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Wille zur Macht

Mit "Borgia" macht das ZDF eine Reise in den Vatikan des späten 15. Jahrhunderts. In sechs Teilen zeigt der Sender die Geschichte des Kardinal Rodrigo Borgia, der unbedingt der Nachfolger von Papst Innozenz VIII werden will. Dafür sind ihm alle Mittel recht.

Von Josef Schnelle | 17.10.2011
    "Papst Innozenz wird nicht mehr lange leben. Und wirst du jetzt endlich all deine Kinder anerkennen? In einer Zeit der Lügen: Wollt ihr euren Thron teilen mit einer Frau, die euch verabscheut? In einer Zeit der Intrigen. Lass ihn glauben, dass wir Borgia an seiner Seite stehen. Haltet eure Waffen bereit. Die Geburt einer Dynastie. Kein Borgia Bastard wird jemals wieder Papst sein."

    1492: Kolumbus entdeckt die neue Welt. In Europa herrschen die alten Strukturen. Ein undurchdringliches Dickicht aus Korruption und Nepotismus, durchsetzt von politisch motivierten Morden, Intrigen und kriegerischen Scharmützeln beherrscht Europa. Skrupellos bereichern sich weltliche und kirchliche Herrscher. Zentrum dieser Weltanschauung ist der Vatikan. Papst Innozenz VIII liegt im Sterben. Kardinal Rodrigo Borgia will ihn beerben. Mit allen Mittel der Bestechungskunst geht er ins Konklave.

    Borgia:

    "Ihr meine Neffen – getrennt und vereint – habt zu diesem Zeitpunkt, da wir Freunde brauchen, Feinde geschaffen. Unsere Taten haben Folgen über den Augenblick hinaus. Und jetzt – um den Zorn der Colonna zu beschwichtigen – sehe ich mich gezwungen, sie zu erheben, indem ich seiner Heiligkeit dazu rate, dass er Fabricio zum Präfekten von Rom ernennt. Ein Amt für das er in keiner Weise befähigt ist und das er gegen uns einsetzen wird."

    Er nennt sie seine Neffen, doch er hält ihnen eine Gardinenpredigt wie ein Vater. Erst nach der Krönung zum Papst wird sich Rodrigo Borgia – dann Alexander VI - zu seinen Kindern Juan, Cesare und Lukrezia bekennen. Rodrigos Lebenswandel mit seinen zahlreichen Mätressen, Orgien und skrupelloser Gier nach Geld und Macht ist nicht ungewöhnlich für den Vatikan jener Zeit. Doch nur die Borgias wurden zum düsteren Mythos der Politik ohne Moral, nicht zuletzt durch Nicolo Machiavelli, der Alexander VI zum Vorbild seiner politischen Theorie der skrupellosen Herrschaft "Il principe" erklärte.

    Die Geschichte der Borgias ist offenbar gerade besonders aktuell, spiegelt auch unsere Zeit. In gleich zwei konkurrierenden Fernsehserien wird sie heraufbeschworen – als Kostümspektakel mit Sex, Crime und Pomp.

    Heute Abend startet im ZDF die deutsch-französische Produktion, ein Sechsteiler, bei dem der deutsche Kinoregisseur Oliver Hirschbiegel Regie geführt hat. In Italien und Frankreich ist die Serie bereits als Quotenhit und Straßenfeger gelaufen. Eigentlich ein Stoff für großes Kino. Kinotaugliche 25 Millionen Euro kostete sie. In 40 Länder hat der Weltvertrieb inzwischen das Spektakel schon verkauft. Auch die amerikanische Serie "Die Borgias" , deren erste Staffel schon sehr erfolgreich auf dem amerikanischen Bezahlsender "Showtime" lief, wurde von einem bekannten Kinoregisseur inszeniert. Neil Jordan schickte Oscar-Preisträger Jeremy Irons als Rodrigo Borgia auf den Papstthron. Der wirkt zwar eleganter und schillernder als der amerikanische Serienstar John Doman, der den Patriarchen der Borgia-Familie bei Oliver Hirschbiegel verkörpert. Doch Doman nimmt man die Skrupellosigkeit des päpstlichen Gewaltherrschers eher ab. Im Fernwettkampf der Gegenpäpste gewinnt er das Duell. Das können die Fernsehzuschauer allerdings erst im November beurteilen, wenn die amerikanische Serie auch in Deutschland zu sehen sein wird.

    Ob die zweite Borgia-Serie – auch wenn sie stolze 50 Millionen Dollar gekostet hat - an die von heute Abend zu erwartenden Quoten anknüpfen kann, bleibt abzuwarten. Ein wichtigerer Befund ist: Dem großen Kino gehen offenbar vor lauter Wiederholungen und Fortsetzungen in 3D die genuinen Kinostoffe aus. Sie wandern ab ins Pantoffelkino. Auch diverse amerikanische Krimiserien wie "The Wire" und Martin Scorseses "Boardwalk Empire" erreichen längst Kinoqualität. Vielleicht sind die kreativeren Produzenten des Main-Stream-Films längst bei den Fernsehanstalten und bieten dem von Bankbürgschaften und Finanzjongleuren erwürgten Formelkino Hollywoods die Stirn. So klingt ein Satz Rodrigo Borgias in der Fernsehserie wie eine Kampfansage an das Kino.

    Borgia:

    "Wir alle sind nur einen Fehltritt entfernt vom Exil – von der Vernichtung."