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Politikwechsel in Portugal?

Portugals Ministerpräsident José Sócrates muss bei den Wahlen am kommenden Sonntag damit rechnen, für die gestiegene Arbeitslosigkeit und die Folgen der Finanzkrise abgestraft zu werden. Profitieren könnten die Konservativen, aber auch der kleine Block der Linken.

Von Tilo Wagner | 24.09.2009
    Es riecht nach Marihuana, Jugendliche dösen erschöpft im Schatten. Drei Tage lang feiern Tausende von Musikfans und Anhänger der Linken ein Fest, das seit 33 Jahren von Portugals kommunistischem Propagandablatt "Avante" organisiert wird. Über das Festivalgelände im Lissabonner Arbeitervorort Seixal weht ein Hauch von Nelkenrevolution, die vor 35 Jahren für kurze Zeit zum politischen Experimentierfeld linksradikaler Gruppierung wurde.

    "Avante"-Herausgeber José Casanova glaubt, dass seine Partei eine Wiedergeburt der revolutionären Ideen bewirken kann:

    "Wir würden nur eine Regierung mitbilden, die für eine linksradikale Politik steht; also eine Politik, die einen deutlichen Bruch mit der jetzigen Regierung Sócrates vollzieht und die Ideale der Nelkenrevolution wiederaufleben lässt. Wir wissen, dass sich diese Ziele nicht leicht verwirklichen lassen. Aber eine kommunistische Partei, die sich nur Ziele setzt, die man leicht realisieren kann, wird nicht weit kommen."

    1975 hatten die Kommunisten der PCP zusammen mit den Militärs Banken und Industrie verstaatlicht und eine Agrarreform durchgeführt. Bis heute hat die Partei deshalb ihre stärkste Basis im ländlichen Alentejo und in den Lissabonner Industrievororten. Hier herrscht nicht erst seit der Finanzkrise schlechte Stimmung.

    Portugal erlebt seit knapp einem Jahrzehnt einen fast ununterbrochenen Krisenzyklus, der das Land in den Produktivitätsstatistiken kontinuierlich zurückfallen ließ. Große Teile des produzierenden Gewerbes sind nach Osteuropa oder China abgewandert. Die Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt und liegt jetzt bei 9,1 Prozent. Daran hat auch das an Technologie und Infrastruktur orientierte Investitionsprogramm der sozialistischen Regierung nichts ändern können. Ministerpräsident José Sócrates muss damit rechnen, die absolute Mehrheit bei den Parlamentswahlen zu verlieren. Einer Koalition mit den Sozialisten erteilt Rogério Reis, Mitglied des PCP-Zentralkomitees, jedoch eine klare Absage:

    "Wir wollen eine sozialistische Gesellschaft aufbauen. Wir haben kein Interesse daran, die kapitalistische Gesellschaft zu verbessern oder im Sinne von Keynes umzugestalten. Wir wollen den Kapitalismus überwinden und den Arbeitern die Chance geben, Herr über ihre eigenen Schicksale zu sein."

    In Zeiten, in denen der Kapitalismus eine schwere Krise erlebt, stoßen die Botschaften der Kommunisten wieder auf offene Ohren, wie bei der ehemaligen Waggonfabrikarbeiterin Isabel Maria Oliveira:

    "Die Partei hat vorgeschlagen, die Banken zu nationalisieren. Das würde viele Probleme lösen. Die Banken haben riesige Gewinne, aber zahlen fast keine Steuern. Alles Geld fließt in die Geldbeutel von einem halben Dutzend reicher Herren!"

    Zum ersten Mal seit 20 Jahren könnte die PCP bei Parlamentswahlen wieder ein zweistelliges Ergebnis erreichen. Sollten die Sozialisten ihre Mehrheit verlieren, gäbe es dennoch eine Chance für die Regierung Sócrates. Rogério Reis erklärt:

    "Es gibt Momente, in denen wir eine andere Regierung tragbar oder nicht tragbar machen, abhängig davon, wie wir zu ihrem politischen Programm stehen. Häufig tun wir dies, in dem wir uns enthalten. Aber wir haben auch schon mit Regierungen gestimmt, die uns vollkommen unsympathisch waren. Es geht uns nicht um die anderen Parteien, sondern darum, die Wirklichkeit zu verändern."

    Schon 1999 enthielt sich die PCP bei der Wahl einer sozialistischen Minderheitsregierung. Ein Zeichen politischer Stabilität war das nicht. Nach etwas mehr als zwei Jahren trat die Regierung zurück. José Sócrates, der sich wegen seines teilweise überheblichen Auftretens in der Opposition viele Feinde gemacht hat, wird allerdings kräftig nach links steuern müssen, wenn er auf die passive Unterstützung der Kommunisten angewiesen sein sollte.