlecht Deutsch sprechende Frauen aus Osteuropa, die hier der Situation hilflos ausgeliefert sind. Und denen muss man einen besonderen Schutz zuteilwerden lassen. Und das geht eben nur, indem man ein Mindestalter einführt."
    "Ich glaube, wenn das Mindestalter heraufgesetzt wird, wird das nicht dazu führen, dass es weniger junge Frauen gibt und junge Menschen gibt, die sich prostituieren. Sie werden aber in die Illegalität gedrängt und sind dann schutzlos."
    Sagt dagegen SPD-Fraktionsvize Carola Reimann. Immerhin gebe es auch jetzt Minderjährige, die sich prostituierten – was verboten ist und bleibt. An diese Jugendlichen könne man aber immerhin noch herankommen, mit den Instrumenten der Jugendhilfe.
    "Bis hin natürlich zu psychosozialer Beratung bis eben auch Unterbringung und Unterkunft. Und das ist natürlich etwas völlig anderes, als wenn man mit Erwachsenen arbeitet."
    Dem Schutz der Prostituierten soll auch eine Kondompflicht dienen. Bisher gibt es eine solche Pflicht landesrechtlich seit neuestem im Saarland und lange schon in Bayern. Dennoch: Marianne Rademacher von der Deutschen AIDS-Hilfe, die lange Beratungserfahrung im Gesundheitsamt hat, warnt:
    "Da gibt es innerhalb der Sexarbeiterinnen auch wirklich unterschiedliche Meinungen. Aber wenn es dann so durchgeführt wird wie in Bayern, also, dass quasi Verdeckte Ermittler, also Polizisten, sich als Kunden ausgeben – und so läuft es nämlich. Und die fragen eben nach kondomlosen Sex. Und wenn die Frau nur darauf eingeht, dann wird sie nämlich mit einem Bußgeld bestraft und nicht der Kunde."
    Die Folge: Die Frauen offenbarten sich nicht mehr in den Beratungsstellen, aus Angst vor der Strafe. Die Einigung in der Koalition trägt solchen Sorgen Rechnung. Bei einem Verstoß gegen die Kondompflicht werden die Prostituierten daher nicht belangt. Kritiker prognostizieren dagegen, auf dem Straßenstrich könnte die Versuchung für die Frauen steigen, dem Drängen nach ungeschütztem Verkehr nachzugeben – weil sie mehr dafür verlangen können. Dennoch: Die Macher des Gesetzes sind vom Ergebnis überzeugt. Im Milieu selbst lösen die geplanten Verschärfungen Ärger und Verunsicherung aus: Viele Frauen fürchten mehr Bürokratie und weniger Anonymität, wenn Anmeldung und Gesundheitsberatung künftig Pflicht werden. Auch die Prostituierte Nicole aus der Dortmunder Linienstraße ist wenig begeistert. Politik und Prostitution seien eben völlig getrennte Welten, meint die junge Frau. Ihre eigene mag Nicole durchaus gern. Sagt sie.
    "Ich kann mir immer aussuchen, wann ich arbeite, mit wem, kann man sich aussuchen, also wir haben die Wahl sozusagen. Kommt drauf an, wie angenehm der Gast ist selbstverständlich, nur darum geht's."
    Es bleibt unklar, was in Dortmunds Linienstraße schön ist, und was schön geredet wird. Bis zur Sommerpause könnte die Reform des Prostitutionsgesetzes das Kabinett passieren, so heißt es vorsichtig aus dem Bundesfrauenministerium. Wann die verschärften Regeln in Kraft treten, ist damit noch völlig offen – auch dies ein Indiz dafür, wie heikel und schwierig es bleibt, die Welt des Rotlichts mit Gesetzen zu regeln.