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Verkehrsgerichtstag
Debatte um die begehrten Autodaten

Moderne Fahrzeuge haben sich zu rollenden Computern entwickelt. Schon heute sind bei Neufahrzeugen rund 80 Steuergeräte in Betrieb, die unablässig Daten speichern. Wem gehören diese Daten? Und wer soll Zugriff darauf haben? Darüber diskutieren Verkehrsexperten auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag.

Von Alexander Budde | 30.01.2014
    Die Autobahn 2 im Abendlicht, dahinter ein Windrad
    Schon heute sind viele moderne Wagen unterwegs, in denen Daten aufgezeichnet werden. (picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Ralf Lenninger, Entwicklungschef beim Zulieferkonzern Continental, preist die Vorzüge des vernetzten Automobils. Kameras und Sensoren spähen hinaus auf die Straße. Doch Gefahr lauert auch in Gestalt des Menschen, der am Lenkrad sitzt. Weshalb eines der elektronischen Augen stets auf das Gesicht des Fahrers gerichtet ist und dessen Blickrichtung analysiert.
    "Und wenn nun die Kamera erkennt, dass Sie nicht auf die Straße schauen, sondern nach hinten zu den Kindern, dann gibt es erstmal eine Warnung, zum Beispiel eine Vibration im Sitz. Oder, wenn es wirklich richtig kritisch wird, wird eine Notbremsung eingeleitet."
    Moderne Kraftfahrzeuge sind rollende Computer. ABS, ESP, Airbag und diverse Assistenz-Systeme: Mit Hilfe von Telemetrie-Daten lassen sich Unfallgeschehen rekonstruieren, um Autos sicherer und besser zu machen. Aber auch Profile herstellen, die im Zweifelsfall geeignet sind, Schuld und Haftung zuzuordnen. Ingenieur Lenninger meint, daran sei im Grunde nichts Verwerfliches.
    "Weil ich meine, wenn wir in einem Rechtssaat sind, soll das Recht gewinnen. Und wenn wir die Möglichkeit haben, wirklich nachzuweisen, der hat was falsch gemacht oder nicht. Wenn sie mal in andere Länder reingehen - ich war am Montag in Singapur - ist das inzwischen so, dass die meisten Autos so ein Kamerasystem haben, die den Verkehr beobachten."
    Autofahrer hat keinen Zugriff auf Daten
    Doch wem gehören eigentlich die Daten, die bereits heute in unseren zunehmend vernetzten Fahrzeugen von bis zu 80 Steuergeräten im laufenden Fahrbetrieb gespeichert werden? Und wer darf zu welchem Zweck darauf zugreifen?
    "Der Fahrer hat ja ein Interesse daran, vielleicht die Daten einzusehen, wenn er selbst Ansprüche durchsetzen will. An die kommt er bisher aber nicht ran. Die Daten können allein von den Herstellern ausgelesen werden, aber eben, man selbst kriegt die nicht zur Ansicht",
    sagt Christian Funk von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsvereins. Und die Gefahr des Missbrauchs schützenswerter Daten könnte noch zunehmen, fürchten Experten, wenn europaweit in Neufahrzeugen der sogenannte eCall eingeführt wird. Das System wird bei einem Unfall automatisch einen Notruf absetzen. Doch auch Versicherungen und Hersteller haben ein Interesse an den auszulesenden Fahrzeugdaten, gibt Rainer Hilgärtner, Sprecher des ACE Autoclub Europa zu bedenken.
    "Die wollen dann beispielsweis einen Abschleppvorgang organisieren, der in der Werkstatt des Herstellers endet. Der Autofahrer sieht sich nicht gefährdet, aber wir wissen, er könnte schnell zum gläsernen Autofahrer werden. Und das hat Folgen: Beispielsweise überlegen jetzt Versicherungen, Angebote zu machen mit einer Blackbox. Und wenn ich die einbaue, dann ist mein KFZ-Haftpflichtvertrag günstiger. Hier plädieren wir dafür, dass der Autobesitzer wissen muss, im Detail, welche Daten generiert werden im Auto. Und er muss die Verfügungsmacht darüber haben, was mit den Daten passiert."
    Letztendlich wird der Gesetzgeber entscheiden müssen, welche Daten aus dem Fahrzeug abgerufen werden können, sagt Kay Nehm, Generalbundesanwalt außer Dienst und Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages.
    "Im Endergebnis haben wir doch alle daran ein Interesse, dass ein Prozess nicht durch Datenregelungen entschieden wird und Beweislastregelungen, sondern dadurch entschieden wird, wer wirklich den Unfall verursacht hat. Je mehr Aufklärung, umso mehr Gerechtigkeit."