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Beziehungskrise zwischen Brüssel und Moskau

Vor dem EU-Russland-Gipfel am Ende der Woche im südrussischen Samara werden die Bemühungen intensiviert, ein mögliches Scheitern zu verhindern. Konfliktthemen sind die Verlegung eines sowjetischen Krieger-Denkmals in Estland und das russische Einfuhrverbot für Fleisch aus Polen. Jetzt muss die Europäische Union schauen, wie die Beziehungen zu Russland in Zukunft aussehen könnten.

Von Robert Baag | 15.05.2007
    Vor dem EU-Russland-Gipfel am Ende der Woche im südrussischen Samara werden die Bemühungen intensiviert, ein mögliches Scheitern zu verhindern. Konfliktthemen sind die Verlegung eines sowjetischen Krieger-Denkmals in Estland und das russische Einfuhrverbot für Fleisch aus Polen.

    Wassilij Lichatschovs Befund fällt klar aus - und ungeschminkt. Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten im Föderationsrat der Duma, dem Oberhaus des russischen Parlaments, ist nicht sonderlich optimistisch, wenn es um den aktuellen Stand der russisch-europäischen Beziehungen geht:

    "Wir haben eine Krise! Ob nun in kleinem oder mittlerem Maßstab... sie ist da! Sowohl Russland als auch die EU befinden sich in einer Art Reformphase. Es ist sehr einfach, über wirtschaftliche Erfordernisse zu sprechen, über ökonomische Interessen, die uns sozusagen zwingen, wirtschaftlich zusammenzuarbeiten und uns eng zu integrieren - aber: Mir kommt es im Augenblick so vor, als könne jetzt jeder einzelne ökonomische, politische, technologische oder kulturelle Themenbereich auf atmosphärische Probleme stoßen, wenn er realisiert werden soll."

    Mit Blick auf den EU-Russland-Gipfel, der zum Ende dieser Woche im südrussischen Samara an der Wolga angesetzt ist, sieht Lichatschov sogar eine Art Negativ-Premiere voraus:

    "Vor diesem Gipfel am 17./18. Mai haben wir zum ersten Mal in der Geschichte der bisherigen 17 Treffen eine ziemlich pessimistische Prognose hinsichtlich der Ergebnisse. Ich nenne als Beispiel das neue EU-Russland-Partnerschaftsabkommen, das nicht vom Fleck kommt - unter anderem wegen der polnischen Position!"

    Unter anderem, aber eben nicht nur. - Das neu auszuhandelnde Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen Russland und der Europäischen Union - im Brüsseler Bürokraten-Kürzel "PKA" genannt - endet formal zum Jahresende. Nach zehnjähriger Laufzeit sollte die Novelle eigentlich schon im vergangenen Herbst, beim EU-Russland-Gipfel in Helsinki, auf den Weg gebracht werden. Aber dann präsentierten beide Seiten unterschiedliche Ansichten, wie denn mittel- bis langfristig die künftige Kooperation aussehen sollte zwischen der Energie-Großmacht Russland einerseits und der EU, Moskaus derzeit wichtigstem Kunden andererseits. Die Weigerung Russlands, die so genannte "Energie-Charta" zu ratifizieren, sehen die meisten Beobachter als das Haupthindernis für ein neues Partnerschaftsabkommen. Und erst vor wenigen Tagen hat Sergej Jastrshembskij, EU-Beauftragter von Russlands Präsidenten Vladimir Putin, diese Haltung auch im Vorfeld des Samara-Gipfels bekräftigt. Die Charta sei für Russland ungünstig und nicht hinnehmbar, beschied er in einem Interview der deutschen Tageszeitung "TAZ" die europäische Öffentlichkeit. Die nationalen Rohstoff-Reserven seien schließlich eine Trumpfkarte Russlands, die man nicht aus der Hand geben werde.

    Mit andern Worten: Ausländische Investitionen im Erdöl- und Erdgas-Sektor sind willkommen und übrigens auch nötig, wie selbst russische Fachleute einräumen. Dennoch ist Jastrshembskijs Botschaft klar: Die Kontrolle über die Ausbeutung russischer Bodenschätze werde stets in staatlicher Hand bleiben. - Dieser Standpunkt kollidiert mit dem Beharren der EU auf Geist und Buchstaben der Energie-Charta. - Sean Carroll, Sprecher am Sitz der EU-Delegation in Moskau, zur Position Brüssels:

    "Dass Russland ratifiziert, ist wichtig, damit mehr Klarheit und Stabilität geschaffen wird, wenn Dritte Zugang zu Pipeline-Netzen haben möchten. Wir sind voneinander abhängig. Russland hat sein Interesse bekundet, stärker in das europäische End-Verbraucher-Geschäft eingebunden zu werden; europäische Energiegesellschaften sind stärker daran interessiert, sich bei der Energieförderung zu beteiligen. Wir brauchen also klare Richtlinien, damit Investoren sich darauf verlassen können, rechtlich korrekt behandelt zu werden."

    Ob ein Kompromiss in Sachen Energie-Charta gefunden werden kann - und wie dieser dann aussehen würde - ist ungewiss, eher unwahrscheinlich. Der Politologe Andrej Zagorskij, Experte für Außen- und Europa-Politik am MGIMO, dem Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, weist darauf hin, dass der russischen Seite eigentlich genauso an einem neuen Abkommen liegen müsse - und zwar nicht zuletzt aus einem innenpolitischen Grund. Aber:

    "Es sammelt sich eine kritische Stimmung, die sich weniger in der Amtssprache äußert inzwischen, aber sehr viel auf der Expertenebene, aber auch in den Ämtern in Moskau insgesamt. Wir haben zwar politisch-korrekte Beziehungen insgesamt und viel auf der Tagesordnung, aber eine sehr schwierige Sache ist der Stau mit den Verhandlungen zwischen Russen und der EU. Moskau wollte ganz gezielt schnell ein kurzes Rahmenabkommen bis zum Auslaufen der Amtszeit von Putin haben. Das wird wahrscheinlich jetzt unmöglich. Auch wenn theoretisch noch im Mai die Möglichkeit es gibt, das in die Wege zu leiten. Wobei man sehr skeptisch ist, weil die Polen nicht nachgeben wollen und die Russen auch nicht."

    Das EU-Mitgliedsland Polen sieht dies naturgemäß anders. Zbigniew Rzonca, Gesandter an der polnischen Botschaft in Moskau, zum seit Monaten anhaltenden Importverbot für polnische Fleischprodukte in Russland:

    "Wir freuen uns, dass Herr Präsident Putin schon vor etwa einem halben Jahr gesagt hat, dass das polnische Fleisch hervorragend sei - und das Russland überhaupt keine Vorbehalte gegen polnisches Fleisch habe. Das sollten wir erst einmal festhalten. Jetzt betreffen die russischen Vorwürfe etwas ganz anderes: Es sollen gefälschte Begleitpapiere für Waren entdeckt worden sein, die man über polnisches Gebiet nach Russland transportiert habe. Das untersuchen wir seither. Inzwischen hat die EU-Kommission allerdings versichert, dass wir sämtlichen internationalen Anforderungen und europäischen Normen Genüge leisten.".

    Für den Politologen Andrej Zagorskij hat der russisch-polnische Fleisch-Konflikt inzwischen fast schon einen tiefenpsychologisch auszudeutenden Aspekt: Die EU, einerseits solidarisch mit ihrem Mitgliedsland Polen, soll andererseits Warschau dazu bringen, das polnische Veto gegen die Neuverhandlung des EU-Russland-Partnerschaftsabkommens zurückzuziehen - eine EU-interne Aufgabe, wie Moskau findet. Oder anders formuliert: Russland bestraft Polen - seit langem neben Georgien und Estland eines der Lieblings-Feindbilder der Moskauer Machtelite - die EU aber soll Warschau für Russland disziplinieren und auf die Knie zwingen. - Was ist wichtiger für die EU unter der aktuellen deutschen Ratspräsidentschaft? Ein freundlich gestimmter Energielieferant in Moskau? Oder die renitent-nationalistisch angehauchte Regierung der Gebrüder Kaczynski in Warschau, die zwar ihrerseits europäische Solidarität einfordert, sie aber selbst nicht immer zu geben bereit ist - Stichwort: US-Raketenschutzschild. So in etwa mag mancher der einschlägigen Kreml-nahen Polit-Technologen kalkuliert haben - für Zagorskij hingegen ist klar:

    "Es ist falsch, den ganzen Job auf die EU abzuwälzen, denn ich glaube, es wäre viel einfacher und viel produktiver, wenn man sich um ein positiveres Verhältnis zu Polen bemüht. Dabei muss man nicht auf Prinzipien verzichten. Das einzige Problem, das noch zu regeln ist: Wer macht den ersten Schritt? - Ob Russland das Embargo auf das polnische Fleisch wegschafft oder ob die Polen das Veto wegmachen - keine Seite will nachgeben. In dem Sinn: Für die beiden geht's ums Prestige: Wer gibt nach, wer gibt nicht nach? Wer gewinnt, wer verliert dabei? - Das ist der falsche Ansatz am Ende..."

    Zagorskij ist überzeugt:

    "Mit einem besseren Verhältnis bilateral würden wir auch die Probleme mit der EU viel einfacher und viel schneller lösen!"

    Aber ob dies ebenso beim nächsten Problemfeld zutrifft, in das wiederum Polen aber auch Tschechien, sowie die USA und die NATO verwoben sind? Auch wenn die beiden Letztgenannten nur mittelbar oder unsichtbar am Konferenztisch in Samara sitzen werden? - Das von Washington geplante aber selbst in Europa umstrittene und von Russland seit Wochen heftig abgelehnte Projekt eines Raketen-Abwehrsystems in Mittel-Osteuropa, das sich nach US-Beteuerungen ausschließlich gegen Bedrohungen aus dem Iran oder gar Nordkorea richten würde, hat schon aus territorial-strategischen Gründen eine europäische Komponente. Russland hat inzwischen seinerseits angekündigt, seine Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Begrenzung konventioneller Streitkräfte in Europa möglicherweise ruhen zu lassen. Aufgeschreckte Reaktionen im Westen waren die Folge. - Auch wenn die EU als Institution bei diesen beiden Punkten kein klassisches militärisches Gesprächsmandat besitze, bestätigt Sean Carroll von der Delegation der EU-Kommission in Moskau dennoch:

    "Dies wird in Samara zweifellos ein Thema sein - und zwar dann, wenn es um Fragen der äußeren Sicherheit geht. Auf der Agenda stehen auch die Kosovo-Frage, sowie die so genannten "frozen conflicts" wie Transnistrien und Moldova, Abchasien, Südossetien und Georgien. Hier ist die EU interessiert mit Russland zusammen zu arbeiten, um diese jahrelang schwelenden Probleme lösen zu können."

    Regelmäßig fällt bei Sean Carroll das Stichwort "Kooperation mit Russland" - Aber in jüngster Zeit sind dabei mehr Rückschlage als Erfolge zu verzeichnen. Jüngstes Beispiel: Präsident Putins harscher Auftritt bei der Siegesparade auf dem Moskauer Roten Platz zum Gedenken an das Kriegsende vor 62 Jahren. Ohne die Ausschreitungen in der estnischen Hauptstadt Tallin beim Namen zu nennen, zu denen es gekommen war, nachdem ein sowjetisches Kriegerdenkmal gegen den Protest Moskaus und russischstämmiger Esten umgesetzt worden war, rief Putin:

    "Diejenigen, die heute (...) das Andenken an die Kriegshelden beschmutzen wollen, beleidigen ihr eigenes Volk, säen Zwietracht und Misstrauen zwischen Staaten und Völkern!"

    Ein Leitmotiv, das auch schon in den Wochen zuvor bei anderen russischen Amtsträgern anklang - mal leiser, mal schriller. Nach der Devise: "Nur wir haben die Deutungshoheit über unsere Geschichte!" - So etwa bei Außenminister Sergej Lavrov, der erbost nicht nur Estland sondern indirekt erneut auch Polen ins Visier nahm, wo jetzt ebenfalls über das Schicksal von sowjetischen Denkmälern diskutiert wird. Lavrov indes zielte sogar noch weiter:

    "Versuche, sich diesem Gedenken gegenüber blasphemisch und herabwürdigend zu verhalten, die Geschichte umschreiben zu wollen, können gar keinen anderen Effekt haben, als uns zutiefst zu verärgern. Solch ein Verhalten ist heute jedoch zu einem Element und zu einem Instrument in der Außenpolitik einzelner Staaten geworden. Und bedauerlicherweise tolerieren einige Organisationen dieses Verhalten - wie etwa die NATO oder die Europäische Union!"

    Die EU in Gesamthaft aus russischer Sicht - wenige Tage vor dem gemeinsamen Gipfel in Samara. Ein Muss-Thema dort, wie Konstantin Kossatschov findet, der Vorsitzende des Duma-Auschusses für internationale Angelegenheiten:

    "Das wäre wohl nicht richtig, wenn wir den EU-Russland-Gipfel nicht dazu nutzen würden, zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt. Denn das monatelange Schweigen der EU hat bei unseren estnischen Nachbarn leider eine Illusion der Straflosigkeit entstehen lassen."

    Was Kossatschov - er ist Mitglied der Putin-nahen Partei "Geeintes Russland" - unter Sanktionen versteht, machte er dann im letzten regierungskritischen Hörfunksender "Echo Moskvy" ungeschminkt klar:

    "Wir können für Unzufriedenheit in der estnischen Gesellschaft sorgen, vor allem im estnischen Business - ganz zivilisiert! Nicht, indem wir uns in die inneren Angelegenheiten einmischen, aber etwa indem wir die estnische Wirtschaft in ihren Möglichkeiten einschränken, mit Russland Geschäfte zu machen. Früher oder später werden sie dann schon bei ihrem Premier Ansip vorsprechen und sagen: 'Mein Lieber, wir haben dich nicht zum Premier gemacht, um Denkmäler zu demontieren, sondern um die Interessen unseres Landes und unserer Geschäftswelt zu vertreten, und dazu gehören gutnachbarliche Beziehungen zu Russland!"

    Inzwischen gibt es schon die ersten Sanktionen gegen den EU-Mitgliedsstaat Estland, werden Zugverbindungen eingestellt, Öl-Lieferungen gedrosselt. Eine Politik des Auftrumpfens, der vermeintlichen Stärke - dennoch: vereinzelt sind auch fast bange Töne zu hören, allerdings nur via "Echo Moskvy", wo stets auch Oppositionelle zu Wort kommen. Doch selbst der eigentlich kaum Putin-kritische Pavel Gusev, Chefredakteur der Tageszeitung "Moskovskij Komsomolec", sah dort Russland zunehmend isoliert:

    "Wir haben immer nur Feinde - oder alle sind immer unzufrieden mit uns. Was für einen echten Verbündeten hat Russland denn heute??! - Kirgisien vielleicht??! Das ist doch lächerlich... Weißrussland?? Gott bewahre uns vor so einem Verbündeten... Wir bewegen uns auf einem ganz einsamen Weg, ungewiss wohin - und auf der anderen Seite existieren die europäischen Länder, die USA, in deren Hinterhöfen wir uns befinden."

    "Kein Grund zur Sorge", findet hingegen Natalija Narotchnickaja, immerhin Kulturwissenschaftlerin und ebenfalls Abgeordnete im Duma-Ausschuss für internationale Angelegenheiten. Als Reaktion auf eine soziologische Untersuchung des renommierten Moskauer Lewada-Instituts vom Februar, wonach 71 Prozent der Russen sich explizit nicht als Europäer fühlen, riet sie in "Vremena", einer beliebten Fernseh-Diskussionsrunde, zur Gelassenheit. Denn für Russland und die Russen gelte doch:

    "Selbst der Ungebildetste spürt heute intuitiv, dass er nicht Teil dessen sein will, in das sich Europa heute verwandelt hat. - Dabei hat Europa doch einst dem Druck des Katholizismus standgehalten, trotz all dessen unzweifelhaften, kulturellen Charme; Europa hat zweimal erfolgreich dem düsteren deutschen Genie widerstanden! Heute aber kapituliert Europa vor der Pop- und Pepsi-Kultur. Und das stößt ab! - Zweifellos sind wir Russen Teil des gemeinsamen christlichen Erbes, aber auf einem historisch anders gearteten Weg. Wir sind zu groß, um uns in irgendetwas aufzulösen! Und damit hat es sich! - Man hat uns eingeredet, dass Europa gleichbedeutend sei mit dem geistigen Gepäck der französischen Revolution, der protestantischen Arbeits- und Wohlstandsethik - aber uns verbindet mit Europa nur das: Die christliche Bergpredigt sowie der Wert des Menschen an sich "

    Die zu vernachlässigende Sondermeinung einer möglicherweise etwas exaltierten Exotin? Keineswegs. Ansichten wie diese sind durchaus populär, aber sie überwiegen noch nicht. - Dagegen setzt der Politologe Andrej Zagorskij auf die kühle Analyse der Fakten:

    "Wir sind jetzt in einer Phase, wo einmal Russland sich neu zu definieren versucht, ein neues Bewusstsein entwickelt. Das ist ganz deutlich geworden seit 2004. Ich würde sagen schon etwas vorher. Man fühlt sich gelassener und insbesondere, nachdem im letzten Jahr die Schulden dem Pariser Club zurückgezahlt worden sind, fühlt man sich nicht mehr verpflichtet dem Westen gegenüber und will auf keine Rezepte mehr hören und man entwickelt in dem Sinne auch ein ganz neues Bewusstsein. Das kommt natürlich auch mit der nationalistischen Stimmung, die nicht allein in der Politik sondern sehr breit in der Bevölkerung sich ausbreitet."

    Die "Honigmond"-Phasen in den Beziehungen zwischen der EU und Russland gehören der Vergangenheit an, wenn es sie denn jemals so ausgeprägt gegeben haben sollte. Brüssel, verschiedene europäische Hauptstädte, sehen Russland, das man als Partner übrigens ebenso braucht wie umgekehrt, heute nüchterner und illusionslos. Das muss nicht falsch sein. - Als Beispiel dafür mag der jüngste Arbeitsbesuch von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Moskau gelten. Kurz zuvor war es zu den brutalen Prügelszenen russischer Sicherheitsorgane gegen Putin-oppositionelle Demonstranten gekommen. Bilder, die weltweit schockierten und Russland tagelang in Negativ-Schlagzeilen hielten. - Gefragt, ob er diese Vorgänge bei seinem russischen Innenministerkollegen angesprochen habe, der für den Einsatz politisch verantwortlich sei, meinte Schäuble:

    "Wir sprechen in unseren Beratungen auch Fragen an, die schwierig sind. Das haben wir sowohl im europäischen wie im bilateralen Rahmen getan. Da wird sehr offen darüber geredet. Wir müssen nicht alles zu jedem Zeitpunkt auf dem offenen Markt austragen. Aber natürlich geben auch unterschiedliche Positionen keinem Verantwortlichen das Recht in Fragen der Inneren Sicherheit wie in anderen Fragen nicht so gut wie irgend möglich zusammenzuarbeiten, denn es würde ja die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger durch schlechtere internationale Zusammenarbeit beschädigt. Und das ist nicht unser Verständnis."

    Ob die Opposition während des Gipfels von Samara vor Ort protestieren und demonstrieren darf, wie es die EU-Ratsvorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, im Vorfeld ausdrücklich von Moskau eingefordert hat, muss sich noch zeigen. Und ob und in welchem Umfang die Themen "Grund- und Menschenrechte in Russland" bei diesem Gipfel von Samara tatsächlich eine Rolle spielen werden, ist ebenfalls noch ungewiss. - Aber EU-Experte Andrej Zagorskij verweist - bei allen unleugbaren Eintrübungen - auch auf die Aktiva der bisherigen russischen-europäischen Zusammenarbeit:

    "Die EU-Staaten und Russland zeigen jedenfalls viel Gemeinsames in der gegenseitigen Beurteilung und in der Einschätzung der internationalen Lage insbesondere in Fragen, die weit weg von uns beiden sind: Sei es Nahost, sei es der Iran... Es ist schon schwierig, wenn man über die gemeinsame Nachbarschaft redet. Das heißt: Es gibt wirklich viel, was uns verbindet und deswegen auch viele, dichte Arbeitsbeziehungen und vieles bewegt sich auf dieser Ebene - auch auf der persönlichen Ebene! Das, was keiner gezählt hat, sind die humanitären Kontakte, die menschlichen Kontakte, die entstanden sind, wie viele Studenten in die EU reisen, wie viele Freunde und Verwandte sich gegenseitig besuchen."