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Meditation mit Monstranzbohnen

Obwohl die Wehrpflicht abgeschafft ist und ein neuer Bundesfreiwilligendienst als Alternative für gesellschaftlich Engagierte angeboten wird, ist die Nachfrage nach dem freiwilligen ökologischen Jahr nach wie vor groß. In Rheinland-Pfalz gab es in diesem Jahr wieder mehr Bewerber als Plätze.

Von Ludger Fittkau | 21.10.2011
    "Oh, es ist so toll. Ich war so begeistert am Anfang, als ich den Botanischen Garten besichtigt habe. Zum Beispiel die tropischen Pflanzen, ich habe sie bewundert. Die Natur und die Umwelt ist eine Leidenschaft für mich. Ich bin so glücklich, hier noch elf Monate beschäftigt zu sein."

    Anais Louverjon aus der burgundischen Hauptstadt Dijon schwärmt von ihrem ersten Monat im ökologischen Freiwilligendienst, der auch grenzübergreifend möglich ist. In der "grünen Schule" der Uni Mainz, die mitten im Botanischen Garten liegt, bereitet sie Lernprogramme mit Kindergartengruppen und Schulkindern vor. Gerade hat Anais Louverjon im Bauerngarten Bohnen geerntet, die sie nun beim anstehenden Familientag am Samstag mit den Kindern zu Bohnenschmuck verarbeiten will:

    "Mit vielen Arten von Bohnen. Und wir haben jetzt die Monstranzbohnen und die Moorkönigbohnen mitgebracht. Es ist ein Teil auch meiner Arbeit, ich muss die Aktivitäten vorschlagen und auch in meinem Büro vorbereiten."

    Anais Louverjon stellt ihr Bohnenprojekt einer Gruppe junger Rheinlandpfälzer vor, die wie sie seit September das freiwillige ökologische Jahr leisten – an verschiedenen Einsatzstellen. Jan-Hendrik Hölze arbeitet im sogenannten "Haus der Nachhaltigkeit" – einem modernen Umweltbildungszentrum mitten im Pfälzer Wald. An der Infotheke hat der Abiturient aus Trippstadt in den ersten Wochen gearbeitet und dabei festgestellt, dass vor dem Haus auch der Jakobs-Pilgerweg Richtung Santiago de Compostela in Spanien vorbeiführt:

    "Da waren jetzt auch schon ein, zwei Pilger dabei. Und sich auch mit den Menschen zu unterhalten, was die in ihrem Leben alles schon gemacht und erlebt haben, das ist auch ne Erfahrung, die viel wert ist, denke ich."

    Julia Heid:

    "Ich habe bisher und das ist ja noch nicht lang, das sind ja erst zwei, drei Monate, da habe ich viel über mich selber gelernt, habe auch viel selbstständiges Arbeiten und Wissen über Natur und Umweltschutz mitgenommen, insgesamt ist es nur das Engagement, das zählt. Alles andere kommt dann allein in den Gruppen."

    Julia Heid leistet ihr freiwilliges ökologisches Jahr im Forstamt Trier- dort ist sie für das Wildgehege zuständig. Weil sie noch zuhause wohnt, bekommt sie 257 Euro für ihr Engagement. Tom Weiten, der beim Treffen im Mainzer Botanischen Garten ein T-Shirt mit der Aufschrift "Kein Mensch ist illegal" trägt, bekommt 100 Euro mehr. Deshalb, weil er bei seiner Einsatzstelle wohnt - mitten auf dem Umweltcampus Birkenfeld der FH Trier. Er schnuppert dort auch in den Lehrbetrieb rein:

    "Pro Woche habe ich ein Seminar oder eine Vorlesung, die ich besuchen kann und dann kann ich mich schon mal über die Studiengänge informieren. Also, das ist auch so eine Sache, dass man sich das Unileben anguckt und feststellen kann, ob das auch etwas für einen ist, wenn man sich in die Richtung interessiert."

    Auch Jan-Hendrik Hölzle empfindet das freiwillige ökologische Jahr ganz und gar nicht als verlorenes Jahr, in dem er doch schon studieren könnte:

    "Ne, ich sehe es eher als Gewinn. Denn man kommt aus der Schule und ich habe dieses Jahr Abitur gemacht und von einer Schulbank in die Nächste. Ja, ich finde einfach ein Jahr Abstand von der Schule und neue Menschen kennenlernen und einfach was anderes zu machen, das ist interessant und macht bisher Riesenspaß."

    Bisher gibt es in Rheinland-Pfalz jedes Jahr viel mehr Bewerber für das freiwillige ökologische Jahr als Plätze. Im Augenblick irritiert allerdings der neue Bundesfreiwilligendienst die Träger und Bewerber, stellt die grüne rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken fest. Der Bund wolle möglichst alle Freiwilligen in den neuen Dienst integrieren, so Höfken:

    "Wir sehen das ganz anders. Wir möchten gerne die bestehenden Dienste stärken und den Bund davon überzeugen, dass er in diese gleiche Richtung marschiert. Da sind wir noch nicht so recht erfolgreich. Aber die Nachfrage nach dem freiwilligen ökologischen Jahr zum Beispiel zeigt ja, dass das auch, dass das auf Resonanz trifft. Und ich denke, aus diesen Erfahrungen sollte man einfach lernen. Es geht ja nicht darum ein Jahr irgendwie zu verbringen, sondern das tatsächlich auch für das eigene Leben gewinnbringend zu gestalten."

    So gewinnbringend, wie Anais Louverjon die ersten Wochen in der "grünen Schule" im Botanischen Garten der Mainzer Uni erlebt. Die Germanistikstudentin will das Jahr auch nutzen, um ihr Deutsch entscheidend zu verbessern, sagt sie. An ihrer französischen Uni würden auch die Germanistikseminare zu oft auf Französisch abgehalten. Für den Familientag am kommenden Wochenende hat sie jedoch zunächst einmal eine Arbeit zu machen, die nicht sehr vieler Worte bedarf:

    ""Für den Familientag am Sonntag bohre ich Bohnen, mit einem Bohrer. Ich finde das sehr toll. Eine sehr meditative Arbeit.""