Karin Fischer: Heute wird in Sachsen der Sorbe Stanislaw Tillich als Ministerpräsident gewählt. Eine gute Gelegenheit, einen Blick auf die Kultur der Sorben zu werfen, die zwar eine anerkannte Minderheit in Deutschland sind, über deren finanzielle Ausstattung derzeit aber heftig gestritten wird. Der Bund will die Zuwendungen für die Stiftung für das sorbische Volk in den nächsten Jahren kontinuierlich senken. Derzeit liegen auch noch knapp drei Millionen Euro fürs Jahr 2008 auf Eis. Bevor wir zu diesen aktuellen Problemen kommen, zunächst die Frage an Dietrich Scholze, er ist Leiter des Sorbischen Instituts in Bautzen. Herr Scholze, Ihr Name klingt aber doch sehr deutsch?
Dieter Scholze: Ja, es ist oft der Fall, dass Sorben zwei Namen führen. Einen in Deutsch und den anderen dann, in der Regel die Übersetzung, in Sorbisch. In sorbischen Zeitungen und Zeitschriften figurierte ich als Šołta. Scholze ist der Name, der offiziell eingetragen ist. Diese Doppelung ist üblich, weil die sorbische Fassung, gerade bei diesem Namen, der ja auf Deutsch sonst Schulze hieße, schwierig ist. Er hat zwei diakritische Zeichen, einen Haken und ein durchgestrichenes L, und da gäbe es bei vielen Gelegenheiten Probleme.
Fischer: Dann haben wir die Sprache schon erwähnt. Lassen Sie uns über die sorbische Kultur sprechen, Herr Scholze. Wir kennen das sorbische Nationalensemble, es gibt auch ein sorbischsprachiges Theater in Bautzen. Was ist das Charakteristische an der sorbischen Kultur?
Scholze: Ich denke, das Besondere bei einer so kleinen Minderheit wie den Sorben ist, dass es gelungen ist, im 19. Jahrhundert, als die Epoche des nationalen Erwachens stattfand, dass die Sorben neben der traditionellen Volkskultur, die sie über viele Jahrhunderte gepflegt haben, auch eine Hochkultur entwickeln konnten. Und diese Hochkultur in Literatur, Musik, Theater, bildender Kunst, die ist für uns heute noch lebendig und die ist auch eine Möglichkeit, die Existenz, die Leistungsfähigkeit der Sorben an die Nachbarn weiterzugeben.
Fischer: Das heißt, die sorbische Kultur ist mehr als Trachten und Folklore. Welche sorbische Künstler sollen wir vielleicht deutlicher zur Kenntnis nehmen als bisher? Wie genau hört sich sorbische Hochkultur an?
Scholze: Wir haben hier eine Reihe bedeutender Schriftsteller. Der bekannteste war Juri Bresan, der vor zwei Jahren verstorben ist. Aber es gibt mit Juri Koch oder dem Lyriker Kito Lorenc immer noch sehr namhafte Leute, die zumindest im Bereich des östlichen Deutschlands, um Berlin herum, sehr bekannt sind. Und es gibt eine ganze Phalanx von Komponisten, deren Werke natürlich auch vor allem in den beiden Lausitzen, der Ober- und Niederlausitz, regelmäßig aufgeführt werden.
Fischer: Die Sorben sind ein westslawisches Volk, das während der Nazizeit als Minderheit unterdrückt, von DDR-Behörden aber kulturell sehr gefördert wurde, wenn ich das jetzt mal einfach verkürzt ausdrücke. Sie arbeiten am Sorbischen Institut ja auch über die Geschichte, Sprache und Kultur der Sorben. Zum Beispiel gibt es da das Projekt eines sorbischen Wörterbuches.
Scholze: Da gibt es verschiedene Wörterbuchprojekte. Wir brauchen ja für Obersorbisch und für Niedersorbisch Wörterbücher. Sie müssen sich vorstellen, beide Sprachen sind etwa soweit entfernt wie Tschechisch und Slowakisch. Und es gibt dann spezielle Wörterbücher, ein phraseologisches Wörterbuch ist geschrieben worden in den letzten Jahren. Es werden Versuche gemacht, ein Synonymwörterbuch zu entwickeln, das gibt es noch nicht. Für die Schulen müssen Extraversionen entstehen. Das ist eine ganze Menge von Arbeit. Und deswegen sind wir auch froh, dass wir in unserer Cottbusser Filiale eine Gruppe von Sprachwissenschaftlern haben, die sich speziell mit den Bedürfnissen der Niedersorben beschäftigen.
Fischer: Wie alle Bevölkerungsgruppen geht die Bevölkerungsgruppe der Sorben zahlenmäßig zurück. Ist das ein dringliches Problem für Sie?
Scholze: Das ist ein sehr dringliches Problem. Dahinter steckt die natürliche Assimilation, wenn etwa junge Sorben deutsche Partner heiraten und dann in der Familie eben die deutsche Sprache gesprochen wird, weil man nur in den seltensten Fällen von dem deutschen Partner erwarten kann, dass er das Sorbische, was keine einfache Sprache ist, soweit erlernt, dass man es dann auch im Alltag anwendet.
Fischer: Morgen will die traditionell friedliche deutsche Minderheit zum ersten Mal protestieren gehen nach Berlin. Herr Scholze, warum?
Scholze: Wir sind in einer schwierigen Situation und auch teilweise verzweifelt, weil die sorbischen Einrichtungen, die die Sorben nach dem Zweiten Weltkrieg auch als Wiedergutmachung für die Säuberungspolitik der Nazis erhalten haben, diese Einrichtungen wie das Theater, das Folkloreensemble, auch das Sorbische Institut, der Verlag sind gefährdet, weil die Fördermittel, die für die Sorben bereitgestellt werden insbesondere vonseiten des Bundes nicht ausreichen. Ab 2008 wird es so wenig sein, dass einzelne Einrichtungen verkleinert oder ganz geschlossen werden müssen.
Dieter Scholze: Ja, es ist oft der Fall, dass Sorben zwei Namen führen. Einen in Deutsch und den anderen dann, in der Regel die Übersetzung, in Sorbisch. In sorbischen Zeitungen und Zeitschriften figurierte ich als Šołta. Scholze ist der Name, der offiziell eingetragen ist. Diese Doppelung ist üblich, weil die sorbische Fassung, gerade bei diesem Namen, der ja auf Deutsch sonst Schulze hieße, schwierig ist. Er hat zwei diakritische Zeichen, einen Haken und ein durchgestrichenes L, und da gäbe es bei vielen Gelegenheiten Probleme.
Fischer: Dann haben wir die Sprache schon erwähnt. Lassen Sie uns über die sorbische Kultur sprechen, Herr Scholze. Wir kennen das sorbische Nationalensemble, es gibt auch ein sorbischsprachiges Theater in Bautzen. Was ist das Charakteristische an der sorbischen Kultur?
Scholze: Ich denke, das Besondere bei einer so kleinen Minderheit wie den Sorben ist, dass es gelungen ist, im 19. Jahrhundert, als die Epoche des nationalen Erwachens stattfand, dass die Sorben neben der traditionellen Volkskultur, die sie über viele Jahrhunderte gepflegt haben, auch eine Hochkultur entwickeln konnten. Und diese Hochkultur in Literatur, Musik, Theater, bildender Kunst, die ist für uns heute noch lebendig und die ist auch eine Möglichkeit, die Existenz, die Leistungsfähigkeit der Sorben an die Nachbarn weiterzugeben.
Fischer: Das heißt, die sorbische Kultur ist mehr als Trachten und Folklore. Welche sorbische Künstler sollen wir vielleicht deutlicher zur Kenntnis nehmen als bisher? Wie genau hört sich sorbische Hochkultur an?
Scholze: Wir haben hier eine Reihe bedeutender Schriftsteller. Der bekannteste war Juri Bresan, der vor zwei Jahren verstorben ist. Aber es gibt mit Juri Koch oder dem Lyriker Kito Lorenc immer noch sehr namhafte Leute, die zumindest im Bereich des östlichen Deutschlands, um Berlin herum, sehr bekannt sind. Und es gibt eine ganze Phalanx von Komponisten, deren Werke natürlich auch vor allem in den beiden Lausitzen, der Ober- und Niederlausitz, regelmäßig aufgeführt werden.
Fischer: Die Sorben sind ein westslawisches Volk, das während der Nazizeit als Minderheit unterdrückt, von DDR-Behörden aber kulturell sehr gefördert wurde, wenn ich das jetzt mal einfach verkürzt ausdrücke. Sie arbeiten am Sorbischen Institut ja auch über die Geschichte, Sprache und Kultur der Sorben. Zum Beispiel gibt es da das Projekt eines sorbischen Wörterbuches.
Scholze: Da gibt es verschiedene Wörterbuchprojekte. Wir brauchen ja für Obersorbisch und für Niedersorbisch Wörterbücher. Sie müssen sich vorstellen, beide Sprachen sind etwa soweit entfernt wie Tschechisch und Slowakisch. Und es gibt dann spezielle Wörterbücher, ein phraseologisches Wörterbuch ist geschrieben worden in den letzten Jahren. Es werden Versuche gemacht, ein Synonymwörterbuch zu entwickeln, das gibt es noch nicht. Für die Schulen müssen Extraversionen entstehen. Das ist eine ganze Menge von Arbeit. Und deswegen sind wir auch froh, dass wir in unserer Cottbusser Filiale eine Gruppe von Sprachwissenschaftlern haben, die sich speziell mit den Bedürfnissen der Niedersorben beschäftigen.
Fischer: Wie alle Bevölkerungsgruppen geht die Bevölkerungsgruppe der Sorben zahlenmäßig zurück. Ist das ein dringliches Problem für Sie?
Scholze: Das ist ein sehr dringliches Problem. Dahinter steckt die natürliche Assimilation, wenn etwa junge Sorben deutsche Partner heiraten und dann in der Familie eben die deutsche Sprache gesprochen wird, weil man nur in den seltensten Fällen von dem deutschen Partner erwarten kann, dass er das Sorbische, was keine einfache Sprache ist, soweit erlernt, dass man es dann auch im Alltag anwendet.
Fischer: Morgen will die traditionell friedliche deutsche Minderheit zum ersten Mal protestieren gehen nach Berlin. Herr Scholze, warum?
Scholze: Wir sind in einer schwierigen Situation und auch teilweise verzweifelt, weil die sorbischen Einrichtungen, die die Sorben nach dem Zweiten Weltkrieg auch als Wiedergutmachung für die Säuberungspolitik der Nazis erhalten haben, diese Einrichtungen wie das Theater, das Folkloreensemble, auch das Sorbische Institut, der Verlag sind gefährdet, weil die Fördermittel, die für die Sorben bereitgestellt werden insbesondere vonseiten des Bundes nicht ausreichen. Ab 2008 wird es so wenig sein, dass einzelne Einrichtungen verkleinert oder ganz geschlossen werden müssen.