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ZDFneo-Serie "Die Lobbyistin"
Nicht ohne meinen Politberater!

Eine erfolgreiche Politikerin wechselt in eine Lobbyagentur, ein unliebsamer Minister landet tot in der Spree und Politik wird bei Champagner und Hummer gemacht: Die neue ZDFneo-Serie "Die Lobbyistin" versucht sich an der komplexen Darstellung des Politbetriebes - und scheitert auf ganzer Linie.

Von Susanne Luerweg | 14.11.2017
    Wolfgang Zielert (Bernhard Schir) gibt nicht zu, dass er die Schmutzkampagne gegen Eva Blumenthal (Rosalie Thomass) lanciert hat.
    In "Die Lobbyistin" wechselt Eva Blumenthal (Rosalie Thomass) die Seiten, um eine Schmutzkampagne zu beenden (ZDF und Christoph Assmann)
    "Wann kommen Sie denn jetzt zu uns, Frau Blumenthal?"
    "Bieten Sie mir gerade ernsthaft einen Job in Ihrer Lobbyagentur an?"
    "Sagen wir doch Beratungsagentur."
    "Die Lobbyistin" läuft noch nicht einmal zwei Minuten, da wundert sich der Zuschauer das erste Mal. So plump soll es also laufen in Berlin? Lobbyisten werben charismatische Jungpolitikerinnen ab, indem sie ihnen einen Espresso Macchiato spendieren und einen Platz in ihrer Luxuslimousine anbieten. Das Getränk ist fast so überholt wie die platten Sprüche.
    "Ich bin Politberater geworden, weil ich gestalten will, weil ich verändern will."
    Eine Politikerin wechselt die Seiten
    Die aufstrebende Politikerin Eva Blumenthal wirkt zunächst standfest, engagiert für die Umwelt und keinesfalls käuflich. Eva Blumenthal - gespielt von Rosalie Thomass - wird Opfer einer Intrige; und um ihre Unschuld zu beweisen, wechselt sie rasch die Seiten. Denn sie vermutet den Übeltäter in den Reihen der Lobbyisten. Ihr erster Arbeitstag in der größten Lobbyagentur - oder wie es so schön heißt: "im Politberaterbüro" - bedient jedes Klischee.
    "Ah ja, er hier war früher im Verkehrsministerium. Er hat damals die Abwrackprämie eingetütet. Übrigens eine Idee der Autobranche."
    "Hat er auch bei Dieselgate mitgemischt?"
    Diese Szenen sind genauso hanebüchen wie der plötzliche Tod eines Ministers, die Figur des psychisch stark gestörten Bruders der Protagonistin und die Tatsache, dass ihr neuer Chef sie nicht feuert, obwohl sie ständig querschießt.
    "Hat nicht die Gegenseite die besten Argumente? Die Gesundheit unserer Kinder."
    "Wie lange soll das noch so gehen? Sie kommen mir vor wie eine 15-jährige Göre, die ständig Widerworte gibt. Sie wollten diesen Job. Dann machen sie ihn doch auch."
    Alle Lobbyisten sind böse
    Lobbyismus ist ein äußerst komplexes Thema, wie man augenblicklich wieder an den CO2-Verhandlungen beim Weltklimagipfel in Bonn verfolgen kann. Die ZDFneo-Serie simplifiziert: Alle Lobbyisten sind böse, ob auf Seiten der Umweltaktivisten oder auf Seiten von Energieriesen. Eine Plattitüde reiht sich an die nächste. Die politischen Bezüge sind so zäh und unverständlich wie eine Gesetzesvorlage.
    Dazu eine Bildästhetik, die ebenso konventionell ist wie die Kameraführung. Die Schöner-Wohnen- und Schöne-Menschen-Optik gleicht einer uninspirierten Vorabendserie, während die Story wilde Kapriolen schlägt.
    Wie schon bei der kürzlich gescheiterten ZDFneo-Serie "Zarah - Wilde Jahre" rund um eine mutige Journalistin im Deutschland der 70er-Jahre steht auch hier eine vermeintlich emanzipierte, toughe Frau im Mittelpunkt. Emanzipiert heißt im Fall der Serienmacher: Eva Blumenthal hat mit Wissen ihres Freundes Sex mit wem sie mag und wenn kein anderer Mann zur Hand ist, dann befriedigt sie sich selbst zwischen zwei Terminen auf der Damentoilette.
    "Diese Talkerin steht doch auf Frauen. Lassen Sie ihren Charme spielen."
    Nicht so gut wie "Die Erfindung der Wahrheit"
    Spätestens bei solchen Sätzen sinkt die Betrachterin vor Fremdscham tief in den Sessel. Gleiche Rechte für Frauen - aber bitte mit mehr Tiefgang erzählt und ohne dumme Sprüche. Wie man es deutlich besser machen kann, zeigte der Politthriller "Die Erfindung der Wahrheit" mit Jessica Chastain, die eine Lobbyistin im Machtzentrum Washingtons vielschichtig verkörpert hat. In einem Film, der Waffen-Lobbyarbeit in all seiner kaltschnäuzigen Dimension präsentiert.
    Natürlich ist es nicht fair, eine ZDFneo-Serie mit kleinem Budget mit einer teuren Hollywood-Produktion zu vergleichen, aber es liegt sicher nicht nur am Geld, dass dieses neueste ZDF-Serienproduktes so ärgerlich ist.
    Wie schon bei "Zarah - Wilde Jahre" und bei dem weiteren Serienneustart "Bruder - Schwarze Macht" wollen die Macher zu viel und lösen zu wenig ein.
    "Ich hab's versaut, Lea."
    "Dann beweist Du deine Unschuld eben anders. Ich kann sowieso nicht glauben, dass Du dafür die Seiten wechselst."
    An "Lobbyistin"-Hauptdarstellerin Rosalie Thomass liegt es allerdings nicht, dass die Serie nicht funktioniert. Sie schafft es zumindest hin und wieder, mit ihrer Kamerapräsenz und ihrem ausdrucksstarken Minenspiel den Zuschauer zu fesseln. Leider kann das die Serie auch nicht retten.
    "Die Lobbyistin" - ab Mittwoch den 15.11.2017 um 21:45 Uhr bei ZDFneo und im Anschluss dann in der Mediathek mit allen sechs Folgen.