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Zoologie
Eine kurze Geschichte der Hummel

Dave Goulson gewährt mit seinem neuen Buch "Und sie fliegt doch" Einblicke in die Welt der Hummeln. Dabei vermittelt er Fakten anschaulich wie unterhaltsam. Außerdem zeigt der Naturschützer und Wissenschaftler düstere Seiten der Insekten auf. Ein Buch mit hohem Spaßfaktor, meint unsere Rezensentin.

Von Dagmar Röhrlich | 09.09.2014
    Eine Hummel sitzt auf einer Raps-Pflanze.
    Energetisch gesehen leben Hummeln auf der Überholspur - und es grenzt fast an ein Wunder, dass sie ihre pummeligen Körper in die Luft heben können. (picture alliance / ZB / Bernd Wüstneck)
    Als Dave Goulson Kind war, pflasterten Leichen seinen Weg. Gleichgültig, wie sich ein Tier fortbewegte - es war gut beraten, vor ihm zu fliehen. Ob Tropenfisch, Wachtel, Strumpfbandnatter oder Hummel: Die Mortaliätsräte bei meinen Schützlingen war beunruhigend hoch.
    Die Details sind grausig, die er im Prolog seines Buches "Und sie fliegt doch – eine kurze Geschichte der Hummel" erzählt. Nach den ersten Seiten erscheinen sowohl der Autor, als auch seine Eltern reichlich unsympathisch. Zum Glück für die Tierwelt entwickelte sich Dave Goulson weiter: Heute ist er ein renommierter Naturschützer und Wissenschaftler - und weiß, seine Forschung unters Volk zu bringen:
    "Warum haben ( ... ) Hummeln Stinkefüße?"
    Damit sie Fußabdrücke auf den Blüten hinterlassen, die der nächsten Hummel anzeigen, das sich ein Besuch nicht lohnt. Das Signal macht Sinn - denn:
    "Eine Hummel mit vollem Magen befindet sich nur etwa 40 Minuten vom Hungertod entfernt."
    Energetisch gesehen leben Hummeln auf der Überholspur - und es grenzt fast an ein Wunder, dass sie ihre pummeligen Körper in die Luft heben können:
    "Ein Jogger verbraucht in einer Stunde etwa die Kalorien eines Marsriegels, eine menschengroße Hummel (...) würde die gleiche Kalorienzahl in weniger als 30 Sekunden verbrauchen."
    Kannibalismus und Kindsmord
    Dave Goulson vermittelt Fakten anschaulich: ob zur Evolution der Hummeln, zu ihrer Rolle in der Natur oder ihrer beeindruckenden Orientierungsfähigkeit. Er beschreibt auch ihr Sozialverhalten - die vorbildliche Seite ebenso wie ihre dunkle, die später im Sommer zum Tragen kommt:
    "In den dämmrigen Grenzen des Nests spielen sich gewalttätige Kämpfe ab, sind Kannibalismus, Kindsmord und Mord an der Tagesordnung."
    Dann möchte niemand Hummelkönigin sein, ganz bestimmt nicht. Dave Goulson hat mit "Und sie fliegt doch" ein liebenswertes Sachbuch geschrieben. Es handelt von den Tieren, aber auch von den Forschern und ihren Methoden.
    Ausführlich erzählt der Biologieprofessor von seinen Reisen und auch von seinem Privatleben. Dabei schießt er gelegentlich übers Ziel hinaus und gleicht dann - um es mit Shakespeare zu sagen - "der gnädigen Frau ältestem Sohn und plappert immer fort". Aber - was soll's: Spaß macht das Buch trotzdem.
    Zielgruppe: Jeder Tierfreund, der Anekdoten liebt.
    Erkenntnisgewinn: Hummeln meiden die in Gartencentern angebotenen Hummelkästen, Dave Goulson liebt Pies, und in Tasmanien gibt es einen Pub, in dem ein Schwein namens Priscilla Bier trinkt.
    Spaßfaktor: Kurzweilig, unterhaltsam und spannend, denn hoffentlich ist im schottischen Dungeness bald die Erdbauhummel wieder heimisch.
    Dave Goulson: "Und sie fliegt doch - Eine kurze Geschichte der Hummel"
    Aus dem Englischen von Sabine Hübner
    Hanser Verlag, München 2014
    320 Seiten, 19,90 Euro
    ISBN 978-3-446-44039-5