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Pressefreiheit im Kongo

An einer der täglich verstopften Hauptstraßen in Kongos Hauptstadt Kinshasa liegt das Büro von "Journalistes En Danger". Die Organisation bringt sich bei ihrem Einsatz für Journalisten in Gefahr oft selbst in eine. Bis vor kurzem lungerten Mitarbeiter des kongolesischen Geheimdienstes vor dem Rohbau herum. Der Vorsitzende Donat M'Baya, der jetzt hinter seinem Schreibtisch sitzt, wurde telefonisch bedroht, nachdem seine Organisation den Mord an einem Journalisten recherchiert hatte.

Von Christiane Kaess | 08.05.2006
    "Der Journalist wurde am 3. November getötet. Am nächsten Tag schon, als noch niemand verhaftet war, hat der Innenminister behauptet, dass der Attentäter nur etwas stehlen wollte. Das kam uns sehr bizarr vor."

    Der Journalist Franck Ngyke und seine Frau wurden nachts vor ihrem Haus erschossen. Die Untersuchungen des Attentates führten direkt in die Regierung. Franck Ngyke soll kurz vor seinem Tod erfahren haben, dass Präsident Joseph Kabila Gelder veruntreut habe. Donat M'Baya glaubt zwar nicht, dass der Mord von der Regierung verordnet wurde - ihm geht es aber um eine Aufklärung:

    "Wir haben bei unseren Recherchen das Motiv des Mordes nicht gefunden, aber es gibt Hinweise, dass bestimmte Personen wissen, warum Ngyke umgebracht wurde."

    Die Übergangs-Regierung, die international unterstützt wird, weist jeden Verdacht von sich. Präsident Kabila hat nach einem Treffen mit Donat M'Baya und Vertretern von "Reportern ohne Grenzen" Personen-Schutz für M'Baya angeordnet. Es wurde versprochen, eine Untersuchungs-Kommission einzurichten. In der Redaktion der Tageszeitung "La Réference Plus", wo Franck Ngyke das Politik-Ressort leitete, herrscht auch jetzt noch gedrückte Stimmung, meint Herausgeber André Ipakala:

    "Jeder war hier in Panik. Wir wissen bis heute nicht, warum Ngyke getötet wurde."
    Das beeinträchtigt auch die Berichterstattung vor den Wahlen."

    ""Abgesehen von einigen unabhängigen Kandidaten, sind die meisten ehemalige Kriegsfürsten. Heute kandidieren sie und wollen, dass man ihnen nur applaudiert."

    Mit den Rebellen musste sich zu Kriegszeiten Kizithu Mushizi als Nachrichten-Redakteur einer lokalen Radiostation im Nordosten des Landes arrangieren. Er hat dort die brutalen Kämpfe der Rebellen 1998 miterlebt.

    "Der Soldat, den sie damals als Kontrolleur geschickt haben, hat keinen Sold bekommen. Er hatte Hunger. Wir haben ihn also für uns gewonnen, indem wir ihm was zu essen gegeben haben. Ich habe keine Ahnung, was er seinen Vorgesetzten erzählt hat, aber wir konnten so relativ ungehindert arbeiten."

    Heute sendet Mushizis Radio fast reibungslos, wie alle Sender im Land. Deshalb wird die Unterdrückung von Journalisten kaum mehr beachtet - auch die Gefängnis-Strafe des Journalisten Patrice Booto nur wenig. Booto wurde dafür bestraft, die Informationen veröffentlicht zu haben, von denen man annimmt, Ngyke habe sein Leben dafür lassen müssen. Nämlich, dass Präsident Kabila, der auch in Tansania aufwuchs, 30 Millionen Dollar an das tansanische Schulsystem illegal weiter geleitet haben soll. Obwohl der Journalist Booto ausgesagt hat, die Informationen seien falsch, hält der Sprecher des Präsidenten, Kudura Kasongo, die Haft-Strafe für angebracht:

    "Die Journalisten haben das Recht zu schreiben. Aber sie müssen auch die Rechte respektieren, die der Staat hat, zum Beispiel die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten oder das Privatleben eines Menschen und seine Ehre nicht zu verletzen."

    Grundlage ist das so genannte Diffamierungsgesetz. Egal, ob die Information richtig oder falsch ist, wenn die Ehre verletzt wird, geht man ins Gefängnis, kritisieren die einen. Die anderen verweisen auf Hass-Predigten von politischen oder ethnischen Clans in den kongolesischen Medien. Diese seien ein triftiger Grund für Kontrolle, so Informationsminister Henri Mova, der in der Übergangs-Regierung für Medien-Angelegenheiten zuständig ist.

    "Wir sind hier in einer Region, wo eine Radio-Station in Ruanda zum Völkermord aufgerufen hat. Unsere Presse hier ist mittlerweile so stark, dass sie jeder Zeit Hass, Gewalt oder Krieg mobilisieren kann. Wir müssen da wirklich reglementieren."

    In Kinshasas "Grand Hotel", das bei Regierungsstürzen den Rebellen als Büro diente und durch dessen Flure heute die Reichen der Region flanieren, sitzt im 12. Stock der Chefredakteur der Wochenzeitung "Le Soft". In seinem Büro läuft auf zwei Bildschirmen CNN und BBC World. Tryphon Kin-Kiey hat auch Personenschutz seitdem seine Zeitung die Untersuchungen zum Mord an Ngyke veröffentlicht hat. Dennoch denkt er, dass das Attentat ein Unfall war.

    "Man hat im Kongo nie viele Journalisten umgebracht. Man hat sie ins Gefängnis geworfen oder geschlagen. Aber heute ist das größte Problem, dass es zu unprofessionell zugeht. Jeder, der will kann hier Journalist werden - es gibt zu viele Politiker und Geschäftsleute in diesem Metier!"

    Auch deshalb wurde zusammen mit der Übergangs-Regierung die "Haute Autorité de Media" eingerichtet. Die Behörde soll die Neutralität von über 400 Fernseh- und Radio-Sendern sowie Zeitungen überprüfen, die sich seit dem Ende der Mobutu-Diktatur gegründet haben - viele gehören Politikern. Modeste Mutinga, der Chef der Behörde, die auch an einer neuen Gesetzgebung arbeitet, macht Hoffnungen auf eine bessere Zukunft für Journalisten:

    "Wir denken, dass Gefängnisstrafen zu hart sind und deshalb müssen wir das Gesetz ändern. Eine verantwortliche Berichterstattung muss aus einer bürgerlichen Haltung heraus entstehen. Das ist ein Kampf, aber wir werden ihn eines Tages gewinnen."