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Liebe der Adeligen in den Zeiten des Krieges

Die jüngste Afghanistanreise von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg - gemeinsam mit seiner Frau Stephanie und dem TV-Moderator Johannes B. Kerner - hinterließ brillante Bilder und - gemischte Gefühle.

Von Arno Orzessek | 14.12.2010
    Aus der Sicht jedes Imageberaters ist das Titelfoto der "Süddeutschen Zeitung" der größte anzunehmende Triumph:

    Minister zu Guttenberg streichelt seiner Stephanie die linke Wange, während ihre Rechte in vollendeter Symmetrie über sein Gesicht fährt. Die Distanz der Halbfiguren ist perfekt: Die Zärtlichkeit wirkt locker, aber nicht zu intim. Zwischen den Köpfen und den sich verschwörerisch kreuzenden Unterarmen wird im Hintergrund ein riesiger ISAF-Hubschrauber samt schwerer Bewaffnung sichtbar.

    So muss sie wohl aussehen, die Liebe der Adeligen in den Zeiten des Krieges.

    Seit sich Karl-Theodor zu Guttenberg auf dem New Yorker Times Square umleuchtet von den grellen Spots des Kapitalismus fotografieren ließ, ahnt man seine visuelle Mission. Offenkundig will er die vom Gleichheitswahn angekränkelten Deutschen durch moderne Re-Inszenierung wieder mit dem Herrschaftsporträt alter Schule vertraut machen.

    Die "SZ", die den Ritualen der Mächtigen sonst gern süffisant begegnet, ließ sich tatsächlich den Zahn ziehen und schrieb zahm neben das Foto: Bei zu Guttenberg sei Spontanes und Inszenierung schwer zu unterscheiden. Andererseits bleibt der ironiefreie Abdruck des höchst stilisierten Doppelporträts eine peinliche Dienstleistung ohne Notwendigkeit ...

    ... ein Entgegenkommen, wie es gestern auch vom ZDF in der der 19.00Uhr-heute-Sendung geleistet wurde. Dort war der Guttenbergsche Paarausflug an den Hindukusch das Topthema, eingespielt wurde nach mäßig kritischer Moderation das komplette Programm 'Stephanie-von-Guttenberg-speist-und-spricht-mit-deutschen-Soldatinnen-von-Frau-zu-Frau-was-diesen-sehr-gut-gefällt-und-fraglos-sehr-gut-tut-wie-sie-ja-auch-selbst-sagen'. Dann durfte die hiesige Opposition motzen, dass die Guttenbergs bloß eine Show abziehen, aber nichts Politisches im Sinn haben.

    Was wiederum nicht ganz richtig ist, genauso wie die Gleichsetzung des Traumpaares mit "Brangelina" – Brad Pitt und Angelina Jolie – im Internet nur die halbe, die popkulturelle Wahrheit trifft.

    Zu Guttenbergs Bildprogramm hat bedeutendere Ahnenreihen. Jenes Foto, auf dem er sich im Transportflugzeug zwischen Militärs, die auf Kisten zu seinen Füßen sitzen, majestätisch-jovial präsentiert, wies kunsthistorisch auf neuzeitliche Herrschaftsporträts seit Karl V. zurück. Das aktuelle SZ-Foto beschwört, in dem es die Guttenbergs als reine Profilfiguren mit fast rechtwinkeligem Armknick und gekreuzten Blicken zeigt, sogar altägyptische Referenzen herauf.

    In der Armanazeit rund 1400 vor Christus stellten Reliefs das Privatleben und die Liebe von Echnaton und Nofretete dar, natürlich im Profil. Vornehmheit, Zärtlichkeit, Verbindlichkeit, Nähe mit einer gewissen aristokratischen Distanz prägten die Atmosphäre. Auch Tutanchamun und Anchesenamun wurden so gezeigt.

    Ob es der nach Posen lechzende Verteidigungsminister nun intendierte oder nicht: Seine Turtelei am Hindukusch, so, wie sie auf dem SZ-Foto sichtbar wird, evoziert Erinnerungen an älteste Herrschafts-Darstellungen. Und solche Bildzeichen wirken bewusst und unbewusst – bei Risiko des Umschlagens ins Lächerliche –, weil sie tief in der allgemeinen Gedächtnisgeschichte wurzeln.

    Nun wird man von Guttenberg nicht gleich zum Pharao befördern. Dass aber die Rotoren des ISAF-Hubschraubers über dem Ministerpaar den Strahlen des Sonnengottes Aton ähneln, die auf dem besagtem Relief auf Echnaton und Nofretete fallen – ist ein weiterer, etwas unheimlicher visueller Coup.

    Bleibt nur die Frage: Wenn Guttenberg jetzt schon den Pharaonen gleich in den Medien auftaucht – wie soll er sich da eigentlich noch steigern, ohne das irdische Maß zu verlieren?