Archiv

Singapur vor 200 Jahren
Vom unbedeutenden Fischerdorf zum wichtigen Handelsstützpunkt

Am 29. Januar 1819 ging der britische Gouverneur und Gesandte der Britischen Ostindienkompanie Thomas Stamford Raffles an der Mündung des Singa Flusses an Land, um dort einen Handelshafen zu errichten. Damit legte er den Grundstein für eine der reichsten und saubersten Städte der Welt.

Von Regina Kusch | 29.01.2019
    Eine Panoramaaufnahme der Skyline von Singapur von Chinatown in Singapur aus gesehen.
    Singapur war für die Briten vor 200 Jahren ein strategisch wichtiger Hafen auf dem Weg nach China (imago/Xinhua)
    "Als Sir Raffles hier ankam, standen nicht einmal 100 Häuser und ein paar kleine Hütten an der Flussmündung. Etwa 30 Fischerfamilien lebten auf ihren Booten und in Siedlungen am Ufer."
    So beschrieb Wa Hakim, ein Fischer vom Volk der Orang Laut, sein Heimatdorf Temasek am Singapur-Fluss. Am Morgen des 29. Januar 1819 ging dort der britische Kolonialverwalter Sir Thomas Stamford Raffles an Land, zusammen mit Generalmajor William Farquhar und einem Sepoy, wie die Soldaten der Britischen Ostindienkompanie genannt wurden.
    "Sir Raffles war ein kleiner Mann. Der Generalmajor dagegen war hochgewachsen und trug einen Helm, der Sepoy eine Muskete. Ich folgte ihnen zusammen mit den anderen Fischern zum Haus des Dorffürsten."
    Die Verhandlungen mit dem Dorffürsten verliefen äußerst zufriedenstellend. Im Auftrag der Britischen Ostindien-Kompanie hatte Raffles schon länger nach einem geeigneten Ort für einen britischen Handelshafen gesucht. Die konkurrierenden Niederländer kontrollierten den Seeweg durch die Straße von Malakka zwischen der Malaischen Halbinsel und der Nordostküste Sumatras und erhoben hohe Zölle in ihren Häfen. Die wollte Raffles umgehen. In einem Brief schwärmte er:
    "Trotz all meiner Kenntnisse der malaiischen Welt hätte ich mir kaum vorstellen können, dass ein solcher Ort existiert. Wir könnten alle Schiffe, die die Meerenge von Singapur passieren, kontrollieren. In nur einer Woche segelt man nach China, es liegt nah bei Siam und im Herzen des Königreichs von Malaysia."
    Ein Stützpunkt auf dem Weg nach China
    Temasek, einst ein bedeutender malaiischer Handelshafen, war im 17. Jahrhundert von den Portugiesen niedergebrannt worden und danach in Vergessenheit geraten, erzählt der niederländische Historiker Vincent Houben von der Berliner Humboldt-Universität.
    "Es war ein unbedeutender Ort, aber sehr günstig gelegen. Das war Raffles aufgefallen, an der Spitze der malaiischen Halbinsel, mit einem Tiefwasserhafen, natürlichen Ressourcen wie Holz und Trinkwasser. Und Raffles meinte, dass es aus strategischen Gründen sehr wichtig wäre, wenn die Briten einen Stützpunkt auf dem Weg nach China haben würden."
    Temasek lag im Sultanat Johor, das von den Holländern kontrolliert wurde. Raffles musste, um seinen Plan umsetzen zu können, die Niederländer übergehen. Die unterstützten den jüngeren Sohn des verstorbenen Sultans auf dem Thron. Da griff Raffles zu einer List: Er holte dessen älteren, erbberechtigten Bruder Hussein aus dem Exil zurück, ernannte ihn eigenmächtig zum Sultan und schloss mit ihm einen Vertrag über die Gründung des britischen Handelsstützpunktes "Singapur", zu deutsch: die "Löwenstadt". Doch die Niederländer erkannten dieses Abkommen nicht an.
    "Aber dann kam es zu diplomatischen Verhandlungen. Und 1824 wurde die Einflusssphäre von England und Niederlande in diesem Gebiet voneinander getrennt. Das heißt, die Engländer haben sich aus Sumatra zurückgezogen, und die Niederländer haben anerkannt, dass Singapur Teil des britischen Imperiums wurde."
    Ab 1867 britische Kronkolonie
    Schnell wurde der Freihafen ein bedeutender Umschlagplatz für die Region und Singapur 1867 zur Britischen Kronkolonie. Da lebten bereits 100.000 Menschen - Chinesen, Malaien, Inder und Europäer - in der florierenden Handelsstadt, in der internationale Waren zollfrei gehandelt wurden.
    "Seide, Keramik aus China, Salz, Zucker und Reis aus Siam, aus Thailand, und Textilien aus Indien. Es gab große Ressourcen, aber einen Arbeitermangel. Und dann wurden Kulis aus Südindien und China und auch von der Insel Java geholt und über die Plantagen in der Region verteilt."
    Starke Autonomiebewegung nach dem Zweiten Weltkrieg
    Während des Zweiten Weltkriegs wurde Singapur von den Japanern eingenommen und ein Großteil der multiethnischen Bevölkerung umgebracht oder in Gefangenenlager deportiert. Als Großbritannien nach der Niederlage der Japaner 1945 die Kolonie wieder übernehmen wollte, entstand eine starke Autonomiebewegung. 1963 entließen die Briten Singapur schließlich in die Unabhängigkeit.