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Insekten
Hummeln zu zielorientiertem, flexiblem Verhalten fähig

Das Gehirn von Hummeln ist winzig und vollkommen anders aufgebaut als das von Säugetieren. Aber dumm sind sie deshalb nicht. Eine neue Studie weist nach, dass sie lernen und komplexe Probleme lösen können - und dass sie dazu in der Lage sind, ihre Strategien schnell umzustellen.

Von Dagmar Röhrlich | 24.02.2017
    Eine Hummel fliegt auf eine Blume zu
    Hummeln sind Navigationskünstler, nehmen die elektrischen Felder von Blüten wahr und benutzen Werkzeuge. (dpa/picture alliance/Ralf Hirschberger)
    Hummeln sind aus vielen Gründen bemerkenswert. Allein dass diese "pummeligen", Insekten überhaupt fliegen können, erscheint schon unglaublich. Und doch schaffen sie es. Sie sind Navigationskünstler, nehmen die elektrischen Felder von Blüten wahr und benutzen Werkzeuge. Und so regen ihre vielen Fähigkeiten die Fantasie von Verhaltensforschern an:
    "Uns hat interessiert, ob Hummeln eine Aufgabe lösen können, der sie im Lauf der Evolution nie begegnet sind: Ob sie lernen, für Zuckerwasser einen kleinen Ball zu einem bestimmten Punkt zu bewegen. Hummeln lieben Zuckerwasser."
    Erzählt Olli Loukola von der Queen Mary University in London. Die Hummeln sollten zunächst einen kleinen gelben Ball in ein Ziel in der Mitte einer Scheibe bewegen:
    "Wir gaben ihnen dafür fünf Minuten Zeit. Schafften sie es nicht, haben wir ihnen mit Hilfe einer Hummelattrappe gezeigt, was sie machen sollten. Die Hummeln beobachteten das Geschehen und lernten nach ein paar Vorführungen, wie sie an die Belohnung kamen. Mit der Zeit erledigten sie ihre Aufgabe immer effizienter.
    Viele Hummel-Probanden änderten überraschenderweise ihre Technik
    In der nächsten Stufe des Experiments wurden drei kleine Bälle über die Scheibe verteilt: einer lag am Rand, einer in der Nähe der Mitte und ein dritter irgendwo dazwischen. Einen dieser Bälle sollten die Hummeln ins Zentrum bewegen - dem Ziel, an dem es Zuckerwasser gab. Olli Loukola:
    "Die erste Hummelgruppe durfte dreimal beobachten, wie ein trainierter Artgenosse den am Rand der Scheibe liegenden Ball ins Zentrum manövrierte. Sie begriffen schnell, was sie tun sollten. Allerdings kopierten sie nicht 'blind' das Verhalten des Lehrers. Vielmehr suchten sie sich den Ball aus, dem der dem Ziel am nächsten lag, den leichtesten also."
    Außerdem änderten viele der Hummel-Probanden überraschenderweise ihre Technik: Während ihr Lehrer den Ball geschoben hatte, drehten sie sich um und zogen ihn ins Ziel.
    "Eine zweite Gruppe ließen wir beobachten, wie der am Rand liegende Ball gleichsam von Geisterhand ins Zentrum bugsiert wurde. Dabei setzten wir Magnete ein. Und sie lernten, worum es ging. Sie waren langsamer als die Gruppe mit dem sozialen Vorbild, wandten sich jedoch ebenfalls dem Ball in der Nähe des Ziels zu."
    Insektengehirne nicht zu winzig für flexibles Verhalten
    Eine dritte Gruppe erhielt überhaupt keine Hilfe. Bei ihnen verstanden nur zwei von acht Hummeln den Zusammenhang zwischen Ball und Belohnung. Doch wenn sie ihn verstanden, machten auch sie sich die Aufgabe leicht und wählten den einfachsten Ball. Anschließend wechselten die Forscher die Ballfarbe von gelb zu schwarz. Doch davon ließen sich die Hummeln nicht verwirren. Sie hatten also das Prinzip verstanden, nachdem sie ihre Belohnung bekamen: Bewege einen Ball ins Zentrum, betont Olli Loukola:
    "Das zeugt von einer erstaunlich großen kognitiven Flexibilität: Wir konnten zeigen, dass sie nicht nur andere kopieren können, sondern auch das Beobachtete verbessern. Wenn es sein muss, können sie alle möglichen Tricks."
    Mit den Experimenten gelang auch der Nachweis, dass Hummeln generalisieren können und ein zielorientiertes und flexibles Verhalten an den Tag legen. So widerlegen die Hummeln im Labor der Queen Mary University endgültig ein altes Vorurteil: dass Insektengehirne zu winzig für flexibles Verhalten sind.