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Genomforschung im Reich der Mitte

Forschungspolitik. - Wer mit den wissenschaftlichen Eliten in China spricht, der hat in der Regel Leute vor sich, die ihre Jugendjahre als Bauern oder Fabrikarbeiter verbracht haben. Wegen der Kulturrevolution waren die Universitäten geschlossen. Forscher wurde man nicht. Die, die nach dieser Zeit trotzdem noch wissensdurstig an die Unis strömten, haben in China mittlerweile das Fundament für eine landeseigene und landesspezifische Forschungsszene gelegt, die mit Ehrgeiz Anschluss an den Westen sucht. Gerade in der Genomforschung ist China immer öfter und immer stärkerer Partner bei internationalen Projektkooperationen.

Von Grit Kienzlen |
    Weißer Stein, Beton und Glas. Nüchtern und rein wirkt die brandneue Shanghaier Biochip Company. Mit routinierten, knappen Erläuterungen lotst mich ein Mitarbeiter durch insgesamt drei dreistöckige Gebäude. Auf einem Firmengelände von vier Hektar im abseits der Stadt gelegenen Flughafenviertel Pudong, werden hier im Auftrag von Universitäten und medizinischen Einrichtungen, verschiedenste Gen- und Proteinanalysen durchgeführt. Der Direktor der Firma, Zhao Guoping, leitet gleichzeitig auch das nahe gelegene Humangenomzentrum von Shanghai. Mit dem Humangenomprojekt, bei dem China ein Prozent der Sequenzierarbeiten übernommen hat, betrat das Land aus seiner Sicht die Bühne der internationalen Forschung.

    Die Jahre von 1995 bis 2000 waren entscheidend für Chinas Lebenswissenschaften. Das werden in 15 Jahren im Rückblick sicher alle so beurteilen. China hatte wirklich Glück. Die Regierung begann damals zu verstehen, dass wir eine innovative Nation sein müssen und nicht nur den anderen folgen dürfen. Der Auslöser dafür war die Finanzkrise in Asien, besonders die Lektion, die Japan uns gelehrt hat. Das war das erste. Zweitens begann der damalige Premierminister Zhu Rongji seine aktive Finanzpolitik. Er hatte viel Geld aus Anleihen zur Verfügung und bemühte sich, einen Teil davon in Wissenschaft und Bildung zu investieren, nicht nur in Autobahnen. Und drittens gab es dann noch Wissenschaftler, die verstanden hatten, dass die Genomforschung wichtig ist.

    Einer von denen war der Direktor des Pekinger Genomik Institutes. Die Einrichtung wurde mit der Kapazität ausgestattet, große Mengen an DNS-Sequenz-Daten zu generieren.

    Das Beijing Genomik Institut ist für die Erbgut-Projekte zuständig. Angefangen haben sie mit dem Menschen, dann kam das Reisgenom, dann die Seidenraupe, sie arbeiten am Schweineerbgut und so weiter.

    An dieser Aufzählung zeigt sich, dass sich China mit der Genomforschung der wissenschaftlichen Bearbeitung eigener Probleme zuwenden möchte. Der Reis, die Seidenraupe und das Schwein haben alle drei große wirtschaftliche Bedeutung für das Land. Und seit der SARS-Krise vor einem Jahr sind auch die landestypischen gesundheitlichen Probleme in den Fokus der politischen Eliten gerückt.

    Wir konzentrieren uns auf die Themen, die für China am wichtigsten sind. Zum Beispiel das Schistosoma japonica - Projekt. Schistosoma gerät derzeit zu einem immer ernsthafteren Problem. Wir hatten dazu gerade eben eine nationale Konferenz.

    Schistosomen sind parasitische Würmer, die in Süßwasserschnecken leben und von dort aus vor allem die Menschen befallen, die an den Ufern des Yangtze-Flusses leben. An dem nicht selten tödlich verlaufenden Schnecken-Fieber leiden mehr als eine Million Chinesen.
    Noch sehr viel dramatischer dürfte sich die weltweite Ausbreitung von Hepatitis-Viren in China auswirken. Wegen grob fahrlässiger Umgangsweisen mit Blutprodukten sind heute große Bevölkerungsgruppen mit AIDS-Viren und eben auch mit Hepatitis-Erregern infiziert. Ein internationales Forschungsprojekt zur Analyse der Leberfunktionen, das so genannte Leberproteom-Projekt, geht daher auf eine chinesiche Initiative zurück, erzählt einer der Projektleiter, Sun Qi-Hong vom Beijing Institute für Strahlenmedizin:

    Wir haben 1,3 Milliarden Menschen in China. Nach Schätzungen könnten rund zehn Prozent der Bevölkerung irgendeine Art von Hepatitis Virus tragen. Von Hepatitis führt der Weg schnell zu Leberzirrhose und Leberkrebs. Wir haben eine sehr hohe Leberkrebsrate hier. So etwa eine Million neuer Patienten jedes Jahr.

    China hat daher bei drei von neun Teilprojekten im internationalen Leberproteom-Konsortium die Federführung übernommen. Hier entsteht eine Bank mit Antikörpern für verschiedenste Lebereiweiße. Und hier werden Proteinprofile erstellt, die anzeigen, welche Eiweißmoleküle in gesunden und kranken Leberzellen aktiv sind.